Die Leipziger Buchmesse liegt nun schon knapp neun Monate zurück. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mit euch in die Vergangenheit zu reisen. Dazu präsentiere ich euch in den nächsten Tagen einige Interviews präsentieren, die bislang noch unveröffentlicht sind.
Den Auftakt bildet heute mein Interview mit Andreas Föhr.
Marie Lanfermann: Hallo Herr
Föhr. Schön, dass sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wenn
man sich ihre Bücher durchliest, fragt man sich zwangsläufig, wie es zu ihrem
Protagonisten kommt. Insbesondere ihre beiden Hauptfiguren Kreuthner und
Wallner sind ja schon ungewöhnliche Typen. Wie kam es zu den beiden
Protagonisten?
Andreas Föhr: Ja, Kreuthner und Wallner sind ungewöhnlich,
wobei so ungewöhnlich eigentlich doch nicht. Wie es dazu kam? Ich war auf
Protagonistensuche. Und da dachte ich mir naja, dann nimmst du einen
Polizisten, den kann man vielleicht später noch einmal verwenden. Und so kam
Kreuthner ins Spiel und der hat dann so ein Eigenleben entwickelt und dann hab
ich entdeckt, dass man furchtbar viele Sachen mit dem machen kann. Und Wallner
sollte ursprünglich viel …, viel schriller, viel problembehafteter sein. Der
sollte eigentlich so ein Typ werden, der Probleme mit Frauen hat und aber
irgendwann hab ich dann gemerkt, ne da kommen schon so viele skurrile Figuren
schon vor da brauchst du so einen ruhenden Pol und dadurch ist Wallner so
dieser korrekte, sorgfältige, ein bisschen kontrollbesessener Kommissar
geworden.
M. L.: Das ist mir
auch beim Lesen ihrer Bücher aufgefallen.
Die beiden nehmen meiner Meinung nach einen sehr starken Kontrast
zueinander ein. Und trotzdem arbeiten die beiden sehr effizient miteinander
zusammen. Ich frage mich natürlich wie sind Sie bei Ihrer Recherche
vorgegangen. Haben Sich tatsächlich mit Polizisten unterhalten und nach deren
Alltag gefragt?
A. F.: Also ich war mindestens einmal im Jahr in Miesbach
bei der Kripo, draußen, da gibt es einen Herr Schweiger, das ist der Leiter der
Kripo Miesbach und der nimmt sich immer sehr viel Zeit, so ein, zwei Stunden
und mit dem kläre ich dann Detailfragen.
Also wie ist das zum Beispiel, wenn ne SOKO da eingerichtet wird, weil
die gar nicht so viele Beamte haben und ähnliche Dinge. Und der hat mir auch
bescheinigt, dass die eigentliche Polizeiarbeit, wenn man mal von Kreuthner
absieht, da sehr realistisch dargestellt ist. Und Kreuthner … es gibt ein
reales Vorbild für Kreuthner. Verrat ich aber nicht wer das ist. Es ist
natürlich ne extreme Figur, dass ist jetzt nicht eins zu eins übernommen von
diesem Vorbild, aber so gewisse Charakterzüge die gibt es schon in Natura.
Insofern, ganz realitätsfremd ist es nicht. Es ist jetzt nicht so, dass ich da
beim ermitteln dabei bin, aber ich bin schon im engen Kontakt mit der Polizei
Miesbach.
M. L.: Und wie kommt es zu der Entwicklung der Fälle? Denn
die sind ja doch einerseits sehr ähnlich, andererseits sehr verschieden und
gleichzeitig soll sich der Leser ja nicht langweilen.
A.F.: Das ist eine sehr schwierige Sache. Zunächst braucht
man irgendeinen Ausgangspunkt. Das kann eine interessante Tatbegehung sein, das
kann ein interessantes Motiv sein für den Täter, warum er den Mord begangen
hat. Und bei dem Prinzessinnenmörder war es einfach nur dieses Bild am Anfang,
das eine Leiche unter dem Eis eines zugefrorenen Sees nach oben treibt. Mehr
gab es eigentlich nicht beim Prinzessinnenmörder. Und von da aus habe ich mir dann überlegt, ja
was könnte dahinter stecken, was ist die Geschichte dahinter. Es ist immer ein
sehr langer Prozess, bis so ein Fall dann tatsächlich steht und auch so steht,
dass er für den Leser dann spannend ist.
M. L.: Wo würden sie denn sagen investieren sie mehr Zeit
zu? In den Plot selbst oder in das schreiben?
A.F.: Eigentlich in den Plot selbst. Wenn man weiß, was man
schreiben soll dann geht’s auch relativ schnell.
