Quelle: Jürgen Tesch
Ihr Lieben,heute Abend möchte ich Euch eine ganz wichtige Geschichte von Jorge Bucay mit auf den Weg in die neue Woche geben, nacherzählt von Aljoscha Gottheis:
„Der wahre Wert des Rings“
„Ein junger Mann, der sich sehr minderwertig fühlte und nur ein geringes Selbstwertgefühl besaß, suchte eines Tages einen weisen alten Mann, der in der Einsamkeit der Natur wohnte, auf und bat ihn um Hilfe.
Er sprach: „Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich mich so wertlos fühle, dass ich überhaupt nichts mehr mit mir anzufangen weiß. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, bezeichnen mich als einen Nichtsnutz. Was ich auch anstelle, ich mache es ihrer Ansicht nach falsch.
Man behauptet, ich sei ungeschickt und dumm noch dazu. Ich bitte Euch herzlich um einen Rat: „Wie kann ich ein besserer Mensch werden? Was kann ich dazu tun, dass die Menschen eine höhere Meinung von mir bekommen und besser von mir denken?“
Der weise alte Mann zog einen Ring vom kleinen Finger seiner linken Hand, gab ihm dem jungen Mann und sprach: „Nimm das Pferd, das draußen bereitsteht, und reite zum Markt in die Stadt und verkaufe dort den Ring. Du musst aber unbedingt den bestmöglichen Preis dafür erzielen und verkaufe ihn auf keinen Fall für weniger als ein Goldstück.
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Der junge Mann nahm den Ring an sich und machte sich auf den Weg.Kaum war er auf dem Markt angekommen, preis er den Ring den dortigen Händlern an, die ihn mit einigem Interesse begutachteten, bis der junge Mann den verlangten Preis nannte.Als er das Goldstück ins Spiel brachte, lachten einige, die anderen wandten sich gleich ab, und nur ein einziger alter Mann war höflich genug, ihm zu erklären, dass ein Goldstück viel zu wertvoll sei, um es gegen den Rind einzutauschen.
Nachdem der junge Mann das Schmuckstück jedem einzelnen Markthändler gezeigt hatte, der seinen Weg kreuzte – und das waren weit mehr als Hundert – stieg er, von seinem Misserfolg vollkommen niedergeschlagen, auf sein Pferd und kehrte zu dem alten weisen Mann zurück.
Quelle: Helmut Mühlbacher
Er sprach zu dem alten Mann: „Es tut mir sehr leid. Das, worum Du mich gebeten hast, konnte ich leider unmöglich leisten. Vielleicht hätte ich zwei oder drei Silberstücke für den Ring bekommen können, aber es ist mir nicht gelungen, jemanden über den wahren Wert des Ringes hinwegzutäuschen.“„Was Du sagst, ist sehr wichtig, mein lieber junger Freund“, entgegnete der weise alte Mann mit einem Lächeln. „Wir müssen zunächst den wahren Wert des Rings in Erfahrung bringen.
Steig also wieder auf das Pferd und reite in die Stadt zum Schmuckhändler, denn wer könnte den wahren Wert des Rings besser einschätzen als er? Sag ihm, dass Du den Ring verkaufen möchtest und frag ihn, wie viel er Dir dafür geben will. Aber was immer er Dir auch bietet: Du verkaufst ihn nicht. Kehr bitte mit dem Ring zu mir hierher zurück.“
Und erneut machte sich der Junge auf den Weg.
Der Schmuckhändler untersuchte den Ring im Lichte einer Öllampe gründlich, er besah ihn sich zusätzlich durch eine Lupe, wog ihn auf einer kleinen Präzisionswaage ab und sagte dann zu dem jungen Mann: „Junger Mann, wenn Sie den Ring jetzt gleich verkaufen wollen, dann kann ich Ihnen nicht mehr als achtundfünfzig (!) Goldstücke für Ihren Ring geben.“
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„Achtundfünfzig Goldstücke?“, rief der junge Mann voller Erstaunen aus.„Ja“, antwortete der Schmuckhändler, ich weiß, dass man mit etwas Geduld für diesen Ring sicherlich bis zu siebzig Goldstücke bekommen kann.“Sehr ausgewühlt eilte der junge Mann zu dem Haus des alten weisen Mannes zurück und erzählte ihm, was geschehen war.Der alte weise Mann sprach zu ihm: „Setz Dich“, nachdem er ihm zugehört hatte.
