© Film Kino Text / Wolfram Huke in “Love Alien”
Es ist ein Bild irgendwo zwischen trauriger Existenz und brutaler Realität. Der 1981 in Mühlhausen, Thüringen geborene Regisseur, Darsteller, Drehbuchautor, Kameramann und Komponist Wolfram Huke, er sollte als solch ein Tausendsassa eigentlich keinerlei Probleme haben eine an ihm interessierte Partnerin zu finden. Aber er sitzt zu seinem Geburtstag vor einer kleinen Webcam, gratuliert und spricht mit sich selbst. Der etwas rundlich-bärtige Huke vermittelt den Eindruck als würde er hier sein kleines Videotagebuch füllen. In Wirklichkeit projiziert er seine Leidensgeschichte „Love Alien“ auf die Kinoleinwände. Halb Dokumentation, halb Singlebörse, ist es der einsame Alltag eines Mannes, der noch nie eine feste, lang andauernde Beziehung hatte. Jede Minute wird an den ersten sexuellen Kontakt gedacht. In einer Welt, in der Ulrich Seidl bereits seine dreizehn-jährigen Protagonistinnen in „Paradies: Hoffnung“ übersexualisiert zeichnet, mutet Huke hier nun wirklich wie ein Alien an, dass sich fernab der realen Gesellschaft für sich selbst, in sich gekehrt sozialisiert hat.
Wolfram Huke
Dabei ist er ein sympathischer ‚dicker Bär‘. Wenn er dort so alleine vor sich hin sinniert, kann man sich schnell in der eigenen Einsamkeit verlieren, sofern man ein solches Gefühl schon einmal verspüren musste. Oftmals ist das dann genau der Moment, an dem die liebe Großmutter anruft und einen mit Fragen löchert, wann es denn nun endlich mal wieder eine Freundin vorzuzeigen gäbe und warum es überhaupt so schwer sei, eine Frau zu finden? In den Augen der Oma ist man doch ein so netter Kerl – oder ein so hübsches Mädchen. Dass die Suche und das Finden einer Partnerin ein wenig leichtes Unterfangen ist, dass zeigt „Love Alien“, immer aber auch ein wenig überdramatisiert. Huke inszeniert sich als ein einsames Extrem. Selbstisoliert lebend, sitzt er abends allein zu Hause und versinkt in Mitleid. Aktivitäten scheinen niemals auf dem Plan zu stehen. Einzig mit einer platonischen Freundin feiert er ‚regelmäßig‘ Sylvester, zu einer anderen Dame pflegt er Kontakt per Internet-Videoübertragung. Die dritte Frau in seinem Leben, die wissbegierige Oma einmal außen vor gelassen, ist seine Psychiaterin, die ihm unmissverständlich zu verstehen gibt, dass das Projekt ‚Frau‘ von ihm ernst genommen werden müsse. Die Priorität in dem Auffinden einer Frau für Wolfram stellt sie sogar noch über seine mündliche Diplomprüfung, die er als Ausrede für das nicht Erfüllen seiner ihm aufgetragenen Flirt-Aufgaben hervor zückt.
Immer wieder bringen Huke und seine Mitmenschen, ein geschickter Wechsel von Eigeninterview und Fremdeindrücken, die obligatorischen Fragen in einer solchen Situation auf den Tisch. Warum ist man eigentlich so dick? Kann man das nicht mal eben ändern? Zugegeben, über das Adjektiv ‚rundlich‘ kommt Huke eigentlich nicht hinaus. Das Abnehmen wird dennoch als mentale Lösung vorgeschlagen, eher vorgeschoben, für die Ausbreitung der Zurückgezogenheit. Denn spätestens in den psychiatrischen Hilfesitzungen wird deutlich, dass auch ein schlank gebauter Wolfram niemals auf eine Frau zugehen würde. Beim Pornos schauen, irgendwo müssen die aufgestauten Energien ja landen, zeigt die Kamera einen eher gelangweilten Gesichtsausdruck. Die Augen sind fixiert, verraten als Spiegel zur Seele aber auch die Emotions- und Liebeslosigkeit des Moments. Dann versucht es Huke mit einer Online-Partnerbörse, irgendwann diskutiert er mit sich selbst noch die Frage nach der möglichen Homosexualität.
Wolfram Huke
Dann aber sind da nun mal eben doch ein paar Frauen. Mit Johanna hat es Wolfram einst versucht, schnell wurde aber klar dass sie nicht der Deckel zu seinem Topf ist. Freunde sind die beiden dennoch geblieben. Johanna gibt dabei ein äquivalentes Frauenbild zu Wolframs einsamen Mann wieder. Seit vier Jahren feiern die beiden nun schon gemeinsam den Jahreswechsel, bei beiden hat sich in Sachen Beziehung ein Leben lang noch nichts getan. Die Gemeinsamkeit an diesem einen Tag lässt sie zumindest beim Jahresausklang nicht alleine sein. Zugleich wird Huke nicht als Einzelfall gezeigt. Er ist gar nicht so ein Sonderfall, gar ein Einzelfall. Es gibt noch andere Menschen dort draußen, die sein Schicksal teilen. Bei Johanna ist das Problem erkannt worden. Sie flüchtet sich gerne in Fantasiewelten, liest Bücher und Filme, überträgt ihre Ansprüche auf die reale Welt. Das hat bisher noch niemals zum Erfolg geführt.
In der Luft schwebt bei beiden immer der Gedanke an Sex. Die Beziehung wird hiermit fast gleichgesetzt. Zwischenzeitlich soll eine Entmystifizierung stattfinden, ein schneller Besuch bei einer Prostituierten. Bezahlter Sex, um diese Hürde beiseitelegen zu können. Offenbar hat Wolfram das bereits schon einmal in einem Rumänienurlaub ausprobiert. Über den Besuch einer eben solch bezahlten Dame ging das Ganze dann aber nicht hinaus. Bezahlt, geschaut und wieder gegangen.
Mutig hieß es an vielerlei Stelle, sei diese entblößende Selbstdarstellung des einsamen Wolfram Hukes. Aber eigentlich wird nur die exhibitionistische Veranlagung einer Welt, die sich in Sozialen Netzwerken und ständiger Selbstpräsentation verliert, auf die große Leinwand geworfen. Dass das dennoch interessant und knackig inszeniert wurde, darf dann eben jener Einsamkeit verdankt werden, ohne die Huke sich wohl nie zu diesem Projekt hätte hinreißen lassen. Er befriedigt die Vormittagsschaulust der Menschen, immerhin mit einer Thematik, die bisher noch nicht so sensibel und liebevoll vorgeführt wurde.
“Love Alien“
Originaltitel: Love Alien
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: D, 2012
Länge: ca. 74 Minuten
Regie: Wolfram Huke
Darsteller: Wolfram Huke
Deutschlandstart: 16. Mai 2013
Im Netz: love-alien.de