Maddie zehn Jahre verschwunden: Praia da Luz will zur Ruhe kommen

Von Alexander Kroll

Unmittelbar vor dem 10. Jahrestag des Verschwindens von Madeleine McCann an der Algarve versuchen vor allem englischsprachige Medien, den Fall noch einmal zu nutzen, um Auflagen und Nutzer-Quoten zu steigern. Sensationslüstern werden angeblich wegweisende neue Erkenntnisse versprochen, aber die Berichterstattung in Australien und Großbritannien bleibt letzlich vage und zum Teil widersprüchlich. Manche Medien aus anderen Ländern greifen diese Artikel und Sendungen auf; die Spirale der Spekulationen dreht sich weiter. Aber wie fühlen sich dabei die Menschen am Tatort des Geschehens vom 3. Mai 2007? Wie geht die Bevölkerung in Praia da Luz mit den Ereignissen von damals bis heute um? Wir haben uns umgehört und berichten ausführlich.

Der private australische Fernsehkanal „Channel 7“ lässt in seiner Sendung „Sunday Night“ am 23. April 2017 die Eltern Kate und Gerry McCann sehr ausführlich zu Wort kommen – offenbar bei einem Aufenthalt in Lissabon gefilmt. Das Arzt-Ehepaar schildert Reporterin Rahni Sadler, wie verzweifelt es war, wie es bereut, seine drei Kinder damals alleine im Ferien-Appartement gelassen zu haben und weiterhin hofft, die verschwundene „Maddie“ zu finden. Auf Nachfrage weisen beide strikt den Verdacht zurück, sie selbst könnten die Kleine getötet haben. Weitere Befragte – zum Beispiel jeweils ein englischsprachiger Forensiker, Kriminalist, PR-Experte und Journalist – äußern sich neutral oder unterstützen die Theorie einer Entführung, etwa in Zusammenhang mit einem versuchten Einbruch, oder eines Unfalls.

Nur kurz darf der frühere Chef-Ermittler Gonçalvo Amaral auf Portugiesisch seinen Verdacht wiederholen, die Eltern seien die Hauptverdächtigen. Eine Sprecherin sagt beim Dolmetschen, Amaral sehe Hinweise darauf, dass die McCanns ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt hätten und der Körper des Kindes versteckt worden sei. Maddie sei sediert worden und sie könne sich in diesem Zustand bei einem Sturz tödliche Verletzungen zugezogen haben. Hinweise auf eine Entführung gebe es laut Amaral nicht – eine Haltung, die in dem TV-Beitrag auch die Fall-Analytikerin Pat Brown äußern darf. Erwähnt wird zudem die Vermutung, dass britische Geheimdienstler beim Verbergen des Körpers geholfen haben könnten.

Mehrere suggestive Fragen („Glauben Sie wirklich…?“) lassen die Skepsis der Reporterin gegenüber vielem erkennen, was sich nicht mit den Aussagen der McCanns deckt: Sie glaubt eher den Eltern, die abweichende Annahmen ausdrücklich als „lächerlich“ oder „Unsinn“ bezeichnen. Erst wenige Tage zuvor hatte es in britischen Blättern geheißen, ein ehemaliges Kindermädchen aus der Ferienanlage in Praia da Luz habe „ihr Schweigen gebrochen“, damalige Sicherheitsmängel kritisiert und der portugiesischen Polizei Versäumnisse bei der kriminaltechnischen Untersuchung vorgeworfen. Und ein früher mit dem Fall beauftragter britischer Privat-Detektiv und Ex-Polizist habe angeblich „neue Erkenntnisse“ gefunden. Nach dieser Theorie könne es sein, dass Maddie derzeit versteckt an der Südküste Portugals lebe, ohne ihre wahre Identität zu kennen.

Portugiesische Polizei untersucht weiter – von Porto aus

Im Gegensatz dazu erklären in der australischen TV-Sendung einige Befragte, es gebe rund um Praia da Luz hunderte von Felsspalten und Schächte aufgegebener Brunnen, in denen ein Körper versteckt werden könne, ohne dass es jemand bemerke. Nach tatsächlicher Hoffnung auf ein Überleben von Madeleine Beth McCann, wie das Kind mit vollem Namen heißt, klingt das nicht…

Die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa zitierte nach der Ausstrahlung den stellvertretenden Kriminalpolizeichef Pedro do Carmo mit der Bestätigung, der einzigartige Fall in der Geschichte des Landes sei „noch offen“. Er werde jetzt von einem Team der Polícia Judiciária aus der Stadt Porto bearbeitet. Die Untersuchungen würden beendet, wenn entweder Antworten gefunden seien oder man an den Punkt komme, wo nichts mehr weiter getan werden könne.

