Mach die Augen zu …

Von Mczarnetzki @m_cz

UPDATE: Wer den Text drunter nicht lesen will – in Amazons Werbespot bekommt man in 30 Sekunden eine Idee von dem, was ich meine.

Auch zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse wurde wieder das Thema eBook ausführlich behandelt – und wie üblich wurden Statistiken zitiert, nach denen ihr Umsatzanteil gerade mal 0.5% beträgt. Im Ganzen beharrt die Buchbranche auf ihrer Einstellung: das Papierbuch stirbt nicht – schließlich habe man in Europa nicht amerikanische Verhältnisse. Dieses Argument schwirrt seit Jahren herum und fällt mir immer wieder auf. Denn es ist ein selten dämliches Argument.

Die amerikanischen Verhältnisse, auf die angespielt wird, ist die dünne Abdeckung der USA mit Buchhandlungen und das Fehlen eines Zwischenbuchhandels, der dafür sorgt, das fast jedes Buch innerhalb von 24 Stunden besorgt werden kann. Statt dessen müssten Kunden lange Anfahrtswege und Bestellzeiten in Kauf nehmen.

Solange ein Kunde aber in eine Buchhandlung gehen und einen Tag später sein Papierbuch in den Händen halten kann, haben eBooks keine Chance – so lautet grob zusammengefasst die Behauptung.

Da ist es ein Wunder, dass sich Onlinebanking in Deutschland überhaupt durchsetzen konnte. Schließlich war das Filialnetz in Deutschland gutausgebaut. Jeder Bankkunde konnte zu seiner Bank gehen und seine Wünsche sofort erfüllt bekommen. Warum sollte er also die elektronische Variante einem Kundenberater vorziehen?

Statt dessen investierten Banken und Sparkassen hunderttausende Euros in Werbespots, die dem Kunden klarmachen sollten, dass Bankgeschäfte schnell, bequem, im Trockenen oder in Unterwäsche erledigt werden könnten. Bankkunden waren leicht davon zu überzeugen und heute wird der größte Teil des (ehemaligen) Schaltergeschäfts am heimischen PC abgewickelt.

Der gleiche Kunde soll aber – in der Vorstellungswelt des Buchhandels – die gesparte Zeit einsetzen, um in einen Buchladen zu gehen und dort die Bücher kaufen, die ihm der Buchhändler empfiehlt.

Nun habe ich nichts gegen den Buchhandel. Ich habe gern stundenlang durch die Regale geschaut, auf der Suche nach etwas Neuem oder Spannenden. Leider verkneife ich mir das in letzter Zeit. Zum ersten ist die nächste Buchhandlung mindestens zwanzig Kilometer entfernt. (Update: Die nächste Buchhandlung, die fähig ist, Bücher zu bestellen, die nicht bei Libri/KNV geführt werden.) Die Abdeckung ist in den eher dörflichen Gebieten nicht ganz so dicht, wie oft geglaubt. Und zweitens haben die Buchhandlungen in letzter Zeit mehr oder weniger nur drei Bücher vorrätig: Vampirbücher, Romanzen und Thriller. Fast alles, was angeboten wird, passt in eine dieser drei Kategorien. Titel, Cover, Namen sind austauschbar. Etwas Neues, Außergewöhnliches? Fehlanzeige.

Warum sollte ein Leser den stationären Buchhandel vorziehen? Wenn er den von einem Freund per Twitter oder Facebook empfohlenen Titel schneller bei Amazon und billiger als eBook bekommen könnte? Wegen des unglaublich guten Services des Buchhandels? Der Service ist gut. Aber gegen “Jedes Buch in 60 Sekunden” kommt er nicht an.

Die Zukunft kommt wie ein Tsunami. Wer davor die Augen verschließt, ist weg vom Fenster.