Ein Pferd heisst “Pferd”, weil es auf der Erde läuft; würde es fliegen, hiesse es “Pfluft”. – Dieser nicht ganz neue Ausspruch zeigt deutlich, wie sehr der Terminus “Luft” geeignet ist, die schwierigsten Zusammenhänge komprimiert zu erklären. Will man zum Beispiel kurz und knapp analysieren, wie weit menschliche Kultur-Dekadenz inzwischen reicht, stellt man sich einfach jemanden vor, der eine Weltmeisterschaft gewinnt, indem er sich auf die Bühne stellt, Gitarre spielt und absurdeste Verrenkungen macht, ohne eine Gitarre in der Hand zu haben: Luftgitarre nennt sich das dann. In einem Artikel über die FDP las ich neulich “Luftblase”. Der Autor hatte es danach gar nicht mehr nötig, den Namen Rösler zu verwenden.
Der Allzweck-Terminus schlechthin! Man muss nur kreativ genug sein. ESM und Fiskalpakt sind eine ausgesprochene Luftrettung, Berlin-Schönefeld wird zum Lufthafen des Organisationsweltmeisters Deutschlands, Westerwelle ist der luftleere Raum. Der Sparzwang Merkels, bei der sich das Volksvermögen in Luft auflöst, ist mit Luft-Druck ausreichend beschrieben, die Stürmerreihe des Hamburger SV mit Luftoffensive. Das Politbarometer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens betreibt Luftdruckmessung. Sigmar Gabriel bildet die Lufthülle der SPD, Spaniens Immobilienblase den Luftballon der nationalen Wirtschaft.
Börsen-Gewinne über Derivate und Futures nennt man Luft holen im luftleeren Raum. Claudia Roth ist der Luftikus der Grünen, Sarrazins Gehirn luftundurchlässig. Die Tätigkeit von Wirtschaftswissenschaftlern erwies sich als Luft schnappen und alle Rettungsversuche der EZB als Lufthauch. Die GEZ ist eine Behörde, die Luft einsaugt; die Federal Reserve schöpft Luft mittels Dollarpresse. Der katastrophal schlecht vorbereitete Euro fiel ins Luftloch. Die Erwartung eines durch eine alberne Währung geeinten Europas erwies sich als Luftballon, das Geldsystem als Lufthülle, die Piraten als politisches Lüftchen, bei denen man besser auf Durchzug stellt – womit wir jetzt bei den Luft-Synonymen angekommen wären.
Das allerdings sprengt den Rahmen, denn sonst müssten wir den Dunstkreis der Korruption reden; über den Windhauch der Proteste, der über Europa weht; über den Orkan, der Rajoy wegblasen wird oder über die Lösungsmöglichkeiten der Krise, denen die Puste ausgegangen ist. Der Artikel ist auch so lang genug worden. Zeit, ein bisschen Luft schnappen zu gehen.
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