Garten, Gras, Rasen, Zaun, Palme, Hütte, Swimming Pool, blaue Liegen, weiße Häuser

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Blick in den Garten und Pool-Bereich des Luz Ocean Club, in dem die Familie McCann 2007 Urlaub machte. Foto: Hans-Joachim Allgaier

Unterdessen geht in der 3.500 Einwohner kleinen Küsten-Kommune Praia da Luz das Leben seinen gewohnten Gang. Hinweise auf bevorstehende Gedenkveranstaltungen in der letzten April- oder ersten Mai-Woche sind weder hier noch andernorts zu erkennen. Transparente oder Plakate mit Maddies Konterfei fehlen, Fotos des Blondschopfes mit den markanten Kulleraugen sind im öffentlichen Raum nicht zu sehen. Die römisch-katholische Diözese teilt auf Anfrage distanziert und sachlich-nüchtern mit: „Wir kennen dieses Thema nur über die Medien und sind an der Sache nicht beteiligt. Diese Angelegenheit betrifft nur die Zivil- und Justizbehörden, die in allen Untersuchungsverfahren zuständig sind. Angesichts dessen nehmen wir dazu nicht Stellung.“ Ihr Pater José Manuel Pacheco, heute nach wie vor als Seelsorger im Ort tätig, hatte der Katholikin Kate McCann und ihrem Ehemann Gerry damals beigestanden.

Kirchen planen offenbar kein Gedenken in der Stadt

Schweigen über die Geschehnisse, die wir hier in einer Chronologie zusammengefasst haben, herrscht auch bei der anglikanischen Gemeinde St. Vincent. Eine E-Mail-Anfrage zu einem möglichen Gedenkgottesdienst bleibt unbeantwortet. Auf ihrer Internetseite verliert die St. Vincent-Gemeinde über die bewegenden Tage nach dem 3. Mai ebenfalls kein Wort. Ihr Pfarrer Haynes Hubbard hatte die McCanns damals seelsorgerisch betreut. Wichtiger ist der Gemeinde nun, kurz vor dem Jahrestag, eine „Kaffee und Kuchen“-Veranstaltung zu Fundraising-Zwecken. Und dass sich Karfreitag und Ostern zusammengerechnet rund 340 Gläubige der Church of England im gemeinsam mit den Katholiken genutzten Gotteshaus „Nossa Senhora da Luz“ versammelt hatten – so viele wie nie zuvor.

Vor zehn Jahren war Kate und Gerry McCann die Möglichkeit eingeräumt worden, in den dunklen Tagen nach dem Verschwinden von Maddie jederzeit in der schneeweißen Kirche mit der ockerfarbenen Außenmarkierung beten zu dürfen.

Porträt, Mann, Brille, graues Haar, Wolfgang Bald, Letzte Bratwurst vor Amerika,

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Wolfgang Bald

„Die Eltern sind jeden Tag in die Kapelle gegangen“, erinnert sich Wolfgang Bald. Der Nürnberger betreibt schon seit 1996 den Verkaufsstand „Letzte Bratwurst vor Amerika“ am nahegelegenen Cabo de São Vicente. Er bekam 2007 hautnah viel von den Ereignissen mit.

„Da folgten den McCanns – natürlich in gebührendem Abstand – immer einige Leute. Die Eltern hatten einen eigenen Schlüssel für die Kirche erhalten und konnten wenigstens innen in Ruhe sein und beten“.

