Lyskamm-Traverse: Tanz über dem Abgrund

Die Überschreitung des Lyskamms ist eine mentale Härteprobe. Hier enden Fehler tödlich. Und die Freiheit beginnt.

Blick nach rechts. Ich schlucke. Blick nach links – ein Tausend Meter tiefer Abgrund. Der Blick nach vorne bestätigt: Dies wird lange kein Ende nehmen. Weit zieht sich die Firnschneide des Lyskamms von Westen nach Osten. Ein kilometerlanger Tanz über dem Abgrund, der keinen Fehler zulässt. Ein falscher Schritt kann tödlich sein. Eine Tour, die mich geistig an meine Grenzen bringen wird. Ein Abenteuer, das Freiheit neu definiert.

„Nur dem, der den Mut hat, den Weg zu gehen, offenbart sich der Weg.“

– Paolo Coelho

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundDie Nordseite des Lyskamms mit ihren imposanten Eispanzern.

Am Abend vor der Traverse. Mit weit aufgerissenen Augen liege ich im Lager der Sella-Hütte auf der italienischen Seite des Monta-Rosa-Massivs. Das Bett ist gemütlicher als erwartet. Das Lager nur halbvoll. Ich kann trotzdem nicht schlafen. Durch das breite Fenster beobachte ich die Blitze, die die Landschaft im Minutentakt erleuchten. Ich liebe Gewitter. Magisch und ungestüm sind sie. Heute macht mir das Gewitter Sorgen. Es verstärkt mein Grübeln über die morgige Tour.

Ich kneife die Augen zusammen. Will den Schlaf herbeizwingen. Wirre Träume überfallen mich. Der Weckton meiner Suunto um 04:30 ist eine Erlösung. Anziehen, aus dem Bett kraxeln, den Schlafsack in die Hülle stopfen. Beim Frühstück martern mich Bauchkrämpfe. Ich verrühre zwei Esslöffel Zucker in einer Tasse Schwarztee und würge damit trockenen Zwieback hinab. Der erste Kampf des Tages. Den zweiten trage ich mit meinen Kontaktlinsen aus, die nicht schmerzfrei auf meiner Pupille sitzen wollen.

Lyskamm-Traverse: Der Bauch sagt ja!

Um kurz vor halb Sieben knirschen unsere Steigeisen im Schnee. Die Morgenluft tut meinen Augen gut und auch die Bauchschmerzen schwinden mit jedem Schritt. Ich beginne, das Leben am Berg wieder zu lieben.

Dünne Wolken überziehen den Himmel. Weil es erst dämmert, können wir nicht abschätzen, wie sich das Wetter entwickelt. Wir haben am Vorabend beschlossen, am Felikjoch zu entscheiden, ob die Bedingungen die Traverse zulassen. Das Felikjoch ist die erste Anhöhe der Tour und liegt auf 4.090 Metern. Scheint das Wetter zu unsicher, können wir alternativ den Castor besteigen und uns trotzdem einen schönen Tag machen.

Am ersten Aufschwung schließen wir zu den Seilschaften vor uns auf. Tageslicht überflutet langsam das Monte Rosa. Nach und nach verglimmt der Schein der Stirnlampen. Der sanfte Wind hat die Wolkendecke in viele einzelne Fetzen zerstreut, die in der Morgensonne wie riesige Lampions leuchten. Die Verhältnisse sind perfekt. Die Entscheidung ob Castor oder Lyskamm fällt uns leicht.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundVom Felikjoch führt uns das Plateau flach an die Westseite des Lyskamms heran.

Vom Felikjoch schwenken wir nach Osten und halten auf den Westhang des Lyskamms zu. Hinter uns strahlt der Gipfel des Matterhorns im Morgenlicht. Vor uns im Schatten der erste und letzte wirklich steile Anstieg des Tages. Aus der Ferne glich die Westflanke des Lyskamms einem leicht geneigten Schneefeld. Als wir an ihrem Fuße ankommen, stehen wir unter einem Steilaufschwung – überzogen mit hart gefrorenem Schnee und Eis.

