Der Tag Aufenthalt in Loja war recht interessant gewesen. Im topmodernen Einkaufszentrum der Stadt haben wir den Mund kaum mehr zugekriegt ab all den feinen Sachen, die es dort zu kaufen gab. Das war noch um Klassen luxuriöser als die ebenso moderne Mall in Huancayo. Es stimmt eindeutig, der Standard in Ecuador ist höher als in Peru. Merklich. Aber auch die Preise. So staunten wir die eine oder andere Tafel Schokolade an, registrierten entsetzt den Preis und legten das Ding ins Regal zurück. Beim Brot war die Begeisterung aber ebenso gross und dort gab es zum Glück keinen Grund, auf die feinen Vollkornbrötli zu verzichten.
Im Zentrum von Loja stellten wir bald fest, dass sich die Strassennamen nur zum Teil geändert hatten. Wie auch in Peru in fast jeder Stadt gab es auch in Loja eine Avenida Simón Bolívar. Der Libertador scheint hier sehr hoch im Kurs zu stehen, ihm ist sogar eine grosse schöne Plaza mit Statue gewidmet. Dass seit Bolivien so viele Strassen und Plazas nach Bolívar benannt sind, ist indes nicht weiter verwunderlich. Immerhin hat er die Länder Boliven, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela und Panamá von spanischer Herrschaft befreit.
Eines frühen Morgens sind wir also aus Loja rausgefahren, in der Annahme, 3-4 Tage bis Cuenca zu gebrauchen. Wir hatten die Information erhalten, dass die Panamericana nach Cuenca vollständig asphaltiert sei und waren darum etwas verunsichert, als sich die Strasse, der wir folgten, je länger je mehr in eine Schotterpiste verwandelte. Da uns jedoch widerholt versichert wurde, dass wir hier richtig seien, fuhren wir weiter. Die Strasse verlief grösstenteils in einem Flusstal, ausser einem grösseren Hügel war sie auch mehrheitlich flach. Nach ca. 40 km erreichten wir plötzlich eine gut ausgebaute, breite Betonplatten-Strasse, offensichtlich die Hauptverbindungsstrasse, die wir in Loja irgendwie verpasst hatten. Zum Glück, so hatten wir uns hunderte von Höhenmetern gespart.
An alle Ciclistas, die von Loja nach Cuenca wollen: In der Stadt den Wegweisern nach Cuenca folgen und dann immer geradeaus, nie links abbiegen. Wenn ihr so auf einer Schotterstrasse (der alten Strasse, la ruta anciana) in einem relativ engen Tal landet, seid ihr richtig.An jene Ciclistas, die von Cuenca aus nach Loja fahren: Nach der Ortschaft San Lucas, ganz unten im Tal befindet sich die Brücke San Lucas, unmittelbar davor zweigt eine Schotterstrasse nach links ab. Wenn ihr die nehmt, spart ihr euch viele Kilometer und Hügel.
Da wir teilweise immer noch Mühe hattem, das ecuadorianische Castellano zu verstehen, verstanden wir nicht alles, was uns das Jungvolk des Dorfes fragte und sagte, aber als ein Junge meinte, Martina hätte fast keine Luft mehr im Hinterreifen, nahmen wir das schlicht nicht ernst. Einen Platten hätten wir ja schliesslich bemerkt. Dachten wir. Kurz nachdem wir wieder losgeradelt waren, stellte Martina fest, dass ihr Hinterreifen tatsächlich eher platt war. Shit, das war jener Reifen, der ihr schon in Peru vor San Ignacio jede Menge Ärger gemacht hatte. Ok, bis Saraguro, dem Ziel des Tages, waren es noch etwa 20 km, also pumpen und hoffen, dass die Sache hält. Inzwischen war die Kinderschar beträchtlich angewachsen und alle umringten meine pumpende Freundin. Da ich das witzig fand, holte ich meine Kamera hervor, um die Situation festzuhalten. Bei Kindern war das noch nie ein Problem gewesen. Hier war jedoch die Reaktion unerwartet. Etwa drei Viertel der kleinen Zuschauer rannten weg und kamen erst zurück, als ich das gefährliche Maschineli wieder eingepackt hatte. Hoppla, ich wusste ja von bolivianischen und peruanischen Indígena, dass sie glauben, fotografieren raube ihnen die Seele, aber hier schien das fast noch extremer ausgeprägt zu sein.