Sehnsucht nach Ruhe statt nach erneutem Medienrummel

Irgendwann, nach einigen Wochen, sei die Stimmung in der Region dann umgeschlagen. „Es war einfach zu viel. Man hat gesagt: Es muss auch einmal wieder Ruhe einkehren“, so der Deutsche, der ein Portugalforum im Internet leitet. Nach seinem Empfinden waren Residenten und Urlauber damals zunächst wie im Schock: „Ganze Straßenzüge waren voll mit Übertragungswagen. Fernsehteams aus aller Welt berichteten, sowie Zeitungs- und Radio-Journalisten. Es hat sich in Praia da Luz praktisch keiner mehr so richtig aus dem Haus getraut, weil sofort drei, vier Reporter bei ihm waren. Das war ein richtiger Ausnahmezustand.“

Doppelseite Bouldevard-Zeitung, norwegisch, Bilder und Text, Madeleine

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Viele Boulevard-Blätter berichteten umfangreich. Foto: Alexander Rathenau

Die Journalisten hätten sich damals gewissermaßen „an jeden Strohhalm geklammert“ und ständig versucht, jeweils neue und andere Informationen zu ergattern, berichtet Bald. Der Ort schien ihm „hoffnungslos überschwemmt“ mit Reportern.

„Der ganze Medienrummel, der vom ersten Tag an schon losging, dürfte die polizeiliche Ermittlungsarbeit ungemein erschwert haben“, sagt der Geschäftsmann. Er vermutet dennoch, dass den portugiesischen Ermittlern höchstens kleinere Fehler unterlaufen seien. Gravierende Pannen hingegen habe es bei der gut geschulten portugiesischen Polizei aus seiner Sicht nicht gegeben.

Boulevard-Blatt macht deutschen Juristen zu Polizeipräsidenten Portugals

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Alexander Rathenau

Auch Dr. Alexander Rathenau, zum Zeitpunkt von Madeleines Verschwinden als Rechtsanwalt in einer Kanzlei tätig, die nur wenige Meter von der Ferienanlage entfernt liegt, kritisiert, wie sich ein Teil der englischen Medien verhalten habe: „Obwohl es nichts weiter zu berichten gab, haben Pressevertreter wochenlang das kleine Dorf Praia da Luz belagert“. Da die Journalisten wenig Faktisches erfahren hätten, sei die Berichterstattung sehr oberflächlich gewesen und man sei auf die Suche nach Gesprächspartnern gegangen.

Rathenau, der heute deutscher Honorarkonsul an der Algarve ist, wurde 2007 mehrfach interviewt. „In einer skandinavischen Zeitung, die dem deutschen Blatt ‚Bild‘ ähnelt, wurde ich – mit meinem deutschen Namen – als der Polizeipräsident Portugals dargestellt… Dies macht die Qualität der Arbeit solcher Boulevard-Medien deutlich“, urteilt der Jurist.

Praia da Luz, Zufahrtsstraße, Verkehrsschild, Atencao, Achtung spielende Kinder, Autos, Haus, Bürgersteig, Mauer, Meer

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Achtzugeben auf Kinder, wird schon am Ortseingang von Praia da Luz geraten. Foto: Hans-Joachim Allgaier

Hat die britische Regierung versucht, wie einige Beobachter hinter vorgehaltener Hand äußern, einen Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, da sie durch den Medienrummel um die angesehene Akademiker-Familie aus Rothley in der Grafschaft Leicestershire unter Druck zu geraten glaubte? Und hat sie deshalb mit der Freigabe von Geldmitteln – bisher sollen alle Suchmaßnahmen rund 14 Millionen Euro gekostet haben – die Aufklärung unterstützt?

Rathenau hält sich diplomatisch zurück, betont, er könne ohnehin nur seine persönliche Meinung mitteilen.

Kein Verständnis für Rechtsstreit über Ermittler-Buch

Klar und eindeutig ist diese bei der Beurteilung des mehr als achtjährigen Rechtsstreits zwischen den Eltern McCann und Kriminalkommissar Gonçalvo Amaral, der nach seiner Suspendierung ein Buch veröffentlicht hatte, das dem britischen Arzt-Ehepaar missfiel, weil es die Entführungs-These in Zweifel zog: „Ich bin der Auffassung, dass der Kriminalkommissar mit seinem Bericht eine persönliche Meinung bzw. eine persönliche Überzeugung über das Tatgeschehen geschildert hat. Diese Schilderung wird durch die Meinungsfreiheit geschützt. Die Eltern des Kleinkindes hätten keine Klage gegen den portugiesischen Ermittler erheben sollen“, äußert der Anwalt und Advogado aus Lagos.

