Mahayoga – die Vollendung von Welt und Wesen

Von Rangdroldorje

Nach der Praxis der Erzeugungsstufe folgt die Praxis der Vollendungsstufe. Diese besteht aus den fünf Yogas des Pfades: 1) dem Yoga der Großen Leerheit; 2) dem Yoga der Illusion; 3) dem Yoga der einzelnen Mudra; 4) dem Yoga der ausführlichen Mudra; und 5) den Yoga der Leerheit und großen Wonne.

Yoga der Großen Leerheit

Beim Yoga der Großen Leerheit werden die Gewohnheitsmuster des Todes in den Pfad gebracht, indem der Geistwind in den Zentralkanal gezogen wird. Indem man in der Sieben-Punkte-Haltung des Vairocana sitzt und sich die Sicht aus früherem Studium und Kontemplation vergegenwärtigt, wird tagsüber praktiziert. So weilt man in einem nichtbegrifflichen Geisteszustand. In der Nacht werden die lichte Klarheit des Schlafs und der Meditationssitzungen miteinander verbunden. Man sagt auch, dass auf diese Weise die beiden Ansätze eines Yogis und eines Gelehrten zusammenkommen. Die Meditationspraxis des intuitiven Ruhens (tib., ‘jog sgom) eines Yogi ist ein nicht-analytisches Verfahren und die analytische Meditation (tib., dpyad sgom) eines Gelehrten (pandita) bezieht sich zunächst auf eine Untersuchung der Natur des Geistes, wobei hier allerdings ein Zustand von Gelassenheit gemeint ist, der nach solch einer Erforschung der Geistnatur eintritt.

Yoga der Illusion

Um den Zwischenzustand in den Pfad zu integrieren, praktiziert man den Yoga der Illusion. Aus dem vorherigen Ruhen des Geistes in einem Zustand von Großer Leerheit und lichthafter Klarheit treten verschiedenste Erscheinungen wie Rauch, Spiegelungen, Funkenflug, weiße, rote und schwarze Lichter auf. Im Wachzustand werden alle Erscheinungen des Tages und alle Traumerscheinungen der Nacht als Illusionen gesehen. Dies wird mit der Erscheinung des Mondes verglichen, der sich im Wasser spiegelt. Auf diese Weise wird das Greifen nach Substanzhaftigkeit von Erscheinungen bereinigt und man erlangt so Befreiung, wodurch Mitgefühl frei von Bezug ungehindert entsteht.

Yoga der einzelnen Mudra

Damit die Gewohnheitsmuster aus der ersten Lebensphase eines Menschen bereinigt werden, praktiziert man den Yoga der einzelnen Mudra. Dieses Mitgefühl frei von Bezug wird auf alle Erscheinungen ohne Vorurteil projiziert und genauso wie beim Erscheinen der Spiegelung des Mondes im Wasser, erscheint die einzelne Mudra in Gestalt der Gottheit zusammen mit der Wonne in meditativer Versenkung.

Yoga der ausführlichen Mudra

Um die Gewohnheitsmuster eines Menschen mittleren Alters zu reinigen praktiziert man den Yoga der ausführlichen Mudra. Die frühere Erscheinung der einzelnen Gottheit nimmt immer mehr zu, bis alle Erscheinungen zu untrennbaren Gottheiten von der Form der Hauptgottheit werden und sich überallhin im Raum ausbreiten, klar unterschieden und vollständig.

Yoga der Leerheit und Wonne

Durch eine ähnliche Praxis wie bei der ausführlichen Erzeugungsstufe werden die Gewohnheitsmuster des dritten Lebensabschnitts eines Menschen bereinigt. Durch die Mittel der verschiedenen Gruppen – ein, drei oder fünf – praktiziert man auf gleiche Weise wie bei der Erzeugungsphase oder indem man sich auf den kurzen Yoga von Hauptgottheit Yab-Yum und nahem Gefolge stützt oder den äußerst verkürzten Yoga der Gottheit Yab-Yum von untrennbarer großer Wonne-Leerheit verlässt.

Auflösung und Vollendung

Alles diese Praktiken werden auch am Ende einer Gottheiten-Sadhana angewandt. Dabei gibt es die zusammengefasste Variation des Auflösens in drei Stufen, die der Auflösung der drei Kayas entsprechen oder die ausführlichere Variante, bei der die Erscheinungen von ihrer Peripherie her in die Hauptgottheit, dann ins Mantra und in die Keimsilbe aufgelöst werden. Und die Keimsilbe löst sich dann auch entsprechend ihrer Gestalt von unten nach oben ins Nada auf, bis schließlich nur mehr der Bindu vorhanden ist, welcher sich schließlich in die Weite des Raumes auflöst.


Basierend auf den Lehren aus dem “shes bya mdzod” des Jamgon Kongtrul hat der Ngak’chang Rangdrol Dorje das in aller Eile zusammengefasst. Möge es von Nutzen sein!