Der Grundgedanke von Magic, Magic ist einfach. Der in Santiago geborenen Regisseur Sebastián Silva orientierte sich an einer Urban Legend über drei Mädchen, die in einem Hostel in Rio de Janeiro Urlaub machen. Eines der Mädchen benimmt sich auf einmal merkwürdig. Sie verstummt, macht verrückte Dinge bis hin zum Masturbieren vor versammelter Hostel-Belegschaft. Während ihre Freundinnen von einer übernatürlichen Besessenheit ausgehen, handelt es sich eigentlich um eine paranoide Schizophrenie, die ausgerechnet in einem fremden Land mit den falschen Leuten zum Vorschein kommt. Ähnlich ergeht es nun auch Alicia, gespielt von Juno Temple, umringt von Emily Browning und Catalina Sandino Moreno, sowie Michael Cera und Agustín Silva (Bruder des Regisseurs) als männliche Urlaubsbegleiter durch den Süden Chiles.
Hier nehmen sich die Freunde eine kleine Hütte, wo sie einige Zeit in Abgeschiedenheit verbringen wollen. Alicia wirkt von vornherein nicht sonderlich glücklich mit der Auswahl des Urlaubsortes, noch mit der Konstellation von Menschen, allesamt Freunde ihrer Kusine Sarah (Browning), die sich dann auch noch kurzzeitig in die Stadt verabschiedet, da sie dort noch einige Dinge zu erledigen hat – eine vorgeschobene Klausur gilt als Ablenkung für ihren eigentlichen Beweggrund. Juno Temple ist immer eine ausgezeichnete Wahl, wenn es um nicht ganz normale Charaktere geht. Sie spielt extravagant und nicht von dieser Welt, sieht dabei oftmals recht hübsch aus, kann sich aber auch mit fortschreitendem Verfall – oder hier: seelischer Krankheit – ins morbide Gegenteil wandeln.
In Magic, Magic wird erst einmal alles mit der scheinbaren Hypnose erklärt, die Augustine (Agustín Silva) praktiziert. Zwar masturbiert Alicia nicht vor ihren Reisebegleitern, wie es die urbane Legende erzählt, aber sie tanzt auf Befehl wie eine Nutte, zeigt die Bereitschaft einem der Jungs einen zu blasen, schlägt sich selbst ins Gesicht oder hält ihre Hand so lange schmerzfrei ins Feuer, wie sie sich im scheinbaren Schlaf befindet. Diese hypnotischen Anfälle, diese Wahnvorstellungen und Panikattacken steigern sich von klein nach groß. Irgendwann nimmt Magic, Magic die Maßstäbe eines gepflegten Horrorsteifens an, mitsamt Juno Temple im Augenring- und Blassschmink-Outfit.
Ein Geschwür für den Film stellt derweil Michael Cera dar, der zwischen seiner angestammten Rolle als er selbst und einem zwielichtig wirkenden Widerling agiert, der eigentlich nichts weiter als seine Homosexualität durch eine übermäßige Potenz gegenüber Frauen zu verschleiern versucht. Nur dass das überhaupt nicht funktioniert, wenn eben Michael Cera versucht diese Rolle zu spielen. Er wirkt immerzu wie eine Teufelsfigur, wie der grinsende Loki der nordischen Mythologie, der irgendwo insgeheim etwas ausheckt.
Der Film versucht dementsprechend lange Zeit zu verschleiern, dass das Problem bei Alicia begraben liegt. Als Zuschauer möchte man eher an eine Besessenheit denken. Hätte Regisseur Silva von Beginn an mit offenen Karten gespielt, hätte sich eine interessante und klare Prämisse gezeigt. Den Weg, den er hier jedoch gewählt hat, beschreitet er bis auf wenige Minuten auf bekannten Pfaden. Zu wenig traut er seine Darstellern zu, zu wenig nutzt er die Idee, dass hier nicht die Umwelt, sondern die innere Welt einer Person Schaden nimmt. Das wirkt etwas zu konventionell gedacht und bietet daher schnell vorhersehbare Auflösungen. Außer vielleicht das Ende, das irgendwie nicht so wirklich rund wirken möchte. Selten funktioniert das plötzliche Einsetzen des Abspanns so minder gut wie es in Magic, Magic der Fall ist.
Magic, Magic
Regie & Drehbuch: Sebastián Silva
Laufzeit: 97 Minuten, freigegeben ab 16 Jahren, Heimmedienstart: 26. Juni 2014
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