Mach dein Ding!

Von Vera Nentwich @veraswelt

Es gibt Menschen, deren Leben nach festen Mustern abläuft. Jede Änderung daran macht ihnen Angst. Sie rezitieren sofort alle Risiken, die in dieser Änderung liegen. Etwas zu tun, das einen reizt, aber bei dem man keine Ahnung hat, wohin es einen führen wird, ist ein Risiko. Zumindest dann, sobald man es anderen gegenüber offenbart. Zu sagen, man sei Autorin, birgt das Risiko der Ablehnung, genauso wie sich hinzustellen und zu singen. Aber kann das ein Grund sein, es nicht zu tun?

Du kannst nicht singen? Egal.

Im Kino läuft gerade der Film »Madame Marguerite und die Kunst der schiefen Töne« an. Er erzählt die Geschichte von Florence Foster Jenkins, der wohl schlechtesten Sopranistin aller Zeiten. Sie war wirklich richtig schlecht, wie diese Aufnahme eindrücklich belegt. Es mag sein, dass eine Krankheit dazu geführt hat, dass ihre Wahrnehmung verzerrt war und sie sich deshalb immer wieder vor Publikum gewagt hat, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass sie einfach ihr Ding gemacht hat. Und es scheint ihr bei aller Tragik, die darin liegt, etwas gegeben zu haben.

Du kannst gar nichts? Wenn stört’s?

Letztens sah ich in einer Talkshow Daniela Katzenberger. Ihre Sendungen im Fernsehen habe ich nie gesehen. Sie ist mir nur gelegentlich in Werbespots begegnet. Daher war dieser Talkshowauftritt mein erster längerer Kontakt mit ihr. Ich war überrascht, dass sie durchaus reflektiert und sympathisch auftrat, aber sie sagte auch von sich selbst, dass sie keine Ahnung hätte, warum sie erfolgreich sei. Sie macht einfach. Und ihr aktuelles Buch ist auf Platz drei der Spiegelbestsellerliste.

Du bist unsicher, ob du es kannst? Probier’s!

Mit der Selbsteinschätzung ist das so eine Sache. Ich habe beispielsweise den größten Teil meines Lebens gedacht, ich könne nicht singen. Eine Annahme, die ich mit vielen Menschen teilte, wie ich weiß. Dann habe ich aus Neugier vor Jahren eine Probegesangsstunde genommen und wurde eines Besseren belehrt. Nun bin ich sicher immer noch keine begnadete Sängerin, aber ich singe und es bereichert mein Leben ungemein, wie du hier sehen kannst. Hätte ich es nie probiert, wäre mein Leben um einiges ärmer.

Man weiß vorher nie, ob man etwas kann.

Auch wenn ich mein Leben lang schon schreibe, so weiß ich auch heute noch nicht, ob meine schriftstellerischen Fähigkeiten je ausreichend sein werden, um einen größeren Erfolg zu erreichen. Allerdings wusste ich vor vier Jahren auch noch nicht, ob ich je ein Buch werde schreiben können. Heute weiß ich, dass ich es kann. Weil ich irgendwann die Kurve gekriegt und es probiert habe.

Es kann sein, dass du schlecht bist.

Ein Buch schreiben und ein gutes Buch schreiben, ist ein Unterschied. Ein Buch schreiben und damit erfolgreich werden, ist wieder etwas Anderes. Natürlich kann ich irgendwann zur Erkenntnis gelangen, dass die Grenzen meines schriftstellerischen Könnens erreicht sind und es nicht für mehr reicht. Beim Singen habe ich schließlich auch gelegentlich meine Grenzen erreicht. Es wäre nicht schlimm. Wenn ich alleine auf meine Liste der schönen Momente schaue und sehe, welch tolle Erlebnisse und Erfahrungen ich nur dadurch auflisten durfte, weil ich es einfach versucht habe, dann ist es egal, ob es noch Steigerungen gibt oder nicht. Das Einzige, das zählt, ist, dass ich es gemacht und mein Leben bereichert habe.
Türen öffnen sich nur, wenn man darauf zu geht.
Aber noch ist es nicht so weit, dass ich an meine Grenzen gekommen bin. Es fühlt sich derzeit eher wie ein hoffnungsvoller Beginn an. Ich bin guter Dinge, dass da noch was geht. Was? Keine Ahnung. Hauptsache ist, loszulaufen. Denn Türen öffnen sich nur, wenn man darauf zu geht.
Gibt es etwas, das du gerne machen möchtest und dich nicht traust?
Hast du einfach mal etwas gemacht, das du schon immer tun wolltest?
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