Seit geraumer Zeit lese ich in einigen Blogs über das Rumnölen und Rumerziehen anderer Menschen an jungen Müttern. Manche schreiben sich ihre Wut von der Leber, andere dozieren freundlich über das wesentliche im Leben - nämlich die innere Liebe und das Finden eben jener.
Und ich nöle jetzt mal mit:
So lange ich denken kann, ist mir in meinem Leben von anderen Menschen reingelabert, rumkritisiert und vorgeworfen worden. Das beginnt in der Schule, zieht sich über das Studium hinein in mein jetziges Leben als Mama von 5 Kindern.
Immer das gleiche Muster, immer das gleich Blabla... Im Studium saß ich zwischen den Seminaren gerne in einer kleinen Cafeteria und las oder bereitete mich vor und sah einfach aus dem Fenster. Manchmal kamen Freunde dazu und manchmal kamen die Laberbacken. Kennt ihr die? Kaum dass sie sitzen, erfährst du alle Neuigkeiten, wie du dein Studium optimieren kannst, welche Fehler dein letztes Referat hatte und welche Dinge noch auf der to-do-Liste stehen, die sie oder er alle schon lange erledigt haben und sie wollen ja nur helfen und sie wollen ja, dass du von ihren Erfahrungen profitierst... egal, ob du das willst oder nicht! Sie labern und labern. Meine gute Erziehung verbot das einfache Aufstehen und gleichzeitige Beenden des Gespräches - ich hab zu wenig Narzissmus mitbekommen. Schande auch. Die Krönung war das Gesabbel eines Kommilitone's über ein Buch von Lobo Antunes, den ich bis dahin nicht kannte. Das sei ein großartiger Schriftsteller, aber er - der Kommilitone- werde ihn jetzt nicht vorstellen, weil Antunes eh viel zu schwierig schreibt und ich das nicht verstehen würde! HABE ICH MICH VERHÖRT! Also verzog ich mich danach in den Bereich der BWLer und Juristen. Da kamen die Laberbacken nicht hin - nicht deren Baustelle. Aber schön war es da auch nicht, weil nicht das gleiche Publikum wie in meinen Studiengängen.
Später kamen die Krabbelgruppen und Kinderspielplätze. Unter scharfen Augen der anderen Mütter, die im Schnitt immer mindestens 5 Jahre älter waren und deshalb 20 Jahre mehr Erfahrung hatten, wurde mir jeder Fehltritt - ob begangen oder nicht - mit ungenierter Vehemenz vorgeworfen. Als ich einmal unsere Erstgeborene nicht konsequent genug ermahnte, meinte ein besorgter Papa und Pädagoge von Beruf "soll ich dir mal erklären, was du jetzt gerade falsch gemacht hast und welche Auswirkungen das auf dein Kind hat?" BITTE??? Ich laufe immer noch rot vor Zorn an, wenn ich nur darüber nachdenke.
Es ist doch so: ist dein Kind aus irgend einem Grund schneller mit dem Laufen, Reden oder anderem Kram, wirst du eifersüchtig beobachtet. Ist dein Kind langsamer als alle anderen, bekommst du unfassbar viele Ratschläge, wie du das alles optimieren kannst! LEUTE! Wie wäre es, ihr kehrt mal vor eurer eigenen Haustür und lasst die anderen in Ruhe!
Auch heute noch mit meinen 38 Jahren und 5 Kindern - man sollte meinen, ich hätte Erfahrung - werde ich beinahe täglich bemuttert von anderen Frauen, die mir helfen wollen mit ihren guten Ratschlägen, werde mit Kritik am Umgang mit meinen Kindern überschüttet. Spielen unsere Kinder draußen und sind laut dabei - das ist so bei Kindern - kommt unter Garantie ein Vorwurf, dass unsere Kinder ja nicht zu überhören wären! (nicht positiv gemeint) Ich wäre überfordert, ich wäre nicht streng genug und ich hätte wenig Ahnung von guter Kindererziehung.
Als wir mit unserer 5. Tochter schwanger waren, kam eine Bekannte fassungslos auf mich zu und fragte mich, wie das denn passieren konnte. Sie würde mir mal ein paar Flyer zum Thema Verhütung mitbringen, schließlich arbeitet sie ja bei Pro Familia und kenne sich aus. HÄÄÄÄ... Ich könnte das ganze Blog mit Geschichten dieser Art füllen.
Ich würde mich unendlich freuen, wenn endlich endlich klar wäre, dass Familien, dass Menschen allgemein ein Recht haben, sich selbst zu entwickeln, ein eigenes Leben zu entwerfen und auch zu scheitern, wenn es denn passiert. Ich möchte nicht begurut werden, ich möchte nicht doziert werden, das einzige, was ich möchte, ist in Ruhe mein Leben leben und ich denke, das möchte eigentlich jeder!
Genug genölt, sonst bekomme ich wieder diese blöden tiefen Falten, die mich alt aussehen lassen und dann werde ich noch als Spießer deklariert. Das ist mit Sicherheit das nächste Kapitel, denn ich lebe ein total langweiliges, normales Leben... spießig eben und so was von uncool... aber voller Zufriedenheit ... spießig eben (für alle, die zum Lachen in den Keller gehen - das war zynisch gemeint)http://diegutendinge.blogspot.com/feeds/posts/default?alt=rss