Loslassen

Erstellt am 22. Juni 2010 von Olaf.karwisch

Sie kennen sicherlich das Hochgefühl, das aufkommt, wenn wir uns auf etwas freuen und uns darauf zu bewegen. Möglicherweise ist das Wochenende, ein Urlaub, einen Jahrestag, einen lang angestrebtes Ziel, das schöne Wetter am nächsten Tag, ein Ausflug, die eigene Hochzeit. Das sind alles Ereignisse, die uns mehr oder weniger lange zuvor bewegen und die Stimmung im Hoch halten. Sobald wir diesen Zeitpunkt erreicht haben, genießen wir die Zeit, endlich ist es soweit.

Warum geht es zu Ende?

Wie geht es Ihnen aber, wenn Sie das Ende des Wochenendes erreicht haben, der Urlaub zu neige geht, ein Treffen mit einem Freund dem Ende zugeht? Welche Gedanken und Gefühle kommen bei Ihnen dann auf?

Wenn wir etwas erreicht haben und es genießen, wollen wir es sehr häufig auch nicht mehr loslassen. Wir wollen das Hochgefühl aufrecht erhalten, das wir gerade erleben. Wir wollen, dass die Zeit stehen bleibt. Wir wollen das was ist, nicht mit einer uns ungewissen oder möglicherweise als unangenehm wahrgenommenen Zukunft eintauschen.

Ist es nicht verständlich, dass wir uns nicht davon trennen wollen? Ist es nicht nachvollziehbar, dass wir festhalten an dem was wir in diesem Moment als ein Hoch empfinden? Auch wenn wir wissen, die Zeit geht weiter, Minute um Minute – Stunde um Stunde und Tag um Tag, haften wir dennoch an dem gerade Erlebten und trennen uns nur schwer davon. Warum sollen wir auch von etwas Gutem loslassen, wenn wir z.B. die Zukunft als unsicher wahrnehmen?

Sie merken vielleicht schon, viele Menschen sprechen beim Loslassen, von schwerwiegenden Schicksalsschlägen und Verlusten. Ich möchte heute diesen Artikel allerdings dazu nutzen, dass wir uns bewusst darüber werden, wie wir mit dem Loslassen von schönen, lustvollen und angestrebten Ereignissen umgehen. Wie gehen Sie mit all den schönen Dingen um, die auch einmal zu Ende gehen? Unterscheidet sich das Vorgehen überhaupt von dem solcher Schicksalsschläge? Wir reden über Verluste, manchmal sind es kleine und manchmal leider größere Verluste.

Selbsterfahrung

Fragen Sie sich doch einmal selbst: “Was denken und fühlen Sie in den folgenden Situationen?”

  • Am Sonntag Abend kurz bevor die Arbeitswoche beginnt.
  • Der Urlaub erreicht das letzte Drittel, oder der letzte Tag im Urlaub hat begonnen.
  • Das Ende eines Arbeitstages? Wie unterscheiden sich diese Gedanken zu den vorigen?
  • Das Ende einer langen Autofahrt.
  • Das Ende eines Telefonats mit dem besten Freund.
  • Das Ende einer Freundschaft oder Beziehung.
  • Das Ende eines einzelnen Tages.
  • Wenn die Sonne hinter den Wolken verschwindet.
  • usw.

Kennen Sie Gedanken wie:

  • Warum muss das gerade jetzt zu Ende gehen?
  • Ich will noch länger dort bleiben.
  • Sehr schade, dass wir schon gehen müssen.
  • So wie es gerade läuft, ist es ungerecht!
  • Ich hätte es verdient, das noch etwas länger erleben zu dürfen.
  • Warum muss es heute regnen, wir hatten doch eine tolle Feier geplant?
  • Warum hat er abgesagt, ich habe mich doch so sehr auf das Treffen gefreut?

Was sind ihre eigenen Gedanken, Bilder und Gefühle?

Achtsamer Umgang

Wenn wir uns der eigenen Gedanken, Bilder und Gefühle bewusster werden, kann es uns helfen, nicht so sehr damit in Verbindung zu treten. Aus der Achtsamkeit heraus lernen wir, unsere eigenen Vorgänge besser zu verstehen, indem wir sie beobachten ohne sie zu bewerten. Wenn also Gedanken des Festhaltens aufkommen, wenn wir nicht loslassen wollen, wir uns mehr mit der Vergangenheit oder der Zukunft beschäftigen, dann können wir das sehr schnell erkennen.