Als der Schlauch wieder hart war, ging's weiter den Berg hoch. Bald hatten wir eine gute Aussicht über das weite Tal und sahen auch die dunklen Wolken, die eindeutig mit Regen drohten. Mehr als ein paar vereinzelte Tropfen fielen jedoch nicht. Unser nächstes Problem war ein ganz anderes. Martinas Schlauch war wieder platt, und zwar ganz und gar, da war nichts mehr zu machen. Flicken oder ersetzen würde auch nichts bringen, der Mantel war im Innern kaputt und würde jeden anderen Schlauch ebenfalls durchlöchern. Aber wir hatten inzwischen ja Übung im Hitchen und nach nur wenigen Minuten konnten wir einen Lastwagen anhalten, der uns nach Saraguro mitnahm. Weiter oben auf dem Hügel regnete es dann ernsthaft, auf der anderen Seite unten im Tal war es dann wieder sonnig. Ah Mensch, jetzt waren wir so weit hinaufgefahren, verpassten aber die Abfahrt, die da folgte.
In Saraguro luden wir die Velos ab und kriegten von dem netten Lastwagenfahrer noch vier Mangos geschenkt. Die Leute hier sind wirklich grosszügig. Martina machte sich auf die Suche nach der vom Fahrer erwähnten Bicicletería während ich zurückblieb und das Gepäck und mein Velo hütete. Nach einer guten Stunde kam sie zurück, etwas genervt aber mit einem neuen Mantel am Hinterrad. Perfekt, also Taschen montieren und Hostal suchen. Sehr weit kam sie mit beladenem Velo aber nicht, ein Teil des Reifens war wieder aus der Felge gerutscht! Hä, wie bitte, dazu hat der überhaupt kein Recht!! Zufälligerweise fuhr gerade der Mech, der den Reifen montiert hatte, per Töff vorbei und wir winkten ihn heran und schilderten das Problem. Er teilte Martinas Vermutung, dass der Reifen wegen dem Gewicht aus der Felge herausgekommen war, montierte ihn aber kurzerhand wieder rein. Von Hand, einfach so. Mit unseren Reifen würde sowas nicht gehen, dazu sind die viel zu steif. Kein Wunder, ist der auch so schnell rausgerutscht. Dass wir so nie nach Cuenca kommen würden, war klar. Wir quartierten uns in einem Hostal ein und erkundigten uns nach Bussen, um am folgenden Morgen zurück nach Loja zu fahren und einen neuen, besseren Mantel zu kaufen.
Was wir dann auch machten. Der Bus nahm natürlich die betonierte Strasse und wir wussten es bald extrem zu schätzen, dass wir tags zuvor jene alte Strasse erwischt hatten und nicht die neue Hauptstrasse, die über unendliche Hügel führte. In Loja fanden wir bald die vom Mech empfohlene Bicicletería und dort einen neuen Mantel. Da wir gerade hier waren, gingen wir nochmals in den grossen Supermercado und deckten uns nochmals mit einigen Dingen ein, die wir in kleinen Dörfern nicht bekommen würden, wie z.B. Vollkornbrot. Am frühen Nachmittag nahmen wir einen Bus zurück nach Saraguro. Wir hatten uns gerade gesetzt und dem Typen, der dort Süssigkeiten verkaufte, gesagt, dass wir nichts kaufen wollten, als Martina plötzlich fluchte und ihre Jacke mit beiden Händen packte. Der nette Verkäufer hatte schon den Reisverschluss der Tasche geöffnet gehabt und Martina konnte gerade noch verhindern, dass er etwas daraus klauen konnte. Wieder eineml Schwein gehabt.
Am nächsten Morgen ging die Reise weiter, mit dem neuen Reifen montiert und mit bedeutend besserem Wetter als am Vortrag, der vernebelt und verregnet gewesen war. So hügelig wie die Landschaft war jetzt auch die Strasse. Erst etwas bergab, dann recht lange bergauf und schliesslich folgte eine absolut geile Bajada von der 3'000er Höhenlinie auf die 1'000er (gemäss Karte). Dort unten war es bedeutend wärmer als auf dem Berg vorhin und ein riesen Heer Mücken hatte nur auf uns gewartet. Aber das peruanische Repelente funktionierte auch in Ecuador und so mutierten wir nicht zum Mittagessen für Zancudos.
Aber dafür stand die nächste Subida vor uns, der Bajada von vorhin mindestens ebenbürtig. Wir krochen vorwärts bis wir unter einem Dach bei einem verlassenen Restaurant Zmittagpause machten. Wir beobachteten den Himmel über dem Berg vor uns etwas besorgt, sehr nett sah die Sache nicht aus. Da Martina etwas unter Kaffeemangel litt, stoppten wir kurz darauf bei einem Restaurant, wo wir andere Gäste, die gerade von oben heruntergekommen waren, nach Wetter und Strasse dort oben fragten. Dichter Nebel und Regen war die Antwort und etwa 40 km Steigung bis zum höchsten Punkt. Das war natürlich nicht sehr verlockend für den Nachmittag und obwohl erst kurz nach 14 Uhr war, wir fragten im Restaurant nach einer Übernachtungs- oder Campingmöglichkeit. Es gab neben dem Haus einen überdachten Betonplatz, wo bleiben könnten. Der Platz hatte an zwei Seiten Wände also nahmen dankend an und begannen, mit einem kaputten Besen unsere Unterkunft zu wischen.
