Schreiben ist möglich. Schreiben kann ich auch ohne meinen Riechsinn, schreiben bis zum nächsten Hustenanfall ist möglich und wenn ich nicht wieder fiebrig werde, kann ich mich ganz gut für eine Stunde oder mehr konzentrieren. Grippe ist einfach Mist und sie hält mich von den wichtigen Dingen ab. Ich sollte Saxophon üben und es wartet sehr viel Arbeit. Doch ich bin völlig außer Puste und da ich krankgeschrieben bin, muß die Arbeit warten, bis es mir wieder besser geht. Also Sofa oder Bett, dazu ein oder zwei Katzen, Tee, ein gutes Buch und Kopfschmerztabletten. Am Klavier habe ich vorhin kurz gesessen und in Erinnerung an Leonhard Cohen einige Harmonien gedrückt:
… the fourth, the fifth, the minor fall, the major lift, the baffled King composed Hallelujah.
Blind legen sich die Finger auf die Tasten, macht mein Kopf die passenden Farben dazu, folgt auf die Tonika die Subdominante, dann kommt die Dominante, stürzt alles ins Moll und schwingt sich jubelnd wieder auf ins Dur: Hallelujah. Ein Liedtext, der in dieser Zeile seine musikalische Struktur beschreibt. Ich schaue ins Bücherregal, suche ein ganz bestimmtes Buch – irgendwo hab ich den Songtext -, bis mein Blick an einem kleinen Fläschchen hängen bleibt und mir plötzlich wieder einfällt, was ich neulich schon tun wollte. Klick macht es in meinem Kopf und obwohl ich derzeit nichts riechen kann, ist die Geruchserinnerung in meinem Kopf so präsent wie der Kammerton.
MAGNOLAN
Wenn sich die Idee zu einem Text in meinem Kopf festsetz, dann überlege ich zuerst fast immer, ob und wie ich einen neuen Artikel wenigstens einigermaßen hübsch bebildern könnte und da ich mich sogar Fotograf nennen dürfte, jahrelang für die Berliner Zeitung unterwegs war und ein ganz ordentliches Fotoatchiv besitze, sollte es ein Leichtes sein, einen Riechstoff, der MAGNOLAN genannt wird, mit einem hübschen Bild zu garnieren. Also Computer angeschaltet, die externe Festplatte aufgerufen, Lychee als Suchbegriff eingegeben und „es wurden keine Ergebnisse gefunden“. Nein, ich habe keine erhöhte Temperatur. Wenn ich an Magnolan denke, dann sehe ich Lychees vor mir. Lychees, Grapefruit und vielleicht auch Rose. Warum der Riechstoff Magnolan heißt ist mir persönlich ein Rätsel. Das wäre Bildtechnisch zwar leichter gewesen, weil ich Magnolienblüten in unzähligen Varianten besitze. Doch gerade in diesem Punkt liegt für mich ein großer Reiz und wer sich mit Parfum und Perfumherstellung, mit Riechstoffen und Komposition beschäftigt, der sollte um diese persönlichen Wahrnehmungen (die von Mensch zu Mensch ganz verschieden sein können) wissen und wenn es schon notwendig ist, eine solche Arbeit zu kritisieren, dann halte ich es für unerläßlich, hier nicht die eigene Nase, die eigene Wahrnehmung in ihrer Gewichtung über eine andere Sichtweise zu stellen.
Aber jetzt brauche ich erstmal eine kleine Pause und einen Tee. Einen Hustentee. Blogschreiben ist ja immer auch ein Prozess.
Weiter! Lychees. Lychees waren ein Problem. Kein Supermarkt in der Umgebung hatte frische Lychees, keine Dosen, einfach nichts. In der Metro gab es ein recht teures Lychee-Puree und meine letzte Hoffnung auf frische Früchte zerschlug sich wenig später in einem Asia-Einkaufscenter, wo mir ein netter Verkäufer lachend erklärte, daß frische Lychees erst wieder im Juli zu haben sein werden. Also Büchse … siehe Bild.