Davor gibt uns der Lyskamm eine kleine Kostprobe, was uns oben am Grat erwarten wird: Ein kurzer, sanft geschwungener Firngrat führt uns an den Westhang heran. An manchen Stellen aufregend schmal; nur die Ausgesetztheit ist hier herunten noch nicht ganz so groß.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundZweifel beim Anblick der Westflanke. Schattig und hart gefroren liegt der Steilhang vor uns.

Vor dem Einstieg in den Grat binden wir uns aus dem Seil aus. Dort wo keine Fixpunktsicherung möglich ist, werden wir frei gehen. Vom Seil getrennt, aber doch eng verbunden, steigen wir in den Westhang ein. Durchatmen. Nach vorne schauen. Volle Konzentration über Stunden. Lass den Tanz beginnen!

Gestatten? „Menschenfresser“!

Dem sechsthöchsten Viertausender der Schweiz, dessen Firnschneide sich elegant vom 4.479 Meter hohen West- zum 4.527 Meter hohen Ostgipfel schwingt, eilt ein übler Ruf voraus.

Seit seiner Erstbesteigung am 19. August 1861 kamen hier mehrmals Bergsteiger durch Wechtenbrüche oder Mitreißunfälle zu Tode. An der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert nannte man den Berg deshalb Menschenfresser. Dass der Lyskamm diesen Beinamen trägt, erfahre ich erst bei der Recherche zu diesem Artikel. Das Wissen über die Geschichte des Berges hätte meine Vorfreude wohl gemindert. Und die Bauchschmerzen verschlimmert.

Die Ästhetik des Grats verleitet fast dazu, seine Gefährlichkeit zu unterschätzen. Auf dem luftigen Kamm gibt es selten eine andere Sicherungsmöglichkeit als den Sprung auf die andere Seite des Grates, falls der Seilpartner ausrutscht. Eine eher theoretische Praxis – denn die Linie führt wegen der Wechten häufig mehrere Meter unterhalb der Schneide entlang.

Bei schlechten Schneeverhältnissen, starker Überwechtung, Vereisung oder Sturm verwandelt sich die technisch einfache Route in eine riskante Unternehmung. Umstände, über die wir uns keine Sorgen machen müssen. Die Bedingungen sind perfekt.

Innerer Kampf am Lyskamm Westgipfel

Gefühlvoll aber bestimmt schlage ich die Vorderzacken meiner Steigeisen in die kleinen Mulden, die die drei Seilschaften vor uns in der Westflanke hinterlassen haben. Bei Blankeis wäre das hier eine der heikelsten Stellen der Route. Eine feste Schneeschicht erspart uns heute eine Eisklettereinlage. In gerader Linie führen uns die Spuren unserer Vorgänger durch die rund 45 Grad steile Flanke. Zweihundert Höhenmeter später verlassen wir den Westhang.

Eintauchen... Eintauchen… ... in den Traumgrat. … in den Traumgrat.

Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Vor mir ein Grat, dessen Dimension ich bis zum Ende nicht fassen kann. Ich zwinge mich, in kleinen Schritten zu denken. Nächstes Ziel: Lyskamm Westgipfel. Der Grat ist hier so breit, dass ich mich noch wohl fühle; mich die Ausgesetztheit aber schon fesselt.

Drei Kilometer lang ist dieser Tanz über dem Abgrund an der Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Auf beiden Seiten geht es Hunderte Meter in die Tiefe, nach links über die Nordwand des Lyskamms auf den Grenzgletscher, nach rechts auf den Lysgletscher.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundKurz vor dem Westgipfel des Lyskamms. Im Hintergrund das Matterhorn.

Wer sich auf diesen Tanz einlässt, sagt ja zu einer mentalen Härteprobe. Verspricht sich und seinem Partner, keinen Fehler zu machen. Und muss höchste Konzentration über Stunden aufrechterhalten. Absolutes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist hier unabdingbar.

Nach nicht ganz drei Stunden erreichen wir den Lyskamm Westgipfel. Wir warten einige Minuten, weil Gegenverkehr eine Engstelle in Sichtweite blockiert. Zeit, nochmals in mich zu gehen. Der Blick nach vorne macht mir zittrige Knie. Der Grat scheint endlos und ist unheimlich schmal. Ist es eine gute Idee, sich dieser Gefahr auszusetzen?