Das sah eine der Damen der Gruppe, die wir zuvor nach den Verhältnissen auf dem Berg befragt hatten. Ob wir vorhätten, hier zu bleiben? Ja, keine Lust, in den Regen hinaufzustrampeln. Worauf sie antwortete, sie hätte hier ganz in der Nähe ein grosses Haus, wir könnten dort schlafen wenn wir möchten. Wer würde ein solches Angebot schon ausschlagen? Kurze Zeit später folgten wir den Autos und kamen schon bald bei dem alten aber schönen und grosszügigen Haus an. Natürlich mussten wir fast den ganzen Nachmittag lang von unserer Reise erzählen und wurden dabei von Pati und Alexandra, zwei Schwestern denen das Haus gehört, mit Süssigkeiten vollgestopft. Alexandra war es gewesen, die uns hierhin eingeladen hatte.
Abends war die Familie bei einer Tante eingeladen, was uns einen einigermassen frühen Feierabend ermöglichte. Wir durften die Küche benutzen - wie so oft gab es Spaghetti - und uns mit der Sandwich-Maschine getostete Sandwiches machen. Mit Brot, Käse etc. die von unseren neuen Freunden gesponsert wurden. Unglaublich nett, diese Leute. Wie immer standen wir am nächsten Morgen früh auf und gaben uns Mühe, den alten Onkel, durch dessen Zimmer wir hindurchschleichen mussten, nicht zu wecken. Da er aber ohnehin immer früh aufsteht, kamen wir nochmals zu einem Schwatz mit ihm, ein witziger alter Kerl.
Dann griffen wir die Steigung an, die wir am Vortag schon begonnen hatten. Das Dorf Susudel, wo wir übernachtet hatten, befand sich auf ca. 2'375 m, wir mussten rauf auf fast 3'500 m. Es würde also eine Weile dauern, bis wir da oben ankommen würden. Viel umwerfendes passierte an diesem Tag denn auch nicht, wir kämpfen uns langsam und bedächtig den Berg hoch. Vor allem Martina hatte zu kämpfen. Der Reifen, den sie in Loja neu gekauft hatte, hatte ein Cross Country-Profil, was auf der Betonstrasse für viel Rollwiderstand sorgte und das bergauf Fahren noch viel anstrengender machte als es ohnehin schon war. Nach etwa eineinhalb Stunden hatten wir den steilsten Teil geschafft, wir befanden uns jetzt auf einer Art Bergrücken, von wo aus es immer schön auf und ab weiterging, dabei aber immer noch hauptsächlich anstieg. Hier, kurz vor dem kleinen Dorf La Paz gab es eine Hospedaje. Wären wir tags zuvor weitergefahren, wären wir wohl hier gelandet, eher spät am Abend und garantiert völlig durchnässt. Da hatten wir mit im Tal bleiben schon die bessere Wahl getroffen, bei Sonnenschein und wenigen Wolken macht Velofahren mehr Spass.
Entlang der Strasse standen immer wieder Schilder mit interessanten Sprüchen wie z.B. "La Patria es tuya, el poder lo tienes tú!", was sich etwa mit "Das Vaterland gehört Dir, Du hast die Macht" übersetzten lässt. Irgendwie stand as aber im Zusammenhang mit der betonierten Strasse. Ich interpretiere jetzt mal frei und vermute, dass das Folgendes heisst: Der Präsident hat beim Wahlkampf versprochen, wichtige Strassen auszubauen, Du hast ihn gewählt, darum ist die Strasse jetzt betoniert.
Gegen Mittag wurden wir je länger je stärker von dunkelgrauen Wolken bedroht und wir hofften, bald den höchsten Punkt erreicht zu haben, danach sollte die langersehnte Abfahrt beginnen. Von Susudel aus sollte das nach etwa 40 km der Fall sein. Aber es ging immer noch auf und ab, auf jedem weiteren Hügeli hofften wir, dass es jetzt abwärts ging und sahen die nächste Steigung vor uns. Die 40 km kamen und gingen und wir pedalten immer noch aufwärts. Mann, es reicht langsam! Km 42, ich war gerade auf einem Gupf angekommen und sah weiter vorne die Strasse über den nächsten Hügel führen und fluchte, langsam war ich genervt. Da bog die Hauptstrasse aber unvermittelt und gänzlich unerwartet nach rechts und es ging steil abwärts. Was ich auf dem anderen Hügel gesehen hatte, war eine Kiesstrasse gewesen, was aus der Entfernung jedoch nicht erkennbar gewesen war.