M. L.: Und wie entsteht dann tatsächlich die Geschichte im
Schreibprozess? Wird das ganze erstmal stichpunktartig festgehalten oder direkt
als Fließtext. Ich frage mich bei Ihren
Büchern immer, Sie haben eine Menge Ideen wie schaffen Sie es dieses so zu
sortieren, dass daraus eine Geschichte entsteht?
A.F.: Vieles wird in
Stichpunkten notiert. Manchmal sogar ein richtiger Ablauf. Im Film würde man
sagen so eine Art Treatment. Das heißt,
bevor ich anfange zu schreiben kenne ich die Geschichte schon. Natürlich entsteht dann im Schreibprozess
selbst immer wieder neues. Man
entdeckt irgendwelche Dinge, die vielleicht Auswirkungen auf Strukturelles haben aber im
Prinzip steht die Geschichte.
M. L.: Und wie lange
brauchen Sie von der Idee bis zum fertigen Buch? Also, von dem ersten Gedanken
der Idee bis das Buch dann ins Lektorat kommt.
A. F.: Also bei dem
“Prinzessinnenmörder“ hat es drei Jahre gedauert und bei den anderen hat
es ein Jahr gedauert. Aber das liegt
natürlich auch an den Abgabefristen im Verlagsvertrag. Und wenn der Druck
erstmal da ist, dann wird man auch kreativ.
M. L.: Wie geht es denn mit Wallner und Kreuthner weiter?
Denn ich habe auch nach dem Buch jetzt wieder den Eindruck, dass es auf jeden
Fall eine Fortsetzung geben wird.
A. F.: Absolut. Also es wird eine Fortsetzung geben. Was
genau passieren wird, weiß ich nicht, aber es könnte natürlich sein, dass mal
diese Figur von Wallners Vater eine gewisse Rolle spielt, die ja vor vielen
Jahren verschwunden ist und die immer noch für ihn so ein unbewältigtes Trauma
ist.
M. L.: Ganz im Gegensatz zu Wallner, der ja mit Manfred echt
seine liebe Not hat und sehr zu kämpfen. Da ist es doch auch so, oder nicht?
A. F.: Der Manfred – ja, das weiß ich nicht. Der wird ja nun
immer älter, aber ist immer noch rüstig und vital.
M. L.: Aber teilweise auch sehr skurril…
A. F.: Natürlich, absolut. Er hat so seinen eigenen Kopf und
es ist ja so: Je älter man wird, desto mehr Freiheiten kann man sich ja auch
herausnehmen und das nutzt Manfred eben auch aus. Auch für – ich sage mal –
durchaus lobenswerte Zwecke, wie es jetzt in dem Buch passiert. Aber Manfred
Wallner wird natürlich immer der Punkt bleiben, der Wallner privat beschäftigt.
M. L.: Und trotzdem hat er ja auch in den Büchern – das ist
mir bei diesem Buch wieder sehr stark aufgefallen – so seine Berechtigung. Es
ist also nicht einfach nur Beiwerk, sondern er hat immer irgendeine Funktion.
A. F.: Ja, ich versuche auch diese Privatgeschichten nie so
in der Luft hängen zu lassen, denn ich finde, es ist ein Krimi und da geht es
um die Krimigeschichte. Und wenn ich Privates bringe, dann sollte zumindest ein
gewisser Bezug zum Fall da sein und das ist eigentlich in allen Büchern, auch
bei Manfred, der Fall.
M. L.: Das ist mich auch aufgefallen und auch da habe ich
mich dann gefragt: Wie war eigentlich die Entwicklung? Also ich habe
mitbekommen, dass der Manfred immer älter und immer skurriler wird, ich habe
allerdings nicht unbedingt verstanden, wie diese Figur entstanden ist. Dass
Wallner und Kreuthner existieren, dass wusste ich ja, denn dies sind ja die
beiden Hauptprotagonisten ihrer Bücher. Aber Manfred ist als Nebenfigur doch so
sicher nicht von Anfang an dabei.
A. F.: Ja, Manfred war auch von Anfang an dabei.
M. L.: Daran erinnere ich mich. Aber war er auch im Konzept
direkt von Anfang an geplant?
A. F.: Was genau meinen Sie?
M. L.: Als Figur. Ich gehe davon aus, dass man am Anfang
eines Buches eine Art Plan macht, welche Figur wann und wie Auftritt und mit
welcher Idee.
