Macht Musik, nicht Krieg!

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule

Zehn Jahre nach dem legendären Friedenskonzert in Ramallah dominiert der Nahost-Konflikt die Erinnerungen und Einsichten von Daniel Barenboim

Überzeugt von der Macht der Musik: Daniel Barenboim (Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper Berlin)

Daniel Barenboim ist ein geborener Superstar der klassischen Musik. Seine Karriere beginnt am Klavier (als gefeiertes Wunderkind) und steigert sich dann in einem biografischen Crescendo bis in die Gegenwart. Heute ist Barenboim der wohl berühmteste lebende Dirigent und Pianist. Aber auch außerhalb der großen Konzertsäle sorgt Barenboim für so manchen Paukenschlag - vor allem, wenn es um den Nahost-Konflikt geht. Denn Barenboim lässt seit Jahren nichts unversucht, über die Musik junge Israelis und Palästinenser miteinander ins Gespräch zu bringen, frei nach dem Motto: Macht Musik, nicht Krieg! Vor zehn Jahren hat er mit einem gemischt arabisch-jüdischen Jugendorchester ein Konzert im palästinensischen Ramallah gegeben – auch in seinen jüngst erschienen Erinnerungen und Einsichten dominiert die Sorge um die Zukunft im Nahen Osten.

Daniel Barenboim

Musik ist alles und alles ist Musik

Einsichten und Erinnerungen

Erschienen im Berlin Verlag 2014. 140 Seiten kosten in der gebundenen Ausgabe  16,99 €.


Die Sache scheint aussichtslos: Seit der israelischen Staatsgründung 1948 (und streng genommen noch viel länger) tobt im Nahen Osten ein erbitterter Kampf ums Heilige Land: Angriffe werden mit Vergeltungsschlägen beantwortet, Raketenbeschuss und Bombenattentate gehören zum Alltag, Hass aufeinander ist über Generationen gewachsen. Daniel Barenboim ist einer, der sich damit nicht abfinden will. Seit 1999 leitet er das West Eastern-Divan Orchestra, ein gemischt arabisch-jüdisches Jugendorchester.  Dort sollen die verfeindeten Jugendlichen zusammen musizieren und miteinander ins Gespräch kommen. 

Probe des West Eastern-Divan Orchestra in Sevilla

Immer wieder kochen in den Workshops und auf Konzertreisen die Emotionen hoch - vor allem dann, wenn der schwelende Nahostkonflikt eskaliert und in Krieg und Terror ausartet. Und in Israel kommt der Palästinenser-Versteher Barenboim auch nicht nur gut an .Aufgegeben hat Barenboim dennoch nie. Niemand hatte für möglich gehalten, dass Barenboim mit dem West Eastern Divan tatsächlich in Ramallah auftritt (Israelis dürfen eigentlich gar nicht in die Palästinensergebiete reisen, Barenboim weiß auch um die Weisheit der Erkenntnis: "Tu Gutes - und sprich darüber": In mittlerweile mehreren autobiografischen Büchern, Vorträgen und Videodokumentationen hat er über seine musikalische und soziale Arbeit ausführlich berichtet und unermüdlich zu mehr Miteinander aufgerufen. Seine jüngst im Berlin Verlag erschienenen Einsichten und Erinnerung sind zwar zusammengestellte Einzeltexte, aber keineswegs bloße Zweitverwertung von bereits Bekanntem. Im Gegensatz zu frühreren Veröffentlichungen tritt die Lebensgeschichte Barenboims hinter seine Gedankenwelt zurück, die in von einander unabhängigen Reden und Dialogen entfaltet werden. Dazu zählt Philosophisches zur Interpretation von Musik an sich ebenso wie die Analyse einzelner Werke. Was Barenboim traditionell am meisten beschäftigt, ist der Umgang mit dem ätzend antisemitischen Komponisten Richard Wagner (Barenboim verehrt den Musiker und verachtet den Menschen) - und eben der Nahostkonflikt..

Fazit: Dieses Büchlein ist eine Textsammlung, die auch "Barenboim kompakt" oder "Barenboim für Eilige" heißen könnte: In unterschiedlichen Formaten gewährt der Maestro Einblick in seine musikalischen, philosophischen und politischen Glaubensgrundsätze. Die einzelnen Beiträge lesen sich wie Ergebnisprotokolle jahrzehntelangen Nachdenkens: kurz, prägnant, tiefschürfend.

  

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