«Goodbye to Baumholder» - Abschied der US-Soldaten trifft alle
"US-Fahnen wehen an Gasthäusern, «Dollars ok»-Schilder hängen an Geschäften, und Straßen heißen «New York Street» oder «Kennedyallee». Keine andere Stadt Deutschlands ist so amerikanisch wie Baumholder in der Westpfalz. Doch «Klein-Amerika» ist bedroht: Alles deutet daraufhin, dass die dort stationierte knapp 5000 Soldaten starke US-Panzerbrigade abgezogen wird. «Das trifft in Baumholder alle. Wir werden darunter finanziell extrem leiden», sagt die Inhaberin des Hotels Berghof, Sigrid Zimmer. Mit Familien und Zivilisten wohnen in der größten deutschen US-Garnisonsstadt rund 13 000 Amerikaner. Und gerade mal etwa 4000 Deutsche.Seit 60 Jahren leben die Baumholderer mit den Amerikanern - und von ihnen. Volkmar Pees, der von 1980 bis 2008 Verbandsbürgermeister in Baumholder war, geht von mindestens 25 Millionen Dollar aus, die die Amerikaner im Jahr in der Stadt lassen. Hinzu kommen rund 600 Deutsche, die bei den Amis auf der Base ihren Arbeitsplatz haben. Ein Abzug der 170. Infanteriebrigade sei «einschneidend», sagt Pees, heute Präsident des «Rolling Hills Golf-Clubs» in Baumholder.Die US-Regierung hat dem Militär einen Sparkurs verordnet, bei der zwei Brigaden in Europa gestrichen werden sollen: wohl die im bayerischen Grafenwöhr - und die in Baumholder. Der westpfälzische US-Standort werde aber erhalten bleiben und andere Soldaten aus den USA möglicherweise aus Logistikeinheiten kommen, sagt Pees. Klar ist aber: Es sind dann deutlich weniger.
Umsatzeinbußen werden daher an alle Ecken und Enden befürchtet. Gastronomin Zimmer rechnet für ihr Restaurant mit minus 70 Prozent, im Hotel mit minus 50 Prozent. «Die Amerikaner gehen zwei-, dreimal die Woche essen. Die Deutschen nur einmal alle 14 Tage», sagt sie. Auch beim Friseur Jung werden sich weniger Amerikanerinnen hübsch machen lassen. Rund 40 Prozent seiner Kundschaft stamme von der Base, sagt Ulrich Jung. Meistens Lehrerinnen oder Frauen von Generälen.
Garten- und Landschaftbauer Holger Giszas-Luthmann hat jedes Jahr mehrere größere Aufträge bei den Amerikanern «oben», wie die Baumholderer zu der am Hügel liegenden US-Garnison sagen. Wie das weitergehe, wisse keiner. Auch in seinen Blumenladen würden dann 15 bis 20 Prozent weniger Kunden kommen. Und an einem Top-Tag wie dem Valentinstag werde es nicht mehr so brummen. «Wir bekommen heute dafür auch Aufträge aus den USA für unsere Soldaten», sagt er. Meistens für rote Rosen - mit vielen Teddybären drin.
«Die Amerikaner sind hier doch der einzige Arbeitgeber», sagt der Gastwirt vom Bistro «Vis a Vis», Hans-Jürgen Seybold. Alle anderen seien quasi Zulieferbetriebe. Der Abzug der Brigade würde jedem hier wehtun, meint auch er. Die Amis machten bei ihm 40 bis 50 Prozent des Umsatzes aus. «Es ist ein sehr angenehmes Publikum.» Eine Angestellte im Hotel-Restaurant «Zum Stern» meint: «Wenn die Amis weggehen, wäre das für Baumholder die Katastrophe.»
Und nicht nur wegen der Dollars. «Wir sind doch mit den Amerikanern groß geworden», sagt der Geschäftsführer eines Karosserie- und Lackierfachbetriebs, Tim Lorscheider. Er hat sich auf US-Wagen spezialisiert und ist bei den Amis mit Ford, Chrysler und Co erste Adresse. Bei einem Truppenabzug müsse er drei Männer in der Werkstatt entlassen, sagt er. Aber Baumholder ohne Amerikaner - das könnte er sich nicht vorstellen. Wann denn nun klar ist, wie es weitergeht? «Ich schätze, dass sich der ganze Nebel in zwei bis drei Wochen gelichtet hat», sagt Pees.
Auch die Amerikaner mögen die Kleinstadt: «Es ist alles easy hier, die Wege sind kurz», sagt US-Soldat Michael Harlan, seit November vom Afghanistan-Einsatz zurück. Auf ihrem Gelände «oben» haben die US-Bürger eigene Schulen, Kirchen, ein Fitnessstudio und Kino. Und «unten» gibt es für sie Eisdielen und Restaurants mit Schnitzel und deutschem Bier.
Viele Amerikaner seien über die Nachricht eines möglichen Abzugs ebenso entsetzt, sagt Gastronomin Zimmer, die auf der US-Base auch das Restaurant «Rheinländer-Club» führt. «Sie fühlen sich hier wohl.» Über die Jahre seien viele Freundschaften und Beziehungen entstanden. Auch Zimmers Schwiegersohn ist Amerikaner. «Und gerade ist mein deutsch-amerikanisches Enkelkind geboren», sagt sie." (Artikel aus Trierer Volksfreund)