Wann haben Sie sich zum letzten Mal einen Luxus gegönnt? Wer sich im Philosophischen Foyer zum Nachdenken trifft, befasst sich mit ziemlich alltäglichen Dingen. Aber auf nicht sehr alltägliche Weise. Und in nicht sehr alltäglichem Ambiente. Am 3. April 2020 erstmals in einem digitalen Raum.
Der Philosoph Dr. Paulus Kaufmann lädt alle zwei Monate in das Foyer der Villa Stuck, um über Themen wie “Spießer, “Kindheit” oder “Genervt sein” zu diskutieren. Im April stand das Thema “Luxus” auf der Agenda. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen konnten die Menschen nicht den Luxus genießen, sich persönlich vor Ort in der Villa Stuck an der Debatte zu beteiligen: das Philosophische Foyer wurde kurzerhand in den digitalen Raum verlegt.
Präsentation, Gruppenarbeit und gemeinsamer Diskurs mit rund drei Dutzend Personen? Kann eine lebhafte Debatte gelingen, wenn die Teilnehmer*innen allein zuhause an ihren Laptops und Rechnern sitzen? Diese Frage konnte nur dadurch beantwortet werden, dass wir uns auf das Experiment einer virtuellen Debatte einließen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Die Gäste waren sich einig – es war ein gelungener und inspirierender Abend, der in seiner inhaltlichen Tiefe wohl alle überzeugt hat. Trotz der räumlichen Distanz entstand eine Vertrautheit und angenehme Diskussionsatmosphäre. Mangelnde Kinderbetreuung und weite Wegstrecken waren diesmal kein Hindernis, um an dem Projekt teilzunehmen. Und es gab wohl nur wenige Veranstaltungen in der Villa Stuck, bei der Zuhörer*innen parallel Bilder zeichnen, Abendbrot essen und entspannt Babys stillen konnten.
Nach einer problemorientierten Einführung zum Thema bestand die Möglichkeit, in zufällig generierte Kleingruppen zu wechseln. Dies ermöglichte einen direkten Austausch aller Beteiligten, die im geschützten Raum Fragen zum Luxus vertiefen und persönliche Erfahrungen teilen konnten. Danach wurden die Ergebnisse im digitalen Plenum zusammengetragen und weiter diskutiert.
Und was ist jetzt dieser Luxus?
In der Philosophie genießt der Luxus meist keinen guten Ruf. Sowohl die antiken Philosophen als auch die Denker der Aufklärung kritisierten den Luxus mit Blick auf die Ausschweifungen ihrer jeweiligen Adelsgesellschaften. In den Augen dieser Philosophen verdirbt der Luxus das Individuum, befördert Neid und Konkurrenzdenken und zersetzt die Gesellschaft. Aber bringt der Luxus nicht auch Gutes hervor? So ist er mit Genuss verbunden, er motiviert uns und entspannt uns nach getaner Arbeit. Außerdem bringen wir unsere Persönlichkeit doch nicht mit dem zum Ausdruck, was alle Menschen brauchen, sondern durch das Überflüssige, das Verschwenderische, den Luxus. In diesem Sinne sagte bereits Oscar Wilde: „Man umgebe mich mit Luxus. Auf das Notwendige kann ich verzichten.“ Der Ablehnung durch philosophische Autoritäten zum Trotz ist der Begriff des Luxus für uns also wohl doch nicht ausschließlich negativ besetzt. So wies auch Kuratorin Anne Marr in ihrer Begrüßung darauf hin, dass das Thema Luxus in Zeiten der Corona-Krise zwar “banal klingen” möge, angesichts der eingeschränkten Freiheiten aber auch ein Verständnis dafür entstehe, “was wahrer Luxus bedeutet”. An diesem Abend wurde daher deutlich: In den kommenden Jahren werden wir uns vor allem mit der nicht-materiellen Dimension von Luxus beschäftigen: mit dem Luxus der Zeit, der Verwendung knapper Ressourcen, sowie dem Luxus der Selbstbestimmung und Freiheit.