Sprachliche Gender- und Gleichstellungsfragen
Wie verkrampft unser Umgang mit der Sprache vor lauter Gender- und Gleichstellungsfragen geworden ist, ist mir erst grad wieder bewusst geworden. Da wollte ich kürzlich unseren Grossen beim Lernen unterstützen und ihn französische Vokabeln abfragen und kam beim Wort «Mademoiselle» ins Stocken. Doch nicht etwa, weil ich das Wort nicht mehr wusste oder aber – oje, oje – mit der Übersetzung ein Problem gehabt hätte, sondern weil im Buch auf die Übersetzung gar gänzlich verzichtet wurde. Anstelle des deutschen Worts «Fräulein» stand in der dafür vorgesehenen Spalte umständlich und viel Platz einnehmend die politisch korrekte Umschreibung «Anrede für eine junge Frau».
Versteht mich bitte richtig: Natürlich ist das perfekt korrekt gelöst von den Lehrmittelmachern. Und ja, das deutsche Wort Fräulein mag von mir aus veraltet und auch leicht abwertend und was weiss ich noch alles sein. Aber ist es wirklich derart schlimm, dass es nicht einmal mehr als durchaus korrekte Übersetzung in einem Sprachbuch abgedruckt werden kann? Über den Sinn oder Unsinn des Wortes kann man ja noch lange genug in andern Fächern diskutieren …
Etwas Nonchalance täte uns gut
Beim Franzwörtlilernen sollten wir uns vielleicht besser auch grad eine Scheibe der französischen Nonchalance abschneiden. Dadurch könnten wir etwas unverkrampfter durchs Leben gehen, statt immer und überall das Haar in der Suppe zu suchen. Denn sowohl die Franzosen als im Übrigen auch die Italiener – im italienischen Sprachgebrauch verhält es sich mit «Signorina» nämlich genauso – setzen diese für uns in der Schweiz unterdessen geächtete Anrede gerne und ganz bewusst als Kompliment ein, ohne sich dabei überhaupt einen Hauch Abwertendes zu denken. Aber damit landen wir schon beim nächsten heiklen Thema: Dürfen Männer Frauen überhaupt noch Komplimente machen?
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich
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