George Miller war mit der Geschichte von “Mad” Max Rockatansky noch nicht fertig. Deshalb folgte nur zwei Jahre später mit Mad Max II – Der Vollstrecker die Fortsetzung, die diesmal actionreicher, aber nicht minder großartig ausfiel.
Diesmal ist es so weit. Die Gesellschaft aus Mad Max ist nun endgültig über die Klippe gestürzt. Verzweifelte Überlebende liefern sich einen erbitterten Kampf um die letzten Ressourcen – und mittendrin “Mad” Max (Mel Gibson). Auf der einen Seite eine kleine Gemeinschaft, angeführt von Pappagallo (Michael Preston), die das Glück hat auf einer Ölquelle zu sitzen. Auf der anderen Seite eine gewalttätige Straßenbande, angeführt von Humungus (Kjell Nilsson), deren größtes Vergnügen in Mord, Totschlag und Vergewaltigung besteht. Auch Max möchte einen Anteil an dem Öl, stellt sich dabei jedoch geschickter an, wodurch ihm die Gemeinschaft Zutritt in ihr bescheidenes Reich gewährt. Nach Abschluss des Deals will Max weiterziehen, doch er stellt schmerzhaft fest, dass es dafür zu spät ist.
Again you have made me unleash my dogs of war.
Wieviele Jahre in der Geschichte von Mad Max seit dem ersten Teil vergangen sind, bleibt unklar. Doch genau diesem Umstand verdankt die Filmfigur seinen mythischen Charakter. “Mad” Max ist zeitlos, er ist eine ominöse Naturgewalt, die sich auf den Straßen des Ödlands festgefahren hat und umherstreift. Ein Eindruck, der sowohl von dem rasanten Einstieg in die Handlung, als auch von der finalen Einstellung unterstrichen wird. Max ist kein normaler Mann mehr, sondern längst eine Legende. In der Fortsetzung perfektioniert Miller die Mythenbildung seines Hauptcharakters. Aber auch sonst ist im zweiten Teil, gemäß der “Sequel-Regel”, alles noch größer, noch schneller, noch übertriebener.
Offensichtlich wird diese Steigerung vor allem Anhand der Figuren, allen voran natürlich am psychotischen Wez (Vernon Wells) und imposanten Humungus, und dem Setting. Ganz zu schweigen natürlich von den Actionsequenzen. Angefangen mit der Eröffnungssequenz, bis hin zum fulminanten Finale – nach wie vor eine der beeindruckendsten, temporeichsten und spannendsten Verfolgungsjagden des Kinos. Mad Max II – Der Vollstrecker (Originaltitel: Mad Max II: The Road Warrior) ist eine inszenatorische Meisterleistung durch und durch. Der Auftakt der Reihe war da Rückblickend betrachtet zwar ein grandioser, dramatischer Film, wird aber in vielen Bereichen vom zweiten Teil in den Schatten gestellt. Setting, Ausstattung und vor allem Action erreichen in Mad Max II – Der Vollstrecker ihren Höhepunkt und kreieren ein atmosphärisch dichtes und überraschend glaubwürdiges Bildnis von einer in den Wahnsinn und zur Verzweiflung getriebenen Menschheit, die sich gegenseitig zerfleischt und überrollt, nur um zu überleben, damit man nicht selbst derjenige ist, der quasi auf der Strecke bleibt.
I’m just here for the gasoline.
Auch wenn die zeitliche Distanz zwischen erstem und zweitem Teil (absichtlich) vage bleibt, fügen sich die Filme nahtlos zusammen. Was in Mad Max seinen Anfang nimmt, wird in Mad Max II – Der Vollstrecker auf die Spitze getrieben. George Miller schuf damit in sehr jungen Jahren und mit seinem erst zweiten Kinospielfilm einen essenziellen Genre-Beitrag, der auch im Bereich des Pop-Kulturellen-Einflusses dem Vorgänger davonzieht und auch heute noch zitiert wird, sogar weitaus höhere Bekanntheit genießt als Teil eins. Wer sich denkt, dass Mad Max II – Der Vollstrecker jedoch nichts weiter ist als pure Unterhaltung und Eskapismus in Reinform, der sollte den Film etwas genauer betrachten.