Jetzt ging's abwärts und zwar lange und recht steil. Geil, das war wieder einmal eine Hammberbajada! Klar war die Strasse kurvig, aber die Kurven waren nicht eng, sondern weit und offen und man musst nie viel abbremsen. Wenn nur die Betonplatten die Strasse nicht so holprig gemacht hätten, so war mir mit 70 km/h (Rekord!) nicht mehr wohl und ich fragte mich auf einmal, was wohl passieren würde, wenn da ein Bremskabel reissen würde oder sonst etwas schief laufen würde. Habe dann ganz vorsichtig etwas verlangsamt, auch 60 km/h machen noch ganz schön Spass.
Schon viel zu bald waren wir unten im Tal und das Gefälle wurde flacher. Um etwa 14 Uhr kamen wir in der kleinen Ortschaft Cumbe an, wo wir übernachten wollten. Uns blieben zwar nur noch gute 20 km bis Cuenca, das hätte bis zum Abend locker gereicht. Wir wussten aber nicht genau, wie lange wir für diese 20 km benötigen würden, auch wenn das Gelände angeblich flach war. Aber wir wollten nicht um 16 Uhr oder später in einer grossen Stadt ankommen, wo wir gewiss einige Zeit mit Hostalsuche verbringen würden. Abends wäre so etwas recht stressig, also wollten wir lieber am Vormittag in Cuenca ankommen.
Entgegen der Information von einigen älteren Herren gab es in Cumbe jedoch weder Hostal noch Hospedaje oder sonstige Unterkünfte. Und es fand gerade ein Fest statt, da wollten wir nicht kurz nach dem Dorf campen und möglicherweise Opfer betrunkener Campesinos werden. So fragten wir eben nochmals nach, und eine junge Frau meinte dann, in einem Gebäude gäbe es Zimmer, die nicht besetzt seien, wir müssten die Besitzerin des Hauses fragen. Was nach einiger Warterei und um ein paar Ecken rum schliesslich auch klappte. Unser Zimmer war dann zwar nur ein freies Büro ohne Betten, aber wir hatten ja schliesslich unsere Matten, kein Problem also. Wegen der Trockenheit funktionierte die Wasserversorgung jedoch nicht, zum Glück hatten wir noch genug Wasser dabei, das würde sogar bis Cuenca reichen. Beim anschliessenden Spaziergang durch das Dorf waren wir beeindruckt von einigen grossen und sehr schönen Häusern, wie wir sie auch entlang der Strasse einige Male gesehen hatten. In Peru hatte es das nicht gegeben. Aber wir sind hier eben in Ecuador, dass da so einiges anders ist, hatten wir ja schon früher bemerkt.
Am nächsten Morgen schliefen wir etwas länger, wegen 20 km wollten wir nicht um 5 Uhr aufstehen. Wir bedankten uns bei der netten Señora für ihre Hilfe und die (kostenlose!) Unterkunft. Es folgte eine relativ flache Bajada, dann ging es platt oder mit nur ganz leichten Wellen nach Cuenca. Wieder einmal fanden wir, die Landschaft sei der Schweiz sehr ähnlich, grüne, z.T. bewaldete Hügel mit Kühen. Dann hatten wir den Stadtrand von Cuenca erreicht, wo uns leider eine Baustelle den direkten Weg in die Stadt verwehrte. Also folgten wir den organgen Umleitungspfeilen bis es die nicht mehr gab. Aber mit einmal Nachfragen fanden wir das Zentrum doch, wo die übliche Suche nach guten aber bezahlbaren Betten begann.
Zu Cuenca hier nur soviel: Die Stadt liegt auf etwas über 2'500 müM, ist wunderschön mit angenehmen Temperaturen und vielen Pärken. Zu unserem Glück gibt es auch gute Bicicleterías, wo Martina neue Reifen auftreiben konnte und die kleinen Wehwehchen unserer Bicis (hoffentlich) behoben werden. Wir werden Weihnachten hier verbringen und dann frisch und munter in Richtung Quito aufbrechen.
Ich wünsche all meinen regelmässigen, gelegentlichen und zufälligen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Im Zentrum von Loja stellten wir bald fest, dass sich die Strassennamen nur zum Teil geändert hatten. Wie auch in Peru in fast jeder Stadt gab es auch in Loja eine Avenida Simón Bolívar. Der Libertador scheint hier sehr hoch im Kurs zu stehen, ihm ist sogar eine grosse schöne Plaza mit Statue gewidmet. Dass seit Bolivien so viele Strassen und Plazas nach Bolívar benannt sind, ist indes nicht weiter verwunderlich. Immerhin hat er die Länder Boliven, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela und Panamá von spanischer Herrschaft befreit.
