Anders als der Freitag konnte uns der Samstag am m4music Festival (fast) auf voller Länge überzeugen. Unsere Eindrücke von Tag 2.
Sonnenschein und La Nefara bringen die Gesichter der Zuschauer zum Strahlen.
Nach einem regnerischen Auftakt am Freitag begeben wir uns am Samstag erneut zum Festivalgelände. In unmittelbarer Nähe der «schönsten Treppe von Zürich» – so bezeichnete eine Freundin den Aufgang zur Bushaltestelle Schiffbau – setzen wir uns erst mal in die Sonne. Das Bier ist kühl und das Kotu Roti schmeckt hervorragend. Und La Nefara, die zeitgleich auf der Openairbühne spielt, liefert auch gleich den perfekten Sound zum sonnigen Tag. Tanzbare Reggaeton-Beats kombiniert sie mit starken Lyrics zu Geschlechterrollen oder Migration. Gestärkt, «empowered» und sonnengetankt sind wir voller Vorfreude auf den weiteren Verlauf des Festival-Abends.
Die „schönste Treppe von Zürich“.
Als nächstes erwartet uns auf der Openairbühne Cobee, dem wir nur aus der Distanz zuhören. Denn der Platz vor der Stage ist rappelvoll. Was wenig verwunderlich ist, da der Berner Rapper als einer der vielversprechendsten Newcomer im Schweizer Hiphop gehandelt wird. Am Festival-Award Demotape Clinic wurde ihm am Abend dafür der Sieg in der Kategorie «Urban» zugesprochen. Für meinen Geschmack ist sein Einsatz von Auto-Tune – wie am Vortag bei Wolfman– etwas inflationär. Aber den jüngeren Zuschauern scheint das zu gefallen: In den vorderen Reihen kennt fast jede/r die Texte auswendig.
Von Jemen ins Weltall und die misslungene Zeitreise
Gegen 20 Uhr begeben wir uns in die Box. Und sind erst einmal erstaunt: Wo ist die Menschenmasse vom Vortag? Möglicherweise sind es vor allem die «Professionals» und Medienschaffenden, die jetzt mit Abwesenheit glänzen. So wurden kurz zuvor die Sieger des Democlip-Wettbewerbs erkürt. Gut für uns. Problemlos dringen wir also kurz vor Konzertbeginn in eine der vordersten Reihen vor.
Die drei Schwestern von A-WA ziehen uns gleich in ihren Bann. Auch wenn die Zuschauerzahl geringer ist als am Freitag, ist die Stimmung bereits jetzt um einiges besser. Der stimmungshebende Einfluss der Sonne scheint in die Hallen mitzuziehen. Die Mischung aus traditionellen jemenitischen Klängen und Elektrobeats transformiert die zuvor triste Halle in eine orientalisch angehauchte Party. Und auch an Tiefgang mangelt es dem Auftritt nicht. «My home is in my head» (Bayti Fi Rasi), der Titel ihres neuen Albums, das im Mai veröffentlicht wird, sei ein Sprichwort ihrer Grossmutter, das für sie vor allem ihr Leben zwischen zwei Welten – der israelischen Heimat und der jemenitischen Herkunft – widerspiegelt. Poesie und Tanz passen hier ziemlich gut zusammen.
Ein Austausch zwischen Zürich, Israel und Jemen: A-WA.
Mit tanzbarer Musik geht es für uns dann auch gleich weiter: Um 21:30 spielt nämlich NAO, ebenfalls in der Halle. Die gebürtige Londonerin beginnt ihre Show mit der vielversprechenden Ansage: «I wanna take you to another planet.» Passend dazu ist die Bühne mit Luftballons geschmückt, die im weiteren Verlauf des Konzerts im Publikum verteilt werden sollten. Und tatsächlich schaffte es die Sängerin mit ihrer selbstbewussten Bühnenpräsenz und ihrer perfekten (!) Gesangsstimme selbst mich als R&B-Banause abzuholen. Was vielleicht auch daran liegt, dass NAO gekonnt mit benachbarten Genres wie Hip-Hop und Soul spielt und auch tanzbare Elektrobeats nicht scheut.
Nicht 99, aber doch einige Luftballons umgeben NAO.
Als letztes stehen für uns um 23 Uhr Temples an, das Konzert, auf das ich mich eigentlich am meisten gefreut habe. Eigentlich. Die Briten konnten leider mit dem musikalischen Dauerhoch, das mich bisher begleitete, nicht mithalten. Dafür sind sie nicht allein schuldig: mit steigendem Alkoholpegel wird auch der Gesprächspegel im Publikum höher. Es hilft zudem nicht, dass die Band kaum mit dem Publikum interagiert, ja fast lustlos die Setlist ohne Unterbruch herunterzuspielen scheint. Im Verlauf des Konzerts leert sich die Halle immer mehr. Statt eines 60s-Revivals erleben wir eine uninspirierte Show.
Temples bespielen lustlos die Halle.
Trotz der kleinen Enttäuschung zum Schluss konnte der Samstagabend die kleinen Mängel des Freitags wettmachen. Wir freuen uns schon jetzt, auch nächstes Jahr wieder dabei zu sein. Und hoffen, dass die Schweizer Musikszene weiterhin dank Anlässen wie dem m4music floriert – und sich dabei vielleicht noch ein bisschen weniger ernst nimmt.