„Du, junger Mann, Du bist wie dieser Ring: Du bist ein Schmuckstück, kostbar und einzigartig. Und genau wie bei diesem Ring kann Deinen wahren Wert nur ein Fachmann erkennen. Warum irrst Du als durch Deine Leben und erwartest, dass jeder X-beliebige Mensch, der Dir begegnet, Deinen wahren Wert kennt?“
Und während der alte weise Mann das sagte, steckte er sich lächelnd den Ring wieder an den kleinen Finger der linken Hand.“
Ihr Lieben,wir leiden oft darunter, wenn uns Menschen ungerechtfertigt kritisieren („Man kann sich nicht auf Dich verlassen“), wenn uns Menschen nichts zutrauen („Du bist und bleibst ein Versager“), wenn sie uns entmutigen („Du hast überhaupt kein Talent!“) oder uns durch Verallgemeinerungen kränken („Mit Dir hat man IMMER nur Ärger!“).Unser heutige Geschichte gehört zu meinen Lieblingsgeschichten.
Diese Geschichte sollte uns sehr zum Nachdenken veranlassen.
Wir sollten die Meinungen anderer Menschen über uns nicht allzu ernst nehmen, diese anderen Menschen verhalten sich wie die Händler auf dem Marktplatz, die den wahren Wert des Ringes nicht einschätzen konnten.Und noch etwas Zweites können wir aus der heutigen Geschichte lernen:Wenn wir geduldig zu Werke gehen, wenn wir uns Zeit nehmen und uns unseres eigenen Wertes bewusst werden und begreifen, welche Talente und Möglichkeiten in uns schlummern, können wir unseren eigenen Wert sogar noch steigern.
Als Kind und Jugendlicher habe ich sehr darunter gelitten, von anderen Menschen kritisiert, verlacht, verspottet und gedemütigt zu werden.
Mein Großvater, der Bauer war und mit sich im Reinen lebte, hat mir einmal das Geheimnis verraten, wie es ihm gelungen ist, sich von der Meinung anderer Menschen über ihn freizumachen.
Er sagte zu mir: „Wenn Dich ein Mensch kritisiert, dann frage Dich zunächst:
„Steht mir dieser Mensch wirklich nahe, bedeutet er mir etwas, liebe ich diesen Menschen und bedeute ich ihm etwas und liebt er mich?“ Wenn Du diese Frage in allen Teilen verneinen kannst, dann höre auf, Dich um die Meinung dieses Menschen zu scheren.
Wenn Du diese Frage aber in allen Teilen bejahen kannst, dann frage Dich, was an der Kritik berechtigt ist und das verbessere dann!“Und eine zweite Frage solltest Du Dir stellen: „Kennt mich der Mensch, der mich kritisiert, überhaupt. Weiß er wirklich etwas über meine Beweggründe, kann er wirklich beurteilen, was für ein Mensch ich wirklich bin. Wenn Du diese Frage verneinen kannst, dann höre auf, Dich um die Meinung dieses Menschen zu kümmern.“
Und zum Abschluss gab mir mein geliebter Großvater noch zwei gute, oder wie man heute sagt, coole Sprüche mit auf den Weg:
„Es sind nicht die schlechtesten Früchte, an denen die Wespen nagen!“
„Wenn mich jemand ärgern will oder mich ungerechtfertigterweise kritisiert, dann denke ich tief in mir: Was stört es mich, wenn sich an mir großem braunen Brummbär ein kleiner Köter reibt?, und dann lächle ich, statt mich zu ärgern.
(Jeder kann sich natürlich ein Tier ausdenken, das zu ihm passt!“
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Ihr Lieben,für die neue Woche wünsche ich Euch viel Zuversicht, viel Hoffnung und dass Ihr Euch Kritik und Entmutigung nicht so zu Herzen nehmt. Ich grüße Euch herzlich aus dem schönen Bremen
Euer fröhlicher Werner