Die AKW-Gegner hätten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite gehabt, analysiert der Politologe Claude Longchamps in einem Interview im «Bund»: «Der Höhepunkt aus gegnerischer Sicht war sicher der Vorwurf, dass das geplante Zwischenlager nicht genügend kommuniziert wurde.». Allerdings habe «in der Schlussphase die Stimmung wohl nochmals zugunsten der Befürworter gedreht» – was nicht selbstverständlich war: «Wenn die Kernenergiekritiker im Januar, als die BKW ihre Ziele für erneuerbare Energie korrigieren musste, eingehakt hätten und glaubwürdig aufgezeigt hätten, dass dies doch möglich ist – dann wäre dies der entscheidende Moment vor der Abstimmung über Mühleberg geworden.»
Interessant ist insbesondere, was Longchamps den beiden Lagern für die nationale AKW-Abstimmung im Jahr 2013 rät: Noch sei das Thema Versorgungssicherheit von den Atom-Befürwortern besetzt, erklärt er: «Die Gegnerseite muss aufzeigen können, dass es in absehbarer Zeit machbar ist, auf erneuerbare Energien umzusteigen.» Wenn sie allerdings auf eine blosse Blockierungsstrategie setze, so Longchamps an die Gegner-Seite, «schadet dies der Glaubwürdigkeit». Von der Strombranche wiederum erwartet der Politologe wenig Neues. Es werde kaum Änderungen geben, zumal sich die Branche auf zwei AKWs geeinigt habe: «Ihre offensichtlichste Schwachstelle ist die Endlagerfrage.»
Eine etwas andere Analyse macht derweil die bernische SVP. Sie will nach dem knappen Ja den vom Berner Regierungsrat propagierten Atomausstieg aus der kantonalen Energiestrategie kippen und kündigt einen entsprechende Vorstoss an. Dazu ist sie jedoch auf Verbündete angewiesen, aber insbesondere bei der FDP gibt man sich überraschend zurückhaltend: Angesichts des knappen Resultats könne man «nicht sagen, die Energiepolitik der Regierung sei völlig verfehlt», erklärt Parteipräsident Peter Flück.