Ich bin selbst keine Ausnahme, das brauch ich gar nicht erst zuzugeben, das sage ich ohne rot zu werden. Mein Gott, manchmal will ich eben Tipps zu den hottesten Sale-Items internationaler Onlineshops, da will ich die Must-Haves für das kommende Frühjahr wissen, und auch, ob eine teure Anti-Aging-Creme besser ist als die billige.
Ich schrecke auch vor absolut unterirdischen Magazinen nicht zurück. Der Beweis: Grazia. Grazia ist ein haarsträubendes Konglomerat von Starklatsch, Mode und Betroffenheitsberichten a la „Mein Mann geht zu einer Hure.“ Das ist jetzt noch kein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings hat tatsächlich nur Grazia diesen unnachahmlich passiv-aggressiven Tonfall, wenn es um fett gewordene, drogensüchtige oder sonstwie in Ungnade gefallene Prominente geht.
Und nur Grazia schafft es, quoten-ernste „Reportagen“ sensationsheischend und gleichzeitig pupslangweilig zu präsentieren. Wahrscheinlich will man nicht, dass wirklich einer liest, wie Manuela, 33, von ihrer Mutter als Baby ausgesetzt wurde. Würde einem ja vielleicht den Spaß am Begutachten der neuen It-Bags versauen. Die Artikel sind also nur im Heft, damit frau sich besser fühlt, wenn sie mit Grazia in der Hand gen Kasse schweift.
Liebe Grazia, meinetwegen kannst Du diese überflüssigen Berichte aus dem Leben (das muss ein sehr böses und deprimierendes Leben sein) sofort weglassen. Ist mir egal, dass der Heike aus Bottrop ihr Mann auf schlimmen SM-Sex steht. Stattdessen hätte ich lieber noch mehr Vorher-Nachher-Bilder moppeliger Vi-Ei-Pies, damit mir meine Tarte zum Kaffee noch besser schmeckt. Möglichst mit Gewichtsangabe. Und ganz viele Bilder von Schuhen. Möglichst mit Bezugsadressen.
Machen wir uns doch nichts vor, Grazia: Du bist oberflächlich, und ich will Dich oberflächlich. Du musst nicht erst so tun, als ob Du mir wirklich was zu sagen hättest. Wenn ich das will, kaufe ich Missy.