Ich rufe mir in Erinnerung, dass zwischen mir und dem Ausstieg auf der Ostseite des Lyskamms nichts liegt, was ich nicht beherrschen könnte. Die Zweifel verschwinden und das pure Gefühl von Freiheit überwältigt mich.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundPacken wir’s! Am Westgipfel beginnt der Tanz über den Abgrund so richtig.

Tief geblickt und fest verbunden

Mittlerweile ist die andere Seilschaft am Westgipfel angekommen und wir können passieren. Nach dem Westgipfel wird der Firn- zum Felsgrat. Die Passage beschreiben viele (auch neue) Führer als kurze Kletterpassage mit einem Zug im dritten Schwierigkeitsgrad. Die Realität sieht anders aus.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundNach dem Westgipfel wird der Schneegrat kurz zum Felsgrat.

Denn die Schlüsselstelle ist beim Einstieg in den Felsgrat noch einige Hundert Meter entfernt. Der felsige Abschnitt zieht sich. Wir binden uns ins Seil ein, weil wir uns hier gut an Felsköpfen sichern können. Wie kleine Zähne spießen die Felszacken aus dem immer schmäler werdenden Schneegrat. Alle paar Meter schlinge ich das Seil fest um einen stabilen Felsblock. Diese Fixpunkte zwischen uns und dem Abgrund lösen meine mentale Anspannung.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundNach der Schlüsselstelle des Grates, die eigentlich keine ist.

Konzentriert, aber einige Sorgen leichter, hebe ich den Blick. Der Vorteil einer so luftigen Tour: nichts schränkt das Panorama ein. Der Lyskamm steht völlig frei am Rande des Monte-Rosa-Massivs. Aus- und Tiefblicke gibt’s nicht nur am Gipfel, sondern auf der gesamten Traverse.

Dass wir uns in diesem Moment, an diesem bizarren Ort befinden, ist surreal. Jetzt, etwa zur Hälfte der Tour, fühle ich mich von der Welt entrückt. Fern von allem, was tausend Meter tiefer unser Leben beherrscht.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundAm Felsgrat gibt es an Felsköpfen gute Sicherungsmöglichkeiten.

Ich bin fast enttäuscht, als wir die schwierigste Passage des Felsgrates erreichen. In meinem Führer ist sie als IIIer-Stelle bewertet, die wir abklettern müssen. Ich empfinde den Absatz um einiges leichter, zumal er zusätzlich mit einer langen Schlinge versichert ist.

Zügig überwinden wir die Stelle, stapfen danach kurz über ein schmales Schneeband und stehen erneut vor einem Felsblock. Er ist so hoch, dass ich ihn knapp nicht überblicken kann. Ich taste nach einem Griff, werde fündig, kralle mich in der Rille fest, setze die Vorderzacken meiner Steigeisen in eine Ritze und schiebe mich über die Kante.

Für die Dauer eines Zuges schwebt mein Hintern hoch über der Schweiz. Diese Tausend Meter Luft unterm Arsch verlangen trotz Seilsicherung eine große Portion Mut und einige ermunternde Worte meines Seilpartners. Geht der Schnee noch weiter zurück, könnte hier eine neue Schlüsselstelle im Felsgrat entstehen.

Ich habe heute zwei Mr. Toms dabei. Ich habe heute zwei Mr. Toms dabei. Beide zum vernaschen. Beide zum vernaschen.

Kurz knarren die Steigeisen noch auf Stein, dann tappen wir wieder lautlos auf der Firnschneide. Das Seil verstauen wir im Rucksack, denn mit den Felsköpfen entfernen sich auch die Sicherungspunkte.

Auf Messers Schneide

Vor uns liegt nun jener Abschnitt der Lyskamm-Traverse, den du sicher von Bildern und aus Büchern kennst. Eine geschwungene, elegante Line, die sich in einem Auf und Ab zum 4.527 Meter hohen Ostgipfel zieht.