Ein deutscher Resident, der seit gut einem halben Jahr in Carvoeiro ansässig ist, unterstreicht, dass er verstehe, wenn Eltern mit dem Verlust eines Kindes nicht fertig würden, zumal wenn die Umstände ungeklärt seien. Aber dafür, dass die Sache durch einen Rechtsstreit über Jahre am Leben gehalten werde, habe er wenig Verständnis, fügt er hinzu. Nach seiner Beobachtung ist das Thema Maddie McCann in der hier starken deutschen Gemeinschaft „in der Versenkung verschwunden“. Für viele sei die Sache „abgetan“, auch wenn das vielleicht etwas herzlos klinge.

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Praia da Luz mit seinem schwarzen Felsen: Noch immer scheint kein Licht ins Dunkel des rätselhaften Falls. Foto: Hans-Joachim Allgaier

Wolfgang Bald aus Sagres stimmt zu und sagt: „Es dürfte jeder froh sein, wenn der Jahrestag des 3. Mai vorbei ist. Die meisten sind bereits übersättigt an Informationen. Im Prinzip kann’s keiner mehr hören – so schlimm, wie es für das Kind ist“. Wer das Thema trotzdem anspricht und mit Engländern, Portugiesen und Deutschen redet, der spürt, wie schwer es manchem fällt, an die Theorie der Entführung eines ausländischen Urlauberkindes zu glauben.

Wenn überhaupt, dann könne es sich wohl nur um einen international tätigen Ring von ausländischen Tätern gehandelt haben, meint ein Frisör in Luz – etwa ein Kreis von Pädophilen oder von Menschenhändlern, die Kleinkinder rauben, um sie an Adoptionswillige in aller Welt zu verkaufen. Dass es „jemand von hier“ gewesen sein könne, hält er für ausgeschlossen. In der hiesigen dörflichen Region kenne doch praktisch jeder jeden…

Nicht wenigen fällt Glaube an Entführung schwer

Zu der wahrnehmbaren Stimmung hat offenbar auch die Lektüre des umstrittenen Amaral-Buchs beigetragen, dessen übersetzter Titel lautet „Die Wahrheit der Lüge“. Der portugiesische Chef-Ermittler, der nach Kontroversen mit britischen Spezialisten vom Dienst suspendiert worden war, legte in dem Werk seine subjektive kriminalistische Sicht dar. Vereinfacht dargestellt lautet sie: Es sei wohl keine Entführung oder kein Mord gewesen, sondern eher ein tragischer Unglücksfall, der anschließend vermutlich zu vertuschen versucht worden sei. In eine ähnliche Richtung hatte sich später die Kriminalfall-Analytikerin Pat Brown geäußert.

Jeder hier hat zu den Vorkommnissen seine eigene Meinung, seine subjektive Haltung, mancher neigt der einen oder anderen Spekulation zu, hat hier etwas persönlich gehört oder dort etwas Fragmentarisches den Medien entnommen. Doch Genaues, Konkretes, Gesichertes ist selbst zehn Jahre nach dem Vorfall, der die Welt erschütterte, und nach mehr als 8.680 von den Ermittlern ausgewerteten Einzelhinweisen aus 101 Ländern kaum greifbar.

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Ferienparadies für viele britische Kinder: der Strand von Praia da Luz bei Lagos an der Algarve. Foto: Hans-Joachim Allgaier

Auch zu der Frage, ob der Vermisstenfall dem Touristenort Praia da Luz wirtschaftlich geschadet habe, gibt es keine von Fakten gestützten Einschätzungen. „Es war ein gravierender Umsatzrückgang in der Zielgruppe der britischen Familien mit Kindern zu bemerken. Der wurde aber später kompensiert von Touristen aus anderen Nationen“, hat Unternehmer Bald beobachtet. Die zuständige Stadtverwaltung von Lagos und das Tourismusbüro hingegen bleiben auf offizielle schriftliche Anfragen zu der Thematik jeweils eine Antwort schuldig.

Ein Immobilienmakler aus Almancil bei Loulé bestätigt, dass in Portugal „das Thema durch“ sei. Der gebürtige Deutsche macht die immer größere Schnelllebigkeit dafür verantwortlich, dass besonders in den zurückliegenden Jahren die Sensibilität und auch das Interesse für solche menschlich bewegenden Themen verloren gegangen seien.

