Unser Alltag besteht aus sehr vielen Gewohnheiten. Jeden Tag die gleichen Handgriffe, die gleichen Wege, die gleichen Gespräche, die gleichen Aktivitäten, die gleiche Umgebung. Obwohl wir Menschen spüren, dass uns etwas fehlt, durchbrechen wir Routinen nicht.
Dagegen ist grundsätzlich nichts ein zuwenden, denn einerseits erleichtern uns Routinen und Automatismen unser Leben ungemein, aber auf der anderen Seite können uns Gewohnheiten auch stark einschränken. In der Beziehung, im Beruf, im Denken und Handeln: überall können wir in Gewohnheitsfallen tappen. Sitzen wir in einer solchen Falle dann fest, überzieht sich unser Leben mit einem Grauschleier. Manchmal bemerken wir das gar nicht. Ähnlich einem schleichenden Ausbleichen eines einstmals bunten Kleidungsstückes.
Statt uns mit Neujahrsvorsätzen unter Druck zu setzen, könnten wir doch einfach mal unseren Alltag nach Routinen, Automatismen und Gewohnheiten durchforsten. Haben wir solche entdeckt, geht’s ans Ausmustern.
Solche die nach einem „Mach es anders!“ rufen, können wir vorerst einmal in eine Zwischenablage verfrachten, um auch noch unsere Ausreden aufzuspüren, warum wir diese unliebsamen Gewohnheiten bis jetzt nicht ablegen konnten. Das bedeutet noch lange nicht, dass wir das jetzt sofort tun müssen. Veränderungen brauchen nämlich auch bestimmte Voraussetzungen.
Die hilfreichen Routinen werden wir natürlich beibehalten, und „liebe Gewohnheiten“ eigenen sich hervorragend dafür, sie ganz bewusst in Genussrituale zu verwandeln. Die Mühlen des Alltags zermahlen leider viel zu oft lust-, genuss- und entspannungsbesetzte Elemente des Lebens, jene der Leistungserbringung bleiben hingegen meist von den Mahlsteinen verschont, darum nichts wie auf, um uns mehr bewusste Zeiten des Wohlfühlglücks zu verschaffen.
Es ist oft leichter etwas wieder aufleben zu lassen, als etwas völlig Neues in Angriff zu nehmen. Die Suche nach Schönem, das in Vergessenheit geraten ist, kann Bereicherungen bringen!
Sich Selbst und seine Gewohnheiten einfach so zu verändern ist kaum möglich.
Meist braucht es dazu einen bedeutsamen Anlass, ausreichend Selbstreflexion und ergänzend auch die Hilfestellung von Anderen. Wer diese Anderen sein könnten ist von der eigenen Persönlichkeit abhängig. Es können beispielsweise gute Freunde und Freundinnen, Lebenspartner und Lebenspartnerinnen oder Fachleute, wie Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen sein.
Die menschliche Spezies ist grundsätzlich recht gut in der Lage etwas an sich oder einer Situation zu verändern. Die Voraussetzung dafür jedoch ist, egal ob es sich nun um ein psychologisches Problem oder einfach nur um etwas handelt das jemanden stört oder jemand etwas Neues ausprobieren will, dass ein sogenannter „Leidensdruck“ vorliegt.
Das bedeutet, dass geplante Veränderungen dann gut in die Realität umzusetzen sind, wenn der Mensch entweder in seiner Lebensführung eingeschränkt ist, oder ein intensives Bedürfnis verspürt wird, welches seine Befriedigung einfordert. Es muss also ein bedeutsamer Anlass vorliegen.
Die Macht der Ausreden, macht es jedoch leider oft unmöglich, etwas anders zu machen. Eine luftige Wortspielerei oder betonschwere Realität? Ausreden werden getarnt als Prinzipen, denn Prinzipien zu haben, ist ehrenwert. Grundsätze statt Regellosigkeit oder doch eher Sturheit statt Reflexion und Offenheit? Es hat wohl beides seine Gültigkeit.
Die Menge und Intensität von Prinzipien ist auschlaggebend ob sie schädliche oder wohltuende Konsequenzen haben. Da hätten wir das Ego-Prinzip: „So bin ich eben, ich habe nun mal meine Grundsätze!“ Es kann Selbstfürsorge, aber auch Rücksichtslosigkeit bedeuten. Das Angst Prinzip: „Was ist wenn ich versage?“ birgt im positiven Sinn auch Voraussicht in sich. Das Scheuklappen-Prinzip: „Es geht auch so! So hat es immer noch funktioniert.
Jetzt ist der denkbar mieseste Zeitpunkt etwas zu verändern, da habe ich kein gutes Gefühl dabei. Alles wird gut!“ Diese Einstellung kann in der entsprechenden Dosis auch ein Ausdruck von Optimismus sein. Jedoch zu einem wirklich schädigenden Prinzip kann sich der Zeitprinzip entwickeln, wenn es überhand gewinnt: „Dafür habe ich keine Zeit“ oder „time is money!“ Nimmt sich ein Mensch nicht auch genügend Zeit für sich selbst, ist die Folge eine ähnliche, wie wenn Pflanzen nicht ausreichend Wasser bekommen.
Einzig die Zeit bis zum „Ausdorren“ ist beim Menschen eine längere, da der Mensch, auch ohne Wartung, viel besser funktioniert als jede Maschine! Selbstfürsorge ist Wartung!
Wie wäre es daher mit einem kleinen „Mach es anders Experiment“: Wenn wir es nicht schon bereits machen, so können wir – ohne großen Aufwand – etwas anders machen: Wir können versuchen mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit durch unseren Alltag gehen! Fast alle Menschen, haben etwas in ihrem Leben das sie mit Freude erfüllt, ihnen „Wohlfühlglück“ oder Wohlbefinden vermittelt, ihnen Spaß macht.
Diese nehmen sie deshalb als solche wahr, weil sie sich in dieser Zeit bewusst sind, dass sie etwas Bestimmtes erleben, etwas fühlen, sehen, riechen, hören oder schmecken.
Somit üben sie sich in diesen Augenblicken auch in Achtsamkeit. Und für Achtsamkeit ist immer Zeit! Wandern wir achtsam durch unseren Alltag, so ermöglichen wir uns, diesen neu zu entdecken und sich der bunten Vielfalt zu öffnen, die jeder Alltag bei genauem Hinschauen zu bieten hat.