Das Gericht hatte vier Polizisten mit jeweils bis zu viereinhalb Jahren Haftstrafe belegt. Im Februar begnadigte die spanische Regierung die vier Mossos d´Esquadra teilweise und reduzierte die Gefängnisstrafe auf zwei Jahre. Der Sinn dahinter: Wer nicht vorbestraft ist, muss bei Strafen bis zu zwei Jahren die Haft gewöhnlich nicht antreten. Doch das Gericht bestand in einer atypischen Entscheidung trotzdem darauf, dass die Polizisten, vom Richter als “gefährlich” eingestuft, die Haft anzutreten hatten. Nun wurden sie von Rajoys Regierung erneut begnadigt.
Es gibt Skandälchen, über die man den Kopfschütteln mag und das war´s. Hier jedoch liegt ein Fall vor, der damit nicht mehr abzuhandeln ist, denn der Verdacht der klaren Rechtsbeugung durch die Madrider Regierung liegt zu nahe. Das sieht offensichtlich auch das Gericht so. Denn bereits nach der ersten teilweisen Begnadigung und der Reduzierung der Haftstrafen von viereinhalb auf zwei Jahre, formulierten die Richter der Audiencia Nacional im vergangenen August vorsorglich, eine mögliche weitere Begnadigung müsse man als “einen Betrug am Gesetz oder Missbrauch des Rechts” ansehen und bedeute “nach eigenem Gutdünken” zugunsten der Polizisten die Figur der Begnadigung “beliebig” zu benutzen.
Doch der konservativen Madrider Regierung war diese unüblich klare Warnung der Richter offensichtlich völlig egal, wie sich jetzt herausstellt. Nachdem das Gericht hartnäckig darauf bestanden hatte, die Polizisten auch mit der auf zwei Jahre reduzierten Strafe “innerhalb der kommenden 45 Tage” die Haft antreten zu lassen, legte der Ministerrat heute eilig nach. Die Regierung wandelte die bereits reduzierte Haftstrafe nun dreist mittels einer zweiten Begnadigung in eine Geldstrafe um: Zehn Euro pro Tag für 24 Monate, “nach ausführlicher Begutachtung der gesamten Dokumentation der Gerichtsakten”.
Doch auch dazu hatte sich das Gericht bereits geäussert, als die Polizisten die zweite Begnadigung beantragten: “Der Antrag enthält dieselben Argumente, die bereits vor Gericht eingebracht worden sind und dem Urteil zugrunde liegen.” Es gebe “nichts, was dem Gleichheitsgrundsatz der Justiz als Basis unseres Rechtssystems mehr widerspricht als die parteiische und willkürliche Anwendung, wie es zweifellos auf diesen Fall zutrifft”, wetterte das hohe Gericht.
Der Fall, um den es geht, hatte sich am 27. Juli 2006 zugetragen und spielte sich nach dem Gerichtsurteil so ab: Die vier Polizisten der Mossos d´Esquadra (Barcelona) namens Joan Salva, Manuel Farré, Fernando Cea und Jordi Perissé verwechselten den damals 28-jährigen Rumänen L.P. mit einem gewalttätigen Räuber. Sie erwarteten den Mann an seiner eigenen Haustür und verprügelten ihn, ohne sich überhaupt als Polizisten zu identifizieren, beleidigten ihn vielfach und bedrohten ihn sogar, indem sie ihm eine Pistole in den Mund steckten. Die schwangere Frau des unschuldigen Mannes hatte diese Szene als Augenzeugin ertragen müssen samt “erniedrigender Behandlung” durch die Beamten, wie die Audiencia Nacional im Urteil feststellt.
Anm. d. Red.: Normalerweise sind wir strikt dagegen, die vollen Namen von Delinquenten zu nennen und beschränken uns auf Initialen. Hier wurde eine Ausnahme gemacht.
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