Der Plan einen Ort zu finden um sich der Juden des eigenen Landes zu entledigen, war durchaus kein Plan der Nationalsozialisten. Bereits 1885 schlug der Preuße Paul Anton de Lagarde in einem Pamphlet vor, die osteuropäischen Juden auf die Insel
Der ‚Madagaskarplan’ - Berlin den, 15. August 1940,
Theo Dannecker, SS-Obersturmführer
Berlin W 62, Kurfürstenstraße 116
Herrn
Legationssekretär Rademacher, Berlin
Lieber Kamerad Rademacher!
Durch Boten übersende ich ein Exemplar der Ausarbeitung ‚Madagaskar-Projekt’ für Ihren persönlichen Gebrauch. Ich darf um besonders vertrauliche Behandlung bitten. Heil Hitler!
I. Lage und Grundsätzliches.
a) Mit der Errichtung des Generalgouvernements Polen und der Eingliederung der neuen deutschen Ostgaue kamen große Massen von Juden unter unmittelbare deutsche Hoheitsgewalt. Dazu kommen noch die in den unter deutscher militärischer Oberhoheit stehenden Gebieten ansässigen Juden. Die bisherige Praxis zeigte, daß schon die Lösung des jüdischen Problems im Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren im Wege der Auswanderung infolge der allenthalben auftretenden Schwierigkeiten (verschärfte Einwanderungsgesetzgebung überseeischer Länder, Passagen- und Devisenbeschaffung usw.) in absehbarer Zeit schwer zum Ende geführt werden kann. Nach dem Hinzukommen der Massen des Ostens ist eine Bereinigung des Judenproblems durch Auswanderung unmöglich geworden.
b) Insgesamt ist augenblicklich mit einer Zahl von rund 4 000 000 Juden zu rechnen, die sich wie folgt zusammensetzt:
1. Deutschland etwa 743 000
2. Generalgouvernement etwa 2 300 000
3. Protektorat etwa 77 000
4. Belgien etwa 80 000
5. Holland etwa 160 000
6. Luxemburg etwa 2 500
7. Dänemark etwa 7 000
8. Norwegen etwa 1 500
9. Slowakei etwa 95 000
10. Frankreich etwa 270 000
c) Die folgende Ausarbeitung stellt den Niederschlag der bisher seitens der Sicherheitspolizei geleisteten Vorarbeiten zu dem Projekt einer Ansetzung dieser rund 4000000 Juden in Madagaskar dar.
Zur Vermeidung dauernder Berührung anderer Völker mit Juden ist eine Überseelösung insularen Charakters jeder anderen vorzuziehen.
[...]
IV. Organisation. (Organisationsplan siehe Anlag II)
A) Gesamtleitung.
Die Gesamtleitung liegt beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD, welcher bereits mit Befehl des Reichsmarschalls vom 24.1.1939 als Sonderbeauftragter für die Judenauswanderung eingesetzt worden ist. Ihm obliegen die zentrale Steuerung der gesamten Aussiedelung und Ansetzung, die Regelung der Transportangelegenheiten, die gesamte Finanzierung, sowohl der Transporte als auch der Ansetzung, und die sicherheitspolizeiliche Aufsicht.
[...]
C) Transporte.
1. Schiffsraum.
Um einen rohen Überblick über den notwendigen Schiffsraum zu erhalten, wird unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Fassungsvermögens von 1500 Personen pro Schiff folgende Überschlagsrechnung niedergelegt: Nimmt man für Hin- und Rückfahrt einschließlich der notwendigen Aufenthalte etwa 6o Tage an, dann kommt man zum Ergebnis, dass beim Vorhandensein von 120 Schiffen ähnlichen Inhaltes täglich zwei Transporte mit demnach insgesamt 3000 Juden durchgeführt werden könnten.
Pro Jahr würde das eine Zahl von rund 1 Million Juden ergeben. Die Dauer der Durchführung des gesamten Projektes könnte deshalb auf etwa vier Jahre festgesetzt werden. Nach dem Friedensschluss wird zweifellos die deutsche Handelsflotte anderweitig sehr stark in Anspruch genommen sein. Es wird deshalb notwendig, im Friedensvertrag mit aufzunehmen, dass zum Zwecke der Lösung des Judenproblems sowohl Frankreich als auch England den erforderlichen Schiffsraum zur Verfügung stellen.
[...]
2. Finanzierung der Transporte.
Die Finanzierung der Transporte wäre im wesentlichen der in den Westmächten ansässigen Judenschaft anlässlich des Friedensvertrages als Wiedergutmachung für jenen Schaden aufzuerlegen, der im Verfolg der Auswirkung des Versailler Vertrages durch die Juden dem Deutschen Reiche in wirtschaftlicher und sonstiger Beziehung zugefügt wurde.
D) Ansetzung.
1. Ansetzungshauptstab.
Der Ansetzungshauptstab des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, dessen Sitz noch zu bestimmen wäre, ist als die direkt Berlin verantwortliche Stelle für die Gesamtleitung der Ansetzung zuständig. Ihm obliegt das gesamte Sicherungswesen, die Transportannahme und -Verteilung (Einwanderungskontingente), das Melde- und Auskunftswesen, Ernährungswesen, Finanzwesen und Währungsfragen, Nachrichtenwesen sowie Aufbau und Kontrolle des jüdischen Gemeinwesens.
