Mach mit, machs nach, machs besser

Langen Atem braucht, wer der vielköpfigen Krake des Rechtsextremismus im Internet Herr werden will. Als gelernte Fernsehmechanikerin hat die heute als Verbraucherschutzministerin amtierende Ilse Aigner diesen Atem, wie schon der Internetriese Google erfahren musste. Den piesackte die CSU-Politikerin so lange mit mal wirschen, mal harschen Interviews, bis er versprach, Google Street View noch in diesem Jahr freizuschalten.
Nun wird auch der organisierte und unorganisierte Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu spüren bekommen, wie ernst es Ilse Aigner mit einem klinisch reinen Netz ist. Betreiber von Sozialen Netzwerken hat die Ministerin auf Veranlassung der Amadeu-Antonio-Stiftung und der sich ganz im fortschrittlichen Sinne als kollektiver Organisator verstehenden Wochenzeitung «Die Zeit» ermutigt, ihr «Hausrecht» zu nutzen und Nazis einfach mal auszusperren.
«Mit dem Hausrecht haben sie geeignete Mittel in der Hand», sagte die Ministerin der Kampagne «Netz gegen Nazis», die nach einem bereits etwa älteren Anti-Nazi-Portal benannt wurde, um dort seit Wochen in längst eingeschlafenen Diskussionen unbeantwortet herumliegende Fragen wie "kann jemand der Meine Ehre heißt Treue über den Rücken tätowiert hat, bei der Bundeswehr genommen werden?" von den breiten Volksmassen beantworten zu lassen.
"Über 20 große und kleine Netzwerk", meldet die staatliche Agentur dpa, ohne genauer zu werden, "machen mit", darunter auch PPQ, das einen aufrüttelnden Kurzfilm mit seinem Namenspaten Pittiplatsch zur Kampagne beisteuerte (oben). Nur Facebook verweigere den Gehorsam. Dabei sei klar, dass Rechtsradikale, die noch vor zwei Jahren das gesamte Internet hatten übernehmen sollen, inzwischen "verstärkt soziale Netzwerke nutzen" (Aigner). Die hinterliste Masche von Figuren wie dem burgenländischen Fußballtrainer Lutz Battke: «Sie suchen Gefolgschaft, werben für ihre Gesinnung und verbreiten Propaganda.»
Anetta Kahane, Vorsitzende der im Kampf gegen rechts äußerst erfahrenen Amadeu-Antonio-Stiftung, verwies auf zahlreiche Beispiele von rechtsextremen Aktivitäten im Netz. So betreibe die NPD unter dem Titel «Die soziale Heimatpartei» eine Seite bei Facebook. Andere seien auch bei Netzwerken wie StudiVZ oder kwick.de unterwegs oder veröffentlichen rechtsradikale Videos auf Plattformen wie YouTube.
Dabei, schwört auch Joel Berger von MySpace Deutschland auf einen alten Satz des sachsen-anhaltinischen Musikkritikers Holger Hövelmann, werde "Musik werde häufig von Rechtsextremen als Einstiegsdroge» eingesetzt". Einmal reingehört, verfallen viele junge Leute dem atonalen, "abgefeimten" (Geiernotizen) Krach von Bands wie Landser und Stukabrigade in wenigen Augenblicken.
Schwierig sei es leider, Grenzen zu ziehen. Inhalte, die klar gegen Gesetze verstoßen, würden bereits jetzt schnell gelöscht, künftig sollen nun aber fliegende Verfassungsgerichte bei den sozialen Netzwerken in täglichen Sitzungen festlegen, was sonst noch weg kann, weil es geschmacklich zweifelhaft ist, sich nicht am SPD-Programm orientiert oder gegen "Erfurter Erklärung" der CDU verstößt.
Google sicherte zu, ebenso verfahren zu wollen. Jeder könne wie in der DDR über Jahre hinweg schöne Tradition, alles melden, was er aus islamistischer, christlich-fundamentaler, linker oder extrem rechter Sicht heraus bedenklich finde. Internet-Unternehmen seien auf die aktive Mitarbeit der Anwender wie früher die Staatssicherheit auf die Mithilfe vieler zehntausender IM. Zusammen könne es aber so gelingen, glaubt Ilse Aigner, auf dem Boden des Hausrechtes ein neues Deutschland zu errichten, das Neonazis nur noch im wirklichen Leben, nicht mehr aber in den virtuellen weiten kennt.
"Hausrecht" anstelle der oft nicht ausreichend durchsetzbaren Gesetze gelte mit Ankündigung der Initiative jetzt auch für alle Firmen mit Serverfarmen im Ausland gilt. Nach einer Übergangsfrist von vier Monaten werde es für die Sozialen Netzwerke stellvertretend vom Verbraucherschutzministerium ausgeübt, das bereits bestätigt hat, diese Aufgabe nach einer europaweiten Ausschreibung ans Blogampelamt im mecklenburgischen Warin vergeben zu wollen.


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