Plaza Bolívar in Loja.
Eines frühen Morgens sind wir also aus Loja rausgefahren, in der Annahme, 3-4 Tage bis Cuenca zu gebrauchen. Wir hatten die Information erhalten, dass die Panamericana nach Cuenca vollständig asphaltiert sei und waren darum etwas verunsichert, als sich die Strasse, der wir folgten, je länger je mehr in eine Schotterpiste verwandelte. Da uns jedoch widerholt versichert wurde, dass wir hier richtig seien, fuhren wir weiter. Die Strasse verlief grösstenteils in einem Flusstal, ausser einem grösseren Hügel war sie auch mehrheitlich flach. Nach ca. 40 km erreichten wir plötzlich eine gut ausgebaute, breite Betonplatten-Strasse, offensichtlich die Hauptverbindungsstrasse, die wir in Loja irgendwie verpasst hatten. Zum Glück, so hatten wir uns hunderte von Höhenmetern gespart.
An alle Ciclistas, die von Loja nach Cuenca wollen: In der Stadt den Wegweisern nach Cuenca folgen und dann immer geradeaus, nie links abbiegen. Wenn ihr so auf einer Schotterstrasse (der alten Strasse, la ruta anciana) in einem relativ engen Tal landet, seid ihr richtig.An jene Ciclistas, die von Cuenca aus nach Loja fahren: Nach der Ortschaft San Lucas, ganz unten im Tal befindet sich die Brücke San Lucas, unmittelbar davor zweigt eine Schotterstrasse nach links ab. Wenn ihr die nehmt, spart ihr euch viele Kilometer und Hügel.
Auch Velos feiern Weihnachten.
Wir sind kaum auf die Hauptstrasse eingebogen als auch schon eine Steigung durchs Dorf hinauf begann. Eine Bushaltestelle mit Bank und Dach bot sich als Zmittag-Platz an, wo wir bald von einigen Dorfkindern belagert und uns Löcher in den Bauch gefragt wurden. Hier waren wir wieder eindeutig im Indígena-Land, wobei die Trachten der Leute ganz anders waren als in Peru. Die Männer trugen (fast) alle schwarze, dreiviertel-lange Hosen, weisse Hemden und hatten einen mehr oder weniger langen Rossschwanz. Die Frauen trugen lange, schwarze Röcke, blaugrüne Gürtel und meistens ebenfalls weisse Blusen. Das ganze galt auch für die Kinder uns sah sehr elegant aus und irgendwie würdiger als die kunterbunten Kleider von Peru und Bolivien.Da wir teilweise immer noch Mühe hattem, das ecuadorianische Castellano zu verstehen, verstanden wir nicht alles, was uns das Jungvolk des Dorfes fragte und sagte, aber als ein Junge meinte, Martina hätte fast keine Luft mehr im Hinterreifen, nahmen wir das schlicht nicht ernst. Einen Platten hätten wir ja schliesslich bemerkt. Dachten wir. Kurz nachdem wir wieder losgeradelt waren, stellte Martina fest, dass ihr Hinterreifen tatsächlich eher platt war. Shit, das war jener Reifen, der ihr schon in Peru vor San Ignacio jede Menge Ärger gemacht hatte. Ok, bis Saraguro, dem Ziel des Tages, waren es noch etwa 20 km, also pumpen und hoffen, dass die Sache hält. Inzwischen war die Kinderschar beträchtlich angewachsen und alle umringten meine pumpende Freundin. Da ich das witzig fand, holte ich meine Kamera hervor, um die Situation festzuhalten. Bei Kindern war das noch nie ein Problem gewesen. Hier war jedoch die Reaktion unerwartet. Etwa drei Viertel der kleinen Zuschauer rannten weg und kamen erst zurück, als ich das gefährliche Maschineli wieder eingepackt hatte. Hoppla, ich wusste ja von bolivianischen und peruanischen Indígena, dass sie glauben, fotografieren raube ihnen die Seele, aber hier schien das fast noch extremer ausgeprägt zu sein.
Velopumpen mit (fliehenden) Zuschauer.