Portugiesen lehnen Alleinlassen von Kindern ab

Hört man im persönlichen Gespräch mit Portugiesen, etwa beim Frisör oder im Lebensmittel-Laden, genauer hin, spürt man auch heute noch, wie unfassbar das Verschwinden des damals fast vierjährigen britischen Urlauberkindes Maddie für viele Einheimische geblieben ist. Hier spielen unterschiedliche Mentalität und Rechtslage eine wichtige Rolle. Meistens nehmen portugiesische Eltern abends ihre Kinder mit, wenn sie zum Essen ausgehen. Und wenn sie nach Rückkehr später noch einmal das Haus verlassen wollen, greifen sie meist auf jemand zurück, der dann auf die Kinder aufpasst, damit der gesetzlichen Aufsichtspflicht Genüge getan ist.

Gelbes Sonnensymbol, blauer Grund, weiße Schrift, „Luz Ocean Club“, Praia da Luz

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Foto: Hans-Joachim Allgaier

Mit einem derartigen Babysitting-Angebot wirbt der Luz Ocean Club auch heute noch. Den Eltern McCann war diese Option bekannt, sie machten davon aber am 3. Mai 2007 keinen Gebrauch und ließen die dreijährige Madeleine und die zwei Jahre alten Zwillinge Sean und Amelie allein im Appartement 5A, um mit einer Gruppe enger Freunde in einer nahe gelegenen Tapas-Bar zu Abend zu essen. Sie schauten nur hin und wieder nach den Kleinen – abwechselnd mit anderen aus der Gruppe. Warum sie nicht ganz „auf Nummer Sicher“ gingen, versteht hier unter den Einheimischen bis heute kaum jemand…

Ob Maddie wie durch ein Wunder noch auftaucht?

Wer sich in der Region des Geschehens umhört, stellt nicht besonders viel Hoffnung darauf fest, dass die seit zehn Jahren vermisste Maddie als heute fast vierzehnjähriger Teenager irgendwo wieder auftaucht. Die Mehrheit der Portugiesen sei der Meinung, dass die Vermisste nicht mehr lebe, schätzt ein Beobachter ein. Ein anderer meint, ein Auffinden sei zwar wünschenswert, aber er zweifle daran, ob etwaige Berichte darüber, was mit dem Mädchen in der Zwischenzeit geschehen sei, positiven Inhalt haben könnten.

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Eltern passen am Strand von Praia da Luz auf ihre Kinder auf. Foto: Hans-Joachim Allgaier

So bleibt ein Blick in die Statistik, um die Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftauchens zu bewerten. Allein in Deutschland galten nach Angaben des Magazins Focus Anfang dieses Jahres 11.000 Kinder bis zu 17 Jahren als vermisst. Die Bundeskriminalbeamten haben in dieser Zahl alle ungeklärten Fälle seit Beginn der fünfziger Jahre zusammengefasst. Nach Behördenaussagen werden in Deutschland täglich durchschnittlich 20 Kinder als vermisst gemeldet, aber zum Glück bleiben nur wenige auch nach längerer Zeit noch verschwunden.

Einen Hoffnungsschimmer kann zum Beispiel die Erinnerung an den Fall der Österreicherin Natascha Kampusch stiften, der 2006 die Gemüter weltweit bewegte: Sie war im Alter von zehn Jahren verschleppt und acht Jahre lang in einem Keller gefangen gehalten worden, bis ihr doch noch die Flucht gelang. Und auch das Wiederauftauchen von drei zehn Jahre lang vermissten Mädchen in Cleveland 2013 sowie die Fälle Elisabeth Fritzl, Jaycee Lee Dugard und Shawn Hornbeck können helfen, die Zuversicht nicht sinken zu lassen.

Wie ein Wunder mutet schließlich auch an, was vor wenigen Monaten, im Januar 2017, bekannt wurde: Die Amerikanerin Kamiya Mobley aus Florida, die wenige Stunden nach ihrer Geburt am 10. Juli 1998 gekidnappt worden war, konnte nach 18-jähriger Suche lebend aufgefunden werden – in South Carolina, mehrere hundert Kilometer von ihrem Geburtsort Jacksonville entfernt. Ein nach einem anonymen Hinweis durchgeführter DNA-Test bestätigte ihre wahre Identität – und dass sie nicht die leibliche Tochter der Entführerin ist, bei der sie aufgewachsen war…