Luc Jochimsen: Eine Woche in Iran, Teil 6 (Ende)

Dr. Lukrezia Jochimsen (Foto: Bundestag.de)

Dr. Lukrezia Jochimsen (Foto: Bundestag.de)

Am Nachmittag dann, mitten in Qom, in einer Seitenstraße, in einem unscheinbaren Eckgebäude, der Besuch beim Großayatollah Makarem Shirazi. Über ihn war am gleichen Tag in der Süddeutschen Zeitung zu lesen:

„Erst im vergangenen Monat hatte Ayatollah Nasser Makarem Schirasi, einer der führenden Kleriker Ghoms, der Regierung vorgeworfen, über die Wirtschaftslage zu lügen. So würden Statistiken über den Rückgang der Inflation veröffentlicht, die dem widersprächen, was die Menschen mit eigenen Augen sähen.“

Von ihm stammen auch die Appelle, die Demonstrationen nach der Wahl 2009 umsichtig und verständnisvoll zu sehen.
In einem mittelgroßen Raum steht ein mit weißem Tuch verhängter Sessel. Rechts und links davon die Stuhlreihen für uns, Frauen auf der einen, Männer auf der anderen Seite. Man lässt uns durchaus warten und es wird darauf hingewiesen, dass wir unsere Kopftücher so zu tragen hätten, dass keinerlei Haare sichtbar würden.

Der Großayatollah ist ein kleiner, alter, fragiler Herr, der dann ganz schnell von zwei Bodyguards herein geleitet wird.
Es wird natürlich kein Gespräch. Es kann auch gar keines werden. Ein hoher islamischer Geistlicher, „Quelle der Nachahmung“ genannt von seinen Millionen Anhängern und fünf wissbegierige Abgeordnete aus Deutschland.
Werte, Werte, Werte. Darum geht es in fast jedem Satz. So unterschiedliche Werte wie Revolution und Freiheit, Glauben und Wissenschaft, Kultur und Natur… das Beharren auf einer eigenständigen Lebensweise auf dem Fundament einer 4000-jährigen Kultur, die lange vor dem Islam Werte gesetzt hat, die man heute noch als verteidigungswert erachtet…
Claudia Roth macht einen Versuch der Unterbrechung: Wenn es um Leben im Einklang mit Kultur und Natur geht, wie kann ein Land dann auf die Atom-Technologie setzen? Darauf gibt es natürlich keine Antwort. Während auf unser Anliegen, die beiden inhaftierten Journalisten betreffend, versichert wird, man werde sich dafür einsetzen. Und zwar gleich, denn man sehe den Revolutionsführer noch an diesem Abend…
Dann sind wir auch schon mit einem milden Lächeln entlassen.

Dieses Engagement wiederholt sich in der großen Bibliothek des Ayatollah M. Marashi, einer Schatztruhe von Handschriften, Miniaturen und Schriften aller Jahrhunderte.
Mitten in die Erklärungen des Bibliothekars kommt Ayatollah M. Marashi, Sohn des Bibliotheksgründers und Stifters. Auch er hat von unserem Anliegen gehört – und verspricht, es beim Abendgespräch mit dem Revolutionsführer anzusprechen. „Wann reisen Sie zurück?“, fragt er. „Morgen Nacht, wenn die Landsleute konsularisch betreut werden. Wenn nicht…?“ „Ich werde versuchen, zu helfen.“

Draußen auf den Straßen herrschte ein Betrieb, eine Hektik, ein Geschäfts- und Einkaufsleben wie auf einem Rummel. Bunte Lichterketten überall. Männer mit ihren Shador-Frauen auf Mopeds. Ohne Festhalten geht das gar nicht. So viele junge Leute, Familien, Kinder, eine turbulente Abendstadt war dieses Qom. Hellerleuchtet die Moscheen – und überstrahlend alles der Versammlungsort, wo der Revolutionsführer vor der Geistlichkeit und zigtausend Männern und Frauen seinen Stunden-Monolog hält – von mittags bis in die Nacht. Tausende lauschen einer Stimme. (Das Ganze wird jeden Tag live im Fernsehen übertragen.) In der Stadt selbst aber Trubel und Lärm.

Donnerstag: Abreisetag

Wartetag. Wartetag in der Botschaft, um Kontakt halten zu können mit dem Botschaftsvertreter in Täbris. Am Nachmittag kommt dann die erlösende Nachricht. Den beiden geht es gesundheitlich gut. Nun können die weiteren Schritte in die Wege geleitet werden: anwaltliche Betreuung als nächstes.
Nachts fliegen wir zurück.

Und hier nochmal meine persönliche Begründung, die ich schon zu Beginn der Reise formuliert habe – für all‘ jene Fragesteller und Fragestellerinnen, die die Reise als „Jubelreise“ kritisieren, was sie zu keinem Zeitpunkt war oder „Stabilisierungselement des Regimes“ was vollendeter Unsinn ist… Wer wirklich glaubt, dieses Regime bräche zusammen, wenn wir alle fernbleiben und weitere Isolation um sich greift, der irrt gewaltig.
Also, ich bleibe dabei: es war eine wichtige und richtige Reise gerade in dieser Zeit. Denn – Wann wird Auswärtige Kulturpolitik besonders wichtig?
Wenn es außenpolitisch schwierig ist. Wenn sich die internationalen Beziehungen verschärfen. Wenn Bedrohungen ins Spiel kommen. Wenn gegenseitig Angst herrscht. Wenn zu befürchten ist, dass die Diplomatie abgelöst wird von Sanktionen, Drohgebärden und schlimmstenfalls das Mittel kriegerischen Handelns als ‚Lösung‘ erscheint.
Wann kann die Arbeit eines Ausschusses für Auswärtige Kulturpolitik wichtig werden? Im beschriebenen Fall.
Und was können Abgeordnete eines solchen Ausschusses vielleicht leisten?
Gespräche vor Ort führen, Erfahrungen vor Ort sammeln, sich ein zumindest der Realität nahes Bild verschaffen.

Das haben wir fünf Mitglieder des Unterausschusses Auswärtige Kulturpolitik in dieser Woche versucht: Günter Gloser (SPD), Claudia Roth (Bündnis90/Die Grünen), Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU), Prof. Monika Grütters (CDU/CSU) und ich (Foto: v.r.n.l., bei unserer abschließenden Pressekonferenz in der Deutschen Botschaft).

Luc Jochimsen: Eine Woche in Iran, Teil 6 (Ende)

Quelle: lukrezia-jochimsen.de


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