Als der Schlauch wieder hart war, ging's weiter den Berg hoch. Bald hatten wir eine gute Aussicht über das weite Tal und sahen auch die dunklen Wolken, die eindeutig mit Regen drohten. Mehr als ein paar vereinzelte Tropfen fielen jedoch nicht. Unser nächstes Problem war ein ganz anderes. Martinas Schlauch war wieder platt, und zwar ganz und gar, da war nichts mehr zu machen. Flicken oder ersetzen würde auch nichts bringen, der Mantel war im Innern kaputt und würde jeden anderen Schlauch ebenfalls durchlöchern. Aber wir hatten inzwischen ja Übung im Hitchen und nach nur wenigen Minuten konnten wir einen Lastwagen anhalten, der uns nach Saraguro mitnahm. Weiter oben auf dem Hügel regnete es dann ernsthaft, auf der anderen Seite unten im Tal war es dann wieder sonnig. Ah Mensch, jetzt waren wir so weit hinaufgefahren, verpassten aber die Abfahrt, die da folgte.
In Saraguro luden wir die Velos ab und kriegten von dem netten Lastwagenfahrer noch vier Mangos geschenkt. Die Leute hier sind wirklich grosszügig. Martina machte sich auf die Suche nach der vom Fahrer erwähnten Bicicletería während ich zurückblieb und das Gepäck und mein Velo hütete. Nach einer guten Stunde kam sie zurück, etwas genervt aber mit einem neuen Mantel am Hinterrad. Perfekt, also Taschen montieren und Hostal suchen. Sehr weit kam sie mit beladenem Velo aber nicht, ein Teil des Reifens war wieder aus der Felge gerutscht! Hä, wie bitte, dazu hat der überhaupt kein Recht!! Zufälligerweise fuhr gerade der Mech, der den Reifen montiert hatte, per Töff vorbei und wir winkten ihn heran und schilderten das Problem. Er teilte Martinas Vermutung, dass der Reifen wegen dem Gewicht aus der Felge herausgekommen war, montierte ihn aber kurzerhand wieder rein. Von Hand, einfach so. Mit unseren Reifen würde sowas nicht gehen, dazu sind die viel zu steif. Kein Wunder, ist der auch so schnell rausgerutscht. Dass wir so nie nach Cuenca kommen würden, war klar. Wir quartierten uns in einem Hostal ein und erkundigten uns nach Bussen, um am folgenden Morgen zurück nach Loja zu fahren und einen neuen, besseren Mantel zu kaufen.
Was wir dann auch machten. Der Bus nahm natürlich die betonierte Strasse und wir wussten es bald extrem zu schätzen, dass wir tags zuvor jene alte Strasse erwischt hatten und nicht die neue Hauptstrasse, die über unendliche Hügel führte. In Loja fanden wir bald die vom Mech empfohlene Bicicletería und dort einen neuen Mantel. Da wir gerade hier waren, gingen wir nochmals in den grossen Supermercado und deckten uns nochmals mit einigen Dingen ein, die wir in kleinen Dörfern nicht bekommen würden, wie z.B. Vollkornbrot. Am frühen Nachmittag nahmen wir einen Bus zurück nach Saraguro. Wir hatten uns gerade gesetzt und dem Typen, der dort Süssigkeiten verkaufte, gesagt, dass wir nichts kaufen wollten, als Martina plötzlich fluchte und ihre Jacke mit beiden Händen packte. Der nette Verkäufer hatte schon den Reisverschluss der Tasche geöffnet gehabt und Martina konnte gerade noch verhindern, dass er etwas daraus klauen konnte. Wieder eineml Schwein gehabt.
Am nächsten Morgen ging die Reise weiter, mit dem neuen Reifen montiert und mit bedeutend besserem Wetter als am Vortrag, der vernebelt und verregnet gewesen war. So hügelig wie die Landschaft war jetzt auch die Strasse. Erst etwas bergab, dann recht lange bergauf und schliesslich folgte eine absolut geile Bajada von der 3'000er Höhenlinie auf die 1'000er (gemäss Karte). Dort unten war es bedeutend wärmer als auf dem Berg vorhin und ein riesen Heer Mücken hatte nur auf uns gewartet. Aber das peruanische Repelente funktionierte auch in Ecuador und so mutierten wir nicht zum Mittagessen für Zancudos.
Seltsam "gekleidete" Hühnlis in den ecuadoriansichen Bergen.
