Zu einem Luxushotel gehört ein Gourmet-Restaurant. So weit, so klar. Aber was, wenn der hochdekorierte Chefkoch in Pension geht und von einem „ jungen Wilden " abgelöst wird? Der neue Mann hat es mir persönlich erklärt...
Locanda Barbarossa Gourmet-Restaurant
In der Locanda Barbarossa, besagtem Gourmet-Restaurant des Luxushotels Castello del Sole in Ascona, erkochte sich der vielgerühmte Othmar Schlegel 18 GaultMillau Punkte.
Bravo, bien joué!
Anfang 2017 ging Schlegel aber in die wohlverdiente Pension und ein Nachfolger musste her. Ein würdiger natürlich... Also lässt Hoteldirektor Simon Jenny seine weitverzweigten Beziehungen spielen und findet in Mattias Roock vom Kempinski St. Moritz einen jungen Mann mit Macherqualitäten.
Lokale Küche heisst auch lokale Lieferanten
Viele grosse Köche rühmen sich ja einer „lokalen Küche". Von mir aus angereichert um den obligaten französischen Einschlag der Haute-Cuisine.
Bei Roock geht „lokale Küche" aber allenfalls noch einen Schritt weiter: Er sitzt in der Sonnenstube der Schweiz und in seinem „Garten" auf den fruchtbaren Ausläufern des Maggia Deltas, den Terreni alla Maggia, wächst so ziemlich alles: Vom Weisswein, Rotwein, Spargeln über Mais für die Polenta bis zum eigenen Reis (!) für den Risotto. Alles bezieht er vor der eigenen Haustüre (Hier haben wir dem Risotto-Anbau eigens einen Besuch abgestattet).
Neben weiteren Gewürzen soll der Hausgarten sogar Zitronen vom japanischen Yuzu-Baum hergeben. Eine zwar total saure, aber trotzdem geschmacksreiche Beigabe für Gerichte und manchmal sogar Desserts. So jedenfalls Roocks Kollege Gregor Zimmermann im Bellevue Palace in Bern, wenn er mediterran rüberkommen will.
Unnötig zu sagen, dass der Bärlauch ebenfalls ein Eigengewächs ist: Roock findet ihn im weitläufigen Hotelpark.
Seinerseits selber mit 17 GaultMillau Punkten dekoriert, ist sich Roock nicht zu schade, mehr als nur die Zutaten selber vor Ort zu prüfen: Er steigt auch mal hinter dem Haus in die Maggia und sammelt Steine, auf denen er seine Gerichte präsentiert!
Lokaler wird es nicht...
Setzen Roock und seine Küchenbrigade alle Zutaten zusammen, ergibt sich ein ganzes Menu lokaler Küche.
„Sapori del Nostro Orto" - „Aromen aus unserem Gemüsegarten"
Artgerecht beginnt auch ein lokales Gourmet-Menu mit einem Amuse-Bouche. Auf seinen handverlesenen Maggia-Steinen lässt Roock einen Rohschinken von der Piora Alp drapieren.
Zur Vorspeise etwas Fisch?
„ Lokale Küche" heisst im Falle des Castello del Sole natürlich auch mal „ Lago Maggiore„: So kann es gut und gern auch mal eine frisch gefangene Seeforelle von nebenan sein. Angerichtet mit Gurke, Joghurt, Radieschen und einem Schuss vom Yuzu aus dem Vorgarten gibt sie eine hervorragende Vorspeise her!
Essenz von der feinen Wachtel
Für den Zwischengang Magadino Wachtelessenz mit Wildkräutern, Agnolotti und Erbsen braucht Roock logischerweise Wachteln. Die wollte ihm der beste Lieferant aus der Magadinoebene aber partout nicht liefern. Der meinte nur:
Mit Gourmet-Köchen und Euren Grossküchen ist die Zusammenarbeit zu anstrengend!
Roock muss seine ganze erfrischende und überzeugende Art einbringen, um den eigenwilligen Wachtel-Mann umzustimmen.
Bin ich froh darüber!
Der obligate Tessiner Risotto
Beim Risotto mit grünen Spargeln hat Roock dann ein klares Heimspiel: Auf den Terreni alla Maggia wachsen nicht nur grüne Spargeln und irgendein Reis, sondern der unter der Marke Riso Nostrano Ticinese da Risotto Loto vertriebene Gourmet-Reis! Die langkörnige Sorte eignet sich bestens für Risotto und hält locker mit anderen beliebten Reissorten wie Carnaroli oder Arborio mit.
Hauptgang aus dem Valle Verzasca
Für sein bis nördlich des Gotthards bekanntes Gitzi montierte Roock die grossen Gummistiefel und machte sich auf in unwegsames Gelände ins hinterste Verzascatal, um den bestmöglichen Lieferanten zu finden. Hier hinten versteckt sich nämlich die Nera Verzasca, eine Ziegenrasse mit ganz besonderen Eigenheiten...
Auf dem Teller geht die Hauptspeise dann etwa so:
Dazu trinkt der geneigte Leser einen lokalen Tropfen der Terreni alla Maggia. Ist ja klar. Wir starten mit einem „Castagneto", einem Chardonnay von 2014, und gehen dann zu einem „Querceto" über, einem Merlot von 2011.
Dessert mit einem extra Schuss
Nachdem das Amuse-Bouche bereits einen starken Hinweis bietet auf das feinmotorische Können in der Küche, gehen sie beim Dessert zum Schaulaufen über!
Praktischerweise brachte Roock vom Kempinski St. Moritz auch gleich seinen Chef-Patissier David Potier mit. Für einige der zweitwichtigste Mann in der Küche...
David Potier und seine Mannen geben alles, auch mal mit einem Schuss Essig im Dessert! Natürlich nur punktuell und nicht irgendeinen, sondern 20-Jährigen von einem vergessenen Tessiner Dachboden: Ein leidenschaftlicher Produzent aus Losone meinte, für seine Tochter die Mitgift in Form von Essig ansparen zu müssen. Als dann alles anders kam, sass er fassweise auf exzellentem Essig. Roock folgte seiner Nase, spürte ihn auf und überzeugte ihn, sein Lieferant zu werden...
So macht Mann das!
Damit niemand lange rätseln muss: Ja, auch der Rhabarber stammt natürlich aus dem Garten...
Vielen Dank Mattias Roock für die aufschlussreiche Führung durch die Küche und die zahllosen Anekdoten ;-)
Und wem das alles zwar zusagt, aber NOCH mehr Lokalkolorit wünscht: Der versuche doch mal das Abenteuer im abgelegenen Rustico des Hotels. Da fällt einem NICHTS mehr ein!