Das /slash einhalb ist nun schon lange lange vorbei, der Staub hat sich gelegt und man kann einen klaren Blick auf das Gesehene werfen – wie zum Beispiel auf Ryan Goslings Regiedebüt Lost River.
Es klingt alles sehr vielversprechend. Die junge alleinerziehende Mutter Billy (Christina Hendricks) lebt mit ihrem Sohn Bones (Iain de Caestecker) in der beinahe verlassenen Kleinstadt „Lost River“ in Armut. Der Schuldenberg droht über der Familie zusammenzubrechen, die bald ihr Heim und Haus verlieren könnte, um wie beinahe alle anderen Bewohner der Gegend fortziehen zu müssen. Mutter Billy wird in ihrem Kampf gegen die pfändungswütigen Banken (unter anderem repräsentiert durch Ben Mendelsohn) in eine dunkle Unterwelt der Zerstreuung gezogen, während Bones mit der gleichaltrigen Nachbarin „Rat“ (Saoirse Ronan) der Geschichte von “Lost River” nachgeht und auf eine nahegelegene versunkene Stadt stößt. Präsentiert wird alles in kontrastreichen Bildern in Neonfarben unterlegt mit verträumten Synthie-Sounds. Die Erwartungen werden trotzdem nicht ganz erfüllt.
So steckt der Film trotz nicht schlecht komponierter Einstellungen irgendwie in einer Bildsprache fest die zu stark referenziell wirkt – etwas beschönigend ausgedrückt, denn hier und da wird man erschlagen mit Kadrierungen die beinahe wie aus Gummo (Harmony Korine), Irréversible (Gaspar Noe), aus den letzten beiden Filmen von Nicolas Winding Refn (Drive, Only God Forgives) oder Terrence Malicks Gesamtwerk entnommen zu sein scheinen. Selten nur schleicht sich ein innovatives Bild in Lost River, weswegen der Rest nicht erscheint wie nur reines Verweisen auf seine Vorbilder – Ryan Gosling hat hier noch keine eigene Stimme als Regisseur gefunden, und sich trotzdem viel vorgenommen. Doch kopierte Bilder hin oder her – es gibt ja Gründe warum der Film den Zuschauer lockt bevor es etwas enttäuschend wird: Die Atmosphäre ist zu Anfangs mal da. Etwas sozialkritisch und lebensnah, dann wieder sehr märchenhaft und skurril beginnt alles.
Die schauspielerischen Leistungen stellen ebenfalls zufrieden, da wird Gosling als Mann vom Fach keine Kommunikationsprobleme haben. Hierbei deckt Christina Hendricks mit ihrem Charakter Billy jedoch am meisten Emotion ab – Wut, Verzweiflung und Angst werden nicht überspielt sondern sind am Punkt. De Caestecker und Ronan haben weniger emotionale Höhepunkte als apathische Kleinstadtjugend, trauen sich jedoch in der Eskalation etwas mehr zu geben. Am meisten Spaß scheint jedoch Ben Mendelsohn in der Rolle des Bankrepräsentanten Dave zu haben, das nächstbeste zu einem Antagonisten. Zuerst wirkt er übermäßig spießig, stellt sich jedoch als teuflisch und sadistisch heraus, was er in seinem Spiel dann feiert – man denke an Dennis Hopper in Blue Velvet für Arme.
Die Handlung plätschert trotzdem leider nur dahin. Für eine kleine Weile reichen die Bilder und das Spiel um zu unterhalten, irgendwann möchte man jedoch wissen wo alles hinführen soll. Die Handlung verliert sich trotzdem in pseudo-künstlerischen, überlangen Sequenzen, bis man das Erraten des Endes aus Langeweile aufgibt. Ohne riesige Spannung kommt es dann und ist auch gleich wieder vergessen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ryan Gosling beweist zumindest, dass er ein Team dirigieren kann und Ideen hat – die Arbeit vor der Kamera hat ihn allerdings nicht automatisch zum Ausführen seiner Vision befähigt. Lost River ist somit vielleicht noch nicht unbedingt empfehlenswert, aber Regie gänzlich aufgeben müsste Gosling nicht.
Regie und Drehbuch: Ryan Gosling
Darsteller: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Matt Smith, Saoirse Ronan, Ben Mendelsohn
Filmlänge: 95 Minuten, Kinostart: 26.05.2015, lostrivermovie.com
gezeigt im Rahmen des /slash einhalb