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In der Schule war es auch immer schon so. Wenn der Klassenbeste neben dem Klassenschlechtesten gesetzt wurde, dann hatte das zwei mögliche Folgen. Entweder brachte die Maßnahme dem Klassenschlechtesten wirklich die erwünschte Besserung oder aber der Klassen-Primus rutschte notenmäßig deutlich ab, weil es eben spannender war, dummes Zeug zu machen statt den Finger zu erheben, wenn man was wusste. Diesen Eindruck bekommt man nach dem ersten Teil des großen Polizeiruf-Crossovers „Wendemanöver“.Einer der wenigen Glanzpunkte: Sylvester Groth als Kommissar Drexler. ©MDR/NDR
Der Rostocker Polizeiruf um die Kommissare König (Anneke Kim Sarnau), Bukow (Charly Hübner), Pöschel (Andreas Guenther) und Thiesler (Josef Heynert) war bislang immer sowas wie der Platzhirsch unter den Polizeiruf-Teams. Die Fälle hatten stets irgendwas, waren garniert mit Spannung, rasanten Szenen, tollen Figuren, interessanten Storys und auch die privaten Geschichten der Ermittler wurden von Mal zu Mal weiter gestrickt. Wenngleich es zuletzt auch ein wenig zuviel des Privaten wurde, konnte man festhalten: Rostock ist zwar noch immer keine schöne Stadt, dafür aber einer der besten Krimi-Standorte dieses Landes.Nach den gestrigen 90 Minuten fällt diese Betrachtung leider deutlich nüchterner aus. Was nicht zuletzt daran liegt, dass der Magdeburger Polizeiruf um die Beamten Brasch (Claudia Michelsen), Drexler (Sylvester Groth) und Mautz (Steve Windolf) sich in seinen Fällen nie in die Herzen der Zuschauer spielen konnte. Bei Brasch und Drexler fehlte die Chemie komplett, ihre Figuren wirkten unnahbar und so war es schwer, überhaupt eine Bindung von der Couch aus aufzubauen.
Jetzt also haben es beide Teams miteinander zutun, weil in Magdeburg eine Firma abfackelt und mit ihr die Junior-Chefin und weil in Rostock ein Wirtschaftsprüfer mit vier Schüssen getötet wurde. Der Wirtschaftsprüfer hieß mit vollem Namen Andreas Jansen und mauschelte vor seinem Ableben mit der abgebrannten Firma Richter um den Senior-Chef (Jörg Gudzuhn)...
Bukow (Hübner, m.) und sein dubioser Vater (Klaus Manchen) werden von König (Sarnau) in die Mangel genommen. ©MDR/NDR
Lange tappen beide Kommissars-Gruppen im Dunkeln, ermitteln jeder für sich, kommen aber keinen Schritt weiter. Erst nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde kommen die Zusammenhänge heraus. Irgendwer hat mit irgendwem Dreck am Stecken, so richtig hinterher kommt man in dem großen Wirrwarr unzähliger Figuren allerdings nicht. Es tauchen massig Leute auf der Bildfläche auf, die alle mit den beiden Taten zutun haben. Einen Ticken zu viele. Natürlich zeigt sich aber jetzt schon: Der Ursprung der schmutzigen Sachen ist irgendwo in der Wende-Zeit zu finden. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich ist es immer so in Zweiteilern, egal welcher Couleur, dass dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Tageslicht geraten. Äußerst unspektakulär.
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Und so mühsam die Zusammenhänge sich zurechtkonstruiert werden, so unerträglich ist die Machart. Wenn zwei unterschiedliche Teams miteinander ermitteln, dann kann daraus eine perfekte Symbiose entstehen. Oder es geht total in die Hose. Erst tauschen sich beide Teams via Skype aus, dann kommt Rostock nach Magdeburg. Aber herauskommen nur lobende Worte für die Schönheit Magdeburgs von Pöschel und ein paar Fahrten durch die Gegend und ein paar Zeugenbefragungen. Eine ziemlich zähflüssige und holprige Angelegenheit. Die privaten Geschichten der Rostocker werden zum Glück mal ausgesetzt, das Team aus Magdeburg dagegen wirkt immer noch nicht sympathisch und immer noch nicht wie ein Team. Während Brasch alleine auf weiter Flur durch die Gegend schlurft, besucht Drexler einen alten, in Verdacht geratenen Freund Ferdinand Frey (Cornelius Obonya). Und da ist „Wendemanöver“ wirklich aufschlussreich.Frey, ein ehemaliger Polizist und mal wegen einer Vergewaltigung im Knast gelandet, ist mit Drexler sehr eng befreundet. Drexler und er hatten wohl mal ein Verhältnis, die alte Liebe flammt nun wieder auf. Auf der Rostocker Seite ist Bukow suspendiert, legt sich mit der Psychologin an (Ich heiße Bukow, Bukow wie Fuck off!) und ermittelt auf eigener Faust. Sein Vater Veit (Klaus Manchen) hatte nämlich mit einem weiteren Hauptverdächtigen was zutun. Bukows heimliche Ermittlungs-Tour und die sich daraus ergebenden Fragezeichen geben mehr her als alles andere zusammen. Er besticht die Psychologin auch noch, ihn weiter im Dienst zu lassen, indem er ihr Geld in einen Blumenstrauß steckt. Überall würde das lächerlich wirken, nicht so bei Bukow.
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Diese beiden Parts sind die wenigen Glanzpunkte eines Crossover-Versuchs, der zumindest gestern gänzlich schief ging. Immerhin wurde es in den letzten Minuten nochmal fast spannend. Hat das ganze Experiment also doch noch ein gutes Ende? Nächste Woche gibt’s die Auflösung.BEWERTUNG: 3,5/10Titel: Polizeiruf 110: Wendemanöver (1)Erstausstrahlung: 27.09.2015Genre: KrimiRegisseur: Eoin MooreDarsteller: Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau, Josef Heynert, Andreas Guenther, Sylvester Groth, Claudia Michelsen u.v.m.