2. Ansetzungsstäbe.
Die in den Distrikten arbeitenden Ansetzungsstäbe I—IV, deren Standorte gleichfalls noch zu bestimmen sind, tragen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Befehle des Hauptstabes und die unbedingte Einhaltung der von diesem erteilten generellen Richtlinien in ihren Distrikten.
Die jüdischen Distriktsgemeinden unterstehen direkt dem jeweiligen Ansetzungsstab, der seinerseits entsprechend den ihm gegebenen Richtlinien die notwendigen Einzelentscheidungen an Ort und Stelle fällt.
Hauptaufgabe der Ansetzungsstäbe in den Distrikten ist ferner die Kontrolle der zweckmäßigen Ansetzung jüdischer Arbeitskommandos mit dem Ziele, die Unterbringungsmöglichkeiten für die nachfolgenden Transporte zu sichern und zu erreichen, dass insoweit eine sofortige Einschaltung in den Produktionsprozess erfolgt, als dies zur Bestreitung des jüdischen Eigenbedarfs nötig ist.
3. Arbeitsweise.
Als Grundlage wird durch ein Vorkommando überschlagsmäßig nach Festlegung der Distriktsgrenzen die vermutliche Aufnahmefähigkeit festgestellt. Dann erfolgt die Festsetzung der Schlüsselzahlen für die einzelnen Distrikte.
Die Ansetzungsstäbe der Distrikte können nach Bekanntgabe der Schlüsselzahlen an eine großzügige Planung unter laufender Beteiligung des Ansetzungshauptstabes herantreten.
[...]
E) Jüdisches Gemeinwesen.
Wie bereits ausgeführt, wird ein einsatzfähiger jüdischer Organisationsapparat aufgebaut werden, dessen Haupttätigkeit darin besteht, den gegebenen Anordnungen der Ansetzungsstäbe schnellstens Geltung zu verschaffen. Diese Methode hat sich bei der Arbeit der Zentralstelle für jüdische Auswanderung bestens bewährt und wälzt einen Großteil der Arbeit auf die Juden selbst ab.
Die jüdischen Distriktsgemeinden haben die Bezirks- und Ortsgemeinden so durchzuorganisieren, dass während der Durchführung der Ansetzung eine reibungslose Abwicklung gewährleistet erscheint. Ferner haben jüdische Baufachleute und geschulte Landwirte, die mit den Vortrupps ins Land kommen, unverzüglich innerhalb der einzelnen jüdischen Gemeinden an den Ausbau und Aufbau landwirtschaftlicher Siedelungen sowie an die verkehrstechnische Erschließung des Landes heranzugehen.
Die Juden haben ferner für die geordnete Lebensmittelversorgung durch Errichtung eines Verteilungsapparates auf genossenschaftlicher Basis zu sorgen.
Um die sanitäre Betreuung einigermaßen zu sichern, haben die jüdischen Stellen auf die richtige Verteilung aller vorhandenen Ärzte innerhalb der Gebiete zu achten.
[...]
G) Vorausmaßnahmen.
Im Falle der endgültigen Bestimmung Madagaskars zur Judenwohnstätte wird vorgeschlagen, ein Kommando der Sicherheitspolizei in entsprechender fachlicher Zusammensetzung an Ort und Stelle zu entsenden.
Aufgabe dieses Vorkommandos ist es, folgende Feststellung zu treffen:
1. Gesamtaufnahmefähigkeit.
2. Möglichkeiten der Erweiterung der Aufnahmefähigkeit durch Lagererrichtung u. ä.
3. Verwendbarkeit der unteren französischen Verwaltungsbehörden bezüglich der Verteilung und Einordnung ankommender Transporte.
4. Allgemeine Verpflegungslage.
5. Landwirtschaft und Wirtschaft allgemein, Arbeitseinsatz.
6. Landemöglichkeiten, Verkehrswege.
Nach Vorliegen des Berichtes des Vorkommandos werden unter Heranziehung der örtlichen französischen Verwaltungsbehörden Vorbereitungsaufgaben in Angriff genommen.
Es wird vorgeschlagen, dass bei den Friedensverhandlungen für den Bereich dieser Angelegenheit ein Beauftragter des RF-SS und Chefs der Deutschen Polizei mit eingeschaltet wird.
Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Madagaskarplans waren nicht erfüllt. Ein Frieden mit Großbritannien war nicht greifbar nahe, und die Ausführung des Plans war bei der Vorherrschaft der britischen Marine nicht möglich. Auch verwahrte sich das
Historisch wird der Madagaskar-Plan unterschiedlich bewertet. Die einen meinen, dass in diesen Arbeiten eine Bagatelle zu sehen, eine Randerscheinung innerhalb der Zielsetzung der Judenpolitik der Nationalsozialisten. Eine andere Richtung ebenso
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Bild 1: Insel Madagaskar – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: AA Dokument – Quelle: buhnkahle.com · Bild 3: Buchtitel Madagaskarplan – Quelle: amazon.de