Aber dafür stand die nächste Subida vor uns, der Bajada von vorhin mindestens ebenbürtig. Wir krochen vorwärts bis wir unter einem Dach bei einem verlassenen Restaurant Zmittagpause machten. Wir beobachteten den Himmel über dem Berg vor uns etwas besorgt, sehr nett sah die Sache nicht aus. Da Martina etwas unter Kaffeemangel litt, stoppten wir kurz darauf bei einem Restaurant, wo wir andere Gäste, die gerade von oben heruntergekommen waren, nach Wetter und Strasse dort oben fragten. Dichter Nebel und Regen war die Antwort und etwa 40 km Steigung bis zum höchsten Punkt. Das war natürlich nicht sehr verlockend für den Nachmittag und obwohl erst kurz nach 14 Uhr war, wir fragten im Restaurant nach einer Übernachtungs- oder Campingmöglichkeit. Es gab neben dem Haus einen überdachten Betonplatz, wo bleiben könnten. Der Platz hatte an zwei Seiten Wände also nahmen dankend an und begannen, mit einem kaputten Besen unsere Unterkunft zu wischen.
Das sah eine der Damen der Gruppe, die wir zuvor nach den Verhältnissen auf dem Berg befragt hatten. Ob wir vorhätten, hier zu bleiben? Ja, keine Lust, in den Regen hinaufzustrampeln. Worauf sie antwortete, sie hätte hier ganz in der Nähe ein grosses Haus, wir könnten dort schlafen wenn wir möchten. Wer würde ein solches Angebot schon ausschlagen? Kurze Zeit später folgten wir den Autos und kamen schon bald bei dem alten aber schönen und grosszügigen Haus an. Natürlich mussten wir fast den ganzen Nachmittag lang von unserer Reise erzählen und wurden dabei von Pati und Alexandra, zwei Schwestern denen das Haus gehört, mit Süssigkeiten vollgestopft. Alexandra war es gewesen, die uns hierhin eingeladen hatte.
Abends war die Familie bei einer Tante eingeladen, was uns einen einigermassen frühen Feierabend ermöglichte. Wir durften die Küche benutzen - wie so oft gab es Spaghetti - und uns mit der Sandwich-Maschine getostete Sandwiches machen. Mit Brot, Käse etc. die von unseren neuen Freunden gesponsert wurden. Unglaublich nett, diese Leute. Wie immer standen wir am nächsten Morgen früh auf und gaben uns Mühe, den alten Onkel, durch dessen Zimmer wir hindurchschleichen mussten, nicht zu wecken. Da er aber ohnehin immer früh aufsteht, kamen wir nochmals zu einem Schwatz mit ihm, ein witziger alter Kerl.
Dann griffen wir die Steigung an, die wir am Vortag schon begonnen hatten. Das Dorf Susudel, wo wir übernachtet hatten, befand sich auf ca. 2'375 m, wir mussten rauf auf fast 3'500 m. Es würde also eine Weile dauern, bis wir da oben ankommen würden. Viel umwerfendes passierte an diesem Tag denn auch nicht, wir kämpfen uns langsam und bedächtig den Berg hoch. Vor allem Martina hatte zu kämpfen. Der Reifen, den sie in Loja neu gekauft hatte, hatte ein Cross Country-Profil, was auf der Betonstrasse für viel Rollwiderstand sorgte und das bergauf Fahren noch viel anstrengender machte als es ohnehin schon war. Nach etwa eineinhalb Stunden hatten wir den steilsten Teil geschafft, wir befanden uns jetzt auf einer Art Bergrücken, von wo aus es immer schön auf und ab weiterging, dabei aber immer noch hauptsächlich anstieg. Hier, kurz vor dem kleinen Dorf La Paz gab es eine Hospedaje. Wären wir tags zuvor weitergefahren, wären wir wohl hier gelandet, eher spät am Abend und garantiert völlig durchnässt. Da hatten wir mit im Tal bleiben schon die bessere Wahl getroffen, bei Sonnenschein und wenigen Wolken macht Velofahren mehr Spass.
Entlang der Strasse standen immer wieder Schilder mit interessanten Sprüchen wie z.B. "La Patria es tuya, el poder lo tienes tú!", was sich etwa mit "Das Vaterland gehört Dir, Du hast die Macht" übersetzten lässt. Irgendwie stand as aber im Zusammenhang mit der betonierten Strasse. Ich interpretiere jetzt mal frei und vermute, dass das Folgendes heisst: Der Präsident hat beim Wahlkampf versprochen, wichtige Strassen auszubauen, Du hast ihn gewählt, darum ist die Strasse jetzt betoniert.
Das Vaterland gehört Dir, Du hast die Macht.
Gegen Mittag wurden wir je länger je stärker von dunkelgrauen Wolken bedroht und wir hofften, bald den höchsten Punkt erreicht zu haben, danach sollte die langersehnte Abfahrt beginnen. Von Susudel aus sollte das nach etwa 40 km der Fall sein. Aber es ging immer noch auf und ab, auf jedem weiteren Hügeli hofften wir, dass es jetzt abwärts ging und sahen die nächste Steigung vor uns. Die 40 km kamen und gingen und wir pedalten immer noch aufwärts. Mann, es reicht langsam! Km 42, ich war gerade auf einem Gupf angekommen und sah weiter vorne die Strasse über den nächsten Hügel führen und fluchte, langsam war ich genervt. Da bog die Hauptstrasse aber unvermittelt und gänzlich unerwartet nach rechts und es ging steil abwärts. Was ich auf dem anderen Hügel gesehen hatte, war eine Kiesstrasse gewesen, was aus der Entfernung jedoch nicht erkennbar gewesen war.
