Lucy kann’s

Ein wenig neidisch bin ich ja schon. Wenn ich nach dem Mittagessen sage: „Kinder, räumt bitte den Tisch ab, putzt euch die Zähne und dann machen wir alle eine Pause“, dann tut keiner nur den kleinsten Wank. Wenn aber Lucy mit breitem Amerikanischem Akzent sagt: „Kiddies, ic mochte, dass ihr jetst gleic die Tisch abraumt, die Säne burstet und dann machen wir alle eine kleine Break“, dann ist sofort alles auf den Beinen, um zu tun, was Lucy von ihnen erwartet. Klage ich: „Kinder, seid bitte etwas leiser. Ich habe so schreckliche Kopfschmerzen“,geht das Geschrei in der gleichen Lautstärke wie zuvor weiter. Wenn aber Lucy jammert „Ic habe so eine furchterliche Headache ic kann euer Gebrull nict mehr langer ertragen“, dann herrscht plotzlic, äähm, ich meine natürlich plötzlich, absolute Stille.

Noch erstaunlicher ist, welche Wirkung Lucy auf „Meinen“ hat. Er, der weder Gerlinde, noch Rosa Müller noch Maggie leiden kann, liegt Lucy zu Füßen. Ach so, ich muss vielleicht noch erklären, wer Gerlinde, Rosa Müller und Maggie sind. Die drei schauen regelmäßig bei uns vorbei. Gerlinde, die raubeinige Arbeitsimmigrantin aus Deutschland, beschimpft unsere Kinder bei jeder Gelegenheit als „kleine Rotznasen“, motzt über die Schweizer Küche und ist bei unseren Kindern dennoch erstaunlich beliebt. Rosa Müller lebt im nahen Altersheim und verirrt sich hin und wieder an unseren Mittagstisch, wo sie sich über ihre missratenen Kinder und die knausrige Heimleitung auslässt. Nichts ist ihr gut genug und doch betteln die Kinder immer und immer wieder: „Mama, wann kommt endlich Rosa wiedermal?“. Maggie, die erst seit Kurzem mit uns verkehrt, ist ein unausstehlicher Snob. Sie prahlt mit ihren Shopping-Exzessen und mit ihren Jet-Set-Bekannten. Durch und durch unsympathisch, aber auch sie äußerst beliebt bei den Kindern, nicht aber bei „Meinem“ und mir.

Gestern dann ist vollkommen aus dem Nichts Lucy aufgetaucht, stellt alle ihre Vorgängerinnen in den Schatten und erobert das Herz meiner Familie im Sturm. Und das alles nur, weil sie einen amerikanischen Akzent hat und so unglaublich fröhlich ist, dass man sie einfach gern haben muss. Lucy muss nur den Mund aufmachen, schon werden alle ganz freundlich und kooperativ, das Zusammensein am Mittagstisch wird plötzlich zur reinsten Freude. Sie schafft mit Links, was ich so oft vergeblich versuche.

Ich bin wirklich versucht, neidisch zu werden, aber wenn ich mir es recht überlege, muss ich mich wohl eher über mich selber ärgern. Hätte ich Lucy nämlich früher erfunden, unser Familienleben wäre schon längst viel friedlicher. Auf der anderen Seite wäre es auch furchtbar langweilig, immer nur die fröhliche Lucy zu sein, denn ein wenig kratzbürstige Gerlinde und ein wenig nörgelnde Rosa Müller steckt ja auch in mir drin. Nur woher Maggie, diese Nervensäge, kommt, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären.

Lucy kann’s



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