Der Platz ist rar. Wenige Schritte von mir entfernt werde ich nur einen Fuß auf die Schneide zwischen Schweiz und Italien setzen können. Ich habe Angst. Keine lähmende Angst. Aber eine Angst, die man fühlt, wenn man weiß, dass ein Fehler mit großer Sicherheit das Aus bedeutet. Und eine Angst, die dir zeigt: Du bist am Leben!

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundDer Lyskamm in seiner vollen Pracht. Am Ende der Schneide der Ostgipfel.

Ich mache einen Schritt nach vorne. Der Grat ist hier so schmal, dass unter den Tritten nur ein Sockel aus Schnee stehen bleibt. Nicht breit genug, um neben mir den Pickel hineinzustecken.

Freihändig setze ich einen Fuß vor den anderen. Achtsam aber beherzt, um die Passage rasch hinter mich zu bringen. Der Blick ist streng auf den nächsten Tritt gerichtet, weicht keinen Millimeter nach rechts oder links aus. Auf beiden Seiten geht es Hunderte von Metern in die Tiefe. Nach links über die Nordabstürze auf den Grenzgletscher, nach rechts auf den Lysgletscher, über dem die Spitze meines Pickels schwebt.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundMal bergauf, mal bergab. Immer unheimlich ausgesetzt.

Der Firnrücken wird mal breiter, mal gruselig schmal. Fällt leicht ab, um dann wieder anzusteigen. Eineinhalb Stunden dauert dieses konzentrierte Gehen über dem Abgrund vom West- bis zum Ostgipfel. Dann endlich rückt der höchste Punkt der Traverse in greifbare Nähe.

Lyskamm-Traverse Auf Messers Schneide. Lyskamm-Traverse Von der Welt entrückt. Lyskamm-Traverse Der letzte Anstieg.

Wir gelangen in eine Senke, die etwas mehr Platz bietet. Ein letzter Anstieg trennt uns vom Lyskamm Orientale. Die Sonne steht hoch am Himmel und heizt mit aller Kraft, die ihr im Sommer zur Verfügung steht, auf das schmale Plateau.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundViel Platz am letzten Anstieg!

Viel zu heiß ist mir in meiner langen Hose. Ungewohnt schwer sind meine Beine in dieser Höhe. Knapp über vier Stunden sind wir mittlerweile unterwegs. Ich merke, dass ich heute erst zwei Riegel gegessen habe. Der Anstieg kostet mich viel Kraft. Ich fühle mich schwach und bin beinahe etwas enttäuscht von mir.

Lyskamm-Traverse: Tanz über dem AbgrundKeine Zeit für Müdigkeit. Am Anstieg zum Östlichen Lyskamm.

Angestrengt blicke ich nach vorne und versuche, den Genuss an der Tour wiederzufinden. Von Süden zieht Nebel auf. Der Kontrast, den er zum wolkenlosen Himmel und zum Grat bildet, unterstreicht die Schärfe der Firnschneide noch dramatischer.

Dann hört der Grat auf, anzusteigen. Der zweite Gipfel ist erreicht. Wir umarmen uns innig und spüren: Das ist so anders als alles, was wir bisher gemacht haben.

Lyskamm-TraverseDem vermeintlichen Ziel ganz nah.

Der Östliche Lyskamm bietet etwas mehr Fläche und erlaubt endlich, die grandiose Sicht auszukosten. Vor uns erheben sich die Gipfel der Monte-Rosa-Gruppe, hinter uns stehen die Zermatter Viertausender vom Matterhorn bis zum Weißhorn Spalier.

Östlicher LyskammFreude! Am Gipfel des Östlichen Lyskamms.

So gerne wir länger gestaunt hätten, wir müssen aufbrechen. Das angekündigte Schlechtwetter wird wie vorausgesagt eintreffen – die Vorboten sind bereits da. Ein Blick entlang des Weiterweges bestätigt auch: der Grat ist hier nicht zu Ende. Er zieht zuerst steil und dann in mehreren flachen Rücken zur Ostflanke hinab.

Dass der furchterregendste Gratabschnitt noch auf uns zukommt, ahne ich nicht, als ich meinen Pickel in die Hand nehme und losstapfe.