Jetzt ging's abwärts und zwar lange und recht steil. Geil, das war wieder einmal eine Hammberbajada! Klar war die Strasse kurvig, aber die Kurven waren nicht eng, sondern weit und offen und man musst nie viel abbremsen. Wenn nur die Betonplatten die Strasse nicht so holprig gemacht hätten, so war mir mit 70 km/h (Rekord!) nicht mehr wohl und ich fragte mich auf einmal, was wohl passieren würde, wenn da ein Bremskabel reissen würde oder sonst etwas schief laufen würde. Habe dann ganz vorsichtig etwas verlangsamt, auch 60 km/h machen noch ganz schön Spass.
Schon viel zu bald waren wir unten im Tal und das Gefälle wurde flacher. Um etwa 14 Uhr kamen wir in der kleinen Ortschaft Cumbe an, wo wir übernachten wollten. Uns blieben zwar nur noch gute 20 km bis Cuenca, das hätte bis zum Abend locker gereicht. Wir wussten aber nicht genau, wie lange wir für diese 20 km benötigen würden, auch wenn das Gelände angeblich flach war. Aber wir wollten nicht um 16 Uhr oder später in einer grossen Stadt ankommen, wo wir gewiss einige Zeit mit Hostalsuche verbringen würden. Abends wäre so etwas recht stressig, also wollten wir lieber am Vormittag in Cuenca ankommen.
Entgegen der Information von einigen älteren Herren gab es in Cumbe jedoch weder Hostal noch Hospedaje oder sonstige Unterkünfte. Und es fand gerade ein Fest statt, da wollten wir nicht kurz nach dem Dorf campen und möglicherweise Opfer betrunkener Campesinos werden. So fragten wir eben nochmals nach, und eine junge Frau meinte dann, in einem Gebäude gäbe es Zimmer, die nicht besetzt seien, wir müssten die Besitzerin des Hauses fragen. Was nach einiger Warterei und um ein paar Ecken rum schliesslich auch klappte. Unser Zimmer war dann zwar nur ein freies Büro ohne Betten, aber wir hatten ja schliesslich unsere Matten, kein Problem also. Wegen der Trockenheit funktionierte die Wasserversorgung jedoch nicht, zum Glück hatten wir noch genug Wasser dabei, das würde sogar bis Cuenca reichen. Beim anschliessenden Spaziergang durch das Dorf waren wir beeindruckt von einigen grossen und sehr schönen Häusern, wie wir sie auch entlang der Strasse einige Male gesehen hatten. In Peru hatte es das nicht gegeben. Aber wir sind hier eben in Ecuador, dass da so einiges anders ist, hatten wir ja schon früher bemerkt.
Chicke Häuser gibt's hier.
Am nächsten Morgen schliefen wir etwas länger, wegen 20 km wollten wir nicht um 5 Uhr aufstehen. Wir bedankten uns bei der netten Señora für ihre Hilfe und die (kostenlose!) Unterkunft. Es folgte eine relativ flache Bajada, dann ging es platt oder mit nur ganz leichten Wellen nach Cuenca. Wieder einmal fanden wir, die Landschaft sei der Schweiz sehr ähnlich, grüne, z.T. bewaldete Hügel mit Kühen. Dann hatten wir den Stadtrand von Cuenca erreicht, wo uns leider eine Baustelle den direkten Weg in die Stadt verwehrte. Also folgten wir den organgen Umleitungspfeilen bis es die nicht mehr gab. Aber mit einmal Nachfragen fanden wir das Zentrum doch, wo die übliche Suche nach guten aber bezahlbaren Betten begann.
Zu Cuenca hier nur soviel: Die Stadt liegt auf etwas über 2'500 müM, ist wunderschön mit angenehmen Temperaturen und vielen Pärken. Zu unserem Glück gibt es auch gute Bicicleterías, wo Martina neue Reifen auftreiben konnte und die kleinen Wehwehchen unserer Bicis (hoffentlich) behoben werden. Wir werden Weihnachten hier verbringen und dann frisch und munter in Richtung Quito aufbrechen.
Weihnachtsbaum auf der Plaza in Cuenca.
Ich wünsche all meinen regelmässigen, gelegentlichen und zufälligen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!