A. F.: Also es gab kein schriftliches Konzept dafür, aber
Manfred war von Anfang an da, weil ich ja die Kommissarsfigur geschaffen habe
und die brauchte natürlich ein Umfeld. Da habe ich mir überlegt: Wie machen wir
das? Da fand ich es eigentlich ganz reizvoll, eine Figur zu schaffen, die mit
ihrem Großvater zusammen lebt, die eine bestimmte Geschichte hat und das ist
auch diese Geschichte mit dem verschwundenen Vater und der Mutter, die
gestorben ist, die Großeltern, die ihn deswegen aufgezogen haben und das eben
so eine symbiotische Beziehung hat. Manfred ist ja auch jemand, der hat immer
so ein Händchen für Frauen und wirft auch seinem Enkel immer vor, dass er da
ein bisschen mehr Gas geben sollte. Das fand ich eine ganz reizvolle Idee zu
diesem etwas steifen Wallner noch einen lockeren Großvater dazu zu gesellen.
M. L.: Jetzt habe ich noch eine Frage, die vielleicht etwas
von der Rollenplanung abweicht. Und zwar wüsste ich gerne: Wenn Sie die Reihe
rund um Kreuthner und Wallner verfilmen würden, welche Schauspieler würden Sie
denn hier einsetzen und warum?
A. F.: Hmm… die Frage habe ich mir auch schon oft gestellt,
auch zusammen mit Produzenten, die versucht haben, die Stoffe zu verkaufen. Es
ist nicht so einfach. Ich hatte immer gedacht, für Kreuthner wäre ideal Herr
Bezzel, der ist jetzt aber leider weg, weil er bei den Rita Falk-Verfilmungen
die Hauptfigur spielt – ein toller Schauspieler, er spielt auch den Assistenten
in den Bodenseekrimis. Das wäre wirklich schön gewesen und der hätte super
gepasst. Bei Wallner weiß ich nicht so genau, vielleicht müsste man da jemanden
nehmen, den man so gar nicht kennt. Also die Idealbesetzung, ich weiß es nicht,
aber meine Frau sagt immer, das müsste Hans Siegl spielen – der Bergdoktor. Ja,
ich finde, der Siegl ist ein ganz cooler Typ, der könnte das wahrscheinlich
auch. Er ist natürlich Österreicher und nicht Bayer, aber okay.
M. L.: Aber der Akzent wäre ja im Zweifelsfall ähnlich…
A. F.: Ähnlich, ja, der Wallner spricht ja auch nicht so
bayerisch, also das könnte er schon machen. Und für Manfred hatte irgendwer mal
vorgeschlagen, das fand ich nicht schlecht, Philipp Sonntag. Ich weiß nicht, ob
Sie den kennen.
M. L.: Ja, doch, der sagt mir was.
A. F. :Der ist ein sehr witziger Typ und wäre gut.
M. L.: Und wenn Sie sich jetzt einen Verlauf für Ihre
weiteren Bücher wünschen könnten? Ich weiß, das darf man als Autor nicht, weil
da ja immer noch der Verlag mitspricht, wie die Planung der Bücher weiter
verläuft, aber wie würden Sie das dann einschätzen?
A. F.: Wir haben uns zusammengesetzt letztes und sozusagen
den weiteren Weg meiner Bücher besprochen. Es wurde jetzt vereinbart, weil ich
das so wollte, dass das nächste Buch mal etwas anderes wird. Also es ist jetzt
kein Buch mit Wallner und Keuthner, sondern ein Anwaltskrimi. Es wird also
sozusagen noch einmal eine zweite Reihe eröffnet und danach kommt dann aber
wieder ein Wallner- und Kreuthner-Krimi.
M. L.: Ist es denn schwierig, jetzt eine neue Reihe zu
beginnen?
A. F.: Ich glaube ja, man weiß immer nicht, wie die Leser
reagieren. Natürlich will jeder möglichst schnell den nächsten
Wallner-Kreuthner-Krimi haben, aber ich für mich als Autor muss auch einmal
etwas anderes schreiben.
M. L.: Das ist nachvollziehbar, denn sonst gehen einem ja
auch die Ideen irgendwann aus.
A. F.: Ja, ich merke schon, dass es von Mal zu Mal mühsamer
wird. Aber natürlich gibt es diese offensichtlichen Dinge, die man so mit
Kreuthner machen kann, die sind natürlich in den ersten sechs Büchern jetzt
schon mehr oder weniger verbraucht und da muss man jetzt immer mehr Phantasie
und Fleiß aufwenden, um auf etwas zu kommen.
M. L.: Dann bedanke ich mich jetzt für das Interview und
wünsche Ihnen noch eine schöne Buchmesse und einen schönen Tag.
A. F.: Dankeschön, sehr gerne.