Eine der großen Inspirationsquellen ist zweifellos der Western. Miller inszenierte die Handlung wie einen klassischen Westernfilm, verlegt den Schauplatz aber in eine zerstörte Welt, die besonders durch seine kleinen Details (das ständige Überprüfen der Öltanks, Hundefutter als Gourmetspeiße, wiederverwertete Gegenstände und sogar Ortschaften, etc.) an zusätzlicher Atmosphäre gewinnt. Angefangen vom schweigsamen, umherziehenden Protagonisten, über eine kleine Gemeinde, die von einer Bande “Gesetzloser” belagert wird, bis hin zur bräunlich-trostlosen Farbgestaltung des Ödlandes, gemahnt alles an einen Western.
And the Road Warrior? That was the last we ever saw of him.
He lives now… only in my memories.
Das wahrhaft faszinierende an Mad Max II – Der Vollstrecker ist die Gabe George Millers seine Figuren nicht nur mit wenigen Worten und grandios besetzten Schauspielern zu etablieren, sondern ihnen dank visueller und narrativer Mittel eigene (Vor)Geschichten zu verleihen, wodurch keine Figur wie eine simple Schablone wirkt, sondern einen ganz präzisen Platz im Gefüge seiner filmischen Welt besitzt. Max selbst ist zwar dieser schweigsame, hartgesottene Einzelgänger, der mit seinem Interceptor durch die Wüste rast, in der Hoffnung damit seiner Vergangenheit zu entkommen, offenbart sich in manch subtileren Momenten und Gesten jedoch als selbstzerstörerische und sensible Figur.
Sei es nun in dem Moment, wo er eine kleine Musikbox findet und für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen ist ehe es sich wieder zu einer stoischen Mine verhärtet (von Mel Gibson großartig gespielt) oder der Augenblick, wo er der Gemeinschaft verkündet der erlösende Retter aus ihrer Misere zu sein (“You want to get out of here? You talk to me.”) und sich damit als jovialer, leicht spitzbübiger Held zeigt, dem sein Image und Überlegenheit nicht nur bewusst ist, sondern insgeheim sogar Gefallen daran findet. Er ist zwar die meiste Zeit dieser einsame Wolf, doch es zeigt sich, dass er (unbewusst) vielleicht gerne ein wahnsinniger Straßenkämpfer ist, zu dem er verkommen ist, und die Rolle des liebevollen Familienvater nie so richtig sein Platz im Leben war. Hier erfüllt sich seine eigene, im ersten Teil begangene Prophezeiung, dass er gefallen an dem Wahnsinn auf der Straße empfindet.
Auch die Nebenfiguren sind mit kleinen visuellen Momenten und Ausstattungen mit eigenen Geschichten aufgewertet. Sei es nun Wez, der über den Tod seines (vermutlichen) Geliebten am Boden zerstört ist, oder Humungus’ Waffenschattule mit Bildern angereichert, die (wahrscheinlich) aus seiner eigenen Vergangenheit sind. All diese kleinen Details verleihen nicht nur der Welt, sondern auch den Figuren zusätzliches Leben und Glaubwürdigkeit. Mad Max II – Der Vollstrecker ist nicht nur perfektes Unterhaltungskino, sondern für all jene, die etwas genauer hinschauen und sich Gedanken machen (wollen) ein vielschichtiges Porträt an zerstörten wie auch Optimistisch stimmenden Figuren, einer durch Menschen vernichteten Welt, die sich selbst nach dem Untergang das Leben zur Hölle machen, aber es gleichzeitig auch Funken der Hoffnung gibt, über eine bessere, mögliche Zukunft für manche von ihnen und das Potenzial zeigen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Und natürlich der über alles thronende, spätestens am Ende von Mad Max II – Der Vollstrecker zum überlebensgroßen Mythos gewordene “Mad” Max.
George Miller ist mit Mad Max II – Der Vollstrecker ein bahnbrechendes Genre-Meisterwerk gelungen, ein zeitloser Klassiker und eine der besten Fortsetzungen überhaupt, die gleichzeitig auch als eigenständiges Werk funktioniert, weil sie nicht einfach den ersten Teil nochmal erzählt, sondern etwas Neues erschafft.
Regie: George Miller, Drehbuch: Terry Hayes, George Miller, Brian Hannant
Darsteller: Mel Gibson, Bruce Spence, Michael Preston, Vernon Wells, Kjell Nilsson, Max Phipps
Filmlänge: 95 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 07.05.2015 (Steelbook Limited Edition)