Aus der Achtsamkeit heraus, können wir lernen, wie sehr unsere Aufmerksamkeit sich beim “Festhalten” befindet, und können entscheiden, ob wir uns diesen Gedanken hingeben, oder doch bewusst unseren Fokus auf das setzten, was uns beim Loslassen hilft. Das Loslassen bedeutet dabei nicht, das Schöne hinter sich zu lassen. Dieses darf sehr wohl eine große Anerkennung finden. Wenn wir allerdings nicht loslassen, dann werden wir auch keinen Platz schaffen für das Neue.  Loslassen bedeutet somit auch bereit sein für Neues, sich zu öffnen, für das was nun ist und für das was kommt ohne das schöne der Vergangenheit zu vergessen.

Wir leben in der Gegenwart, wenn wir festhalten, dann verharren wir – in unseren Beispielen – in der geliebten Vergangenheit oder beschäftigen uns mit der ungewissen und möglicherweise negativen betrachteten Zukunft. Wenn wir unsere Gedanken auf diese Reise schicken, uns mit der Vergangenheit oder der Zukunft beschäftigen, dann werden wir das Gute der Gegenwart nicht erleben können. Denn die Aufmerksamkeit ist nicht im hier und jetzt.

Das Loslassen hat sehr viele Fassetten. Heute habe ich unsere Aufmerksamkeit nur auf eine kleine Ecke gerichtet. Möglicherweise entdecken Sie durch diese Anregung noch viele andere Bereiche, in denen das Festhalten in Ihrem Leben eine Rolle spielt.

Zusammenfassung:

Das Leben ist ein stetiger Wandel? Jeden Tag gibt es Kleinigkeiten, von denen wir uns trennen, die von alleine aufhören oder wir zu Ende gehen lassen. Damit verbunden ist auch ein stetiger Abschied von Gedanken, Wünschen, Ereignissen, Orten und Menschen.

Ich möchte Sie dazu einladen, die nächsten Tage ein Stück achtsamer zu sein, sich selbst zu beobachten, wie sie persönlich damit umgehen. Wie sie das Ende eines Gesprächs, eines Termins, eines Arbeitstages, einer Autofahrt empfinden. Beobachten Sie, wie sie mit dem kleinen, täglichen Wandel umgehen. Welche Gefühle bei Ihnen aufkommen? Welche Gedanken Sie sich machen?

Loslassen bedeutet, sich mit dem Ungewissen zu konfrontieren. Wir lassen das hinter uns, was wir gerade erleben und möglicherweise lieben. In diesem Moment tauschen wir es gegen etwas Ungewisses ein.

Diese Achtsamkeitsübung hilft Ihnen mehr Handlungsspielraum zu entwickeln. Sie werden bemerken, wann sie eher festhalten oder Ihnen das Loslassen leicht(er) fällt. Sollten Sie einmal festhalten, dann können Sie lernen Ihre Aufmerksamkeit bewusst auf andere Punkte zu setzten. Was hat Ihnen wirklich gefallen? Wie ging es Ihnen dabei dem bisher erlebten? Wir können das Vergangene anerkennen und dann loslassen, indem wir ganz bewusst unsere Aufmerksamkeit darauf ausrichten, was gerade ist. Wir können uns fragen: “Was bringt der neue Moment, den ich nun erlebe?

Wenn Sie diese Aufmerksamkeit in den “kleinen” Veränderungen des Tages aufbauen, wird es Ihnen möglicherweise auch leichter fallen achtsamer mit den großen Veränderungen umzugehen, die wir alle immer wieder erleben.

Ich wünsche Ihnen eine achtsame Zeit, Ihr Olaf Karwisch

Zitate zum Thema:

  • “Wer loslässt hat zwei Hände frei” (asiatische Weisheit)
  • “Love it, change it or leave it” (liebe es, ändere es oder lasse es hinter dir)
  • “Nur wer etwas loslässt, schafft Raum für Neues”
  • “Lieber eine gute Sache, die gerade ist, als zwei gute Sachen, die waren, oder drei gute Sachen, die niemals sein werden” (irisches Sprichwort)
  • “Wir sind, was wir denken” (Dalai Lama)