Keine Macht der Angst

Der Abstieg ist zu Beginn recht steil; Stolpern oder Fallen immer noch tabu. Sachte senke ich meine Beine von Stufe zu Stufe im perfekten Trittschnee ab. Mein rechter Hüftbeuger beginnt vom einseitigen Abwärtsgehen bald zu krampfen.

Lyskamm-TraverseAbstieg vom Ostgipfel. Der Grat zieht sich. Dufourspitze und Signalkuppe schauen zu.

Das flache Gelände am Ende des Hanges bringt Erleichterung. Dafür spitzt sich der Grat wieder zu. Rechts von mir eine weit überhängende Wechte, links der grausige Abgrund. Und dann auch noch Gegenverkehr. Ein ungünstiger Ort für ein Ausweichmanöver. Ich warne Tom, ja nicht zu weit nach rechts zu gehen.

Die zwei Spanier quetschen sich links an uns vorbei. Ich versenke meinen Pickel tief im Schnee und umklammere die Haue. Erst als die Seilschaft vorbei ist merke ich, dass ich die Luft anhalte. Wir sind immer noch auf 4.300 Meter – ich schnappe nach Sauerstoff.

Das Ende des Grates ist in Sicht. Vor uns ragt ein kleiner Felskopf aus dem Schnee, den wir überklettern. Dann bleibt mir erneut der Atem stehen. Der Grat ist plötzlich so schmal, dass man keine zwei Füße nebeneinander setzen kann.

Zur Rechten ist er von Pickelschäften durchlöchert. Links davon verläuft die Spur. Die Tritte, direkt hintereinander gereiht. Kaum Platz, den rechten Fuß zu heben und am linken Bein vorbeizuführen. Nicht mit den Steigeisen an der Hose hängen bleiben. Keinesfalls mit dem Pickel zu tief einsacken und das Gleichgewicht verlieren!

Liskamm-ÜberschreitungNebel verschluckt die Gruselstelle. Das Ende des Grates ist erreicht.

Der Abschnitt ist vielleicht 100 Meter lang. Für mich trotzdem der mental anspruchsvollste Teil der Lyskamm-Traverse. Erstens, weil wenig Platz ist, um sich frei zu bewegen. Zweitens, weil ich schon mit dem Schlimmsten abgeschlossen hatte.

Dann ein Absatz im Schnee, ein kleiner Schwenk nach rechts und die Spur führt wieder direkt am Grat entlang. Nebel nimmt uns die Sicht in die Tiefe. Zum Glück. Es sind die letzten Schritte am Lyskamm. Die letzten Schritte auf der Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Wir wechseln auf die Südseite des Berges und steigen in wenigen Serpentinen über den Osthang zum Gletscher ab.

Nach der Randspalte falle ich erschöpft in den Schnee. Ich bin psychisch am Sand. Mein Kopf fühlt sich an wie Brei. Die Traverse des Lyskamms – eine Tour, die geistig unglaublich müde macht. Weil die Konzentration über Stunden nie nachlassen darf und man ständig gezwungen ist, die negativen Gedanken beiseite zu schieben.

Ich drücke meinen Freund an mich. Wir beide wissen: Obwohl wir fast auf der ganzen Tour auf uns alleine gestellt waren, hätten wir es ohne den anderen nicht geschafft. Wir binden uns wieder ins Seil ein und steigen über den Gletscher zur Gnifetti Hütte ab. Ich fühle mich erleichtert, tief entspannt, stolz und unglaublich frei.

Am Ende möchte ich mich noch bei meiner Mama entschuldigen. Es tut mir leid, dass du dir oft so große Sorgen machen musst. Ich bin dir für dein Vertrauen tief dankbar.

Infos zur Tour

  • Anstieg: 1.050 Höhenmeter
  • Abstieg: 1.000 Höhenmeter
  • Länge: 10 Kilometer
  • Schwierigkeit: technisch wenig anspruchsvoll, dafür mental fordernd. Schwierigkeit stark von den Verhältnissen (Schnee, Wetter, Wind) abhängig. Man bewegt sich fast durchgehend auf über 4.000 Metern.
  • Dauer: wir waren inkl. Pausen 6 Stunden am Weg

Fragen und Anregungen zum Artikel bitte in die Kommentare, damit sie für alle zugänglich sind!


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