„It’s bout time we got
some airplay of our
version of events”
(Emeli Sandé – “Read all about it”)
Der Sommer in Neuengland ist heiß. Geradezu unerträglich heiß. Es ist 1945, der Zweite Weltkrieg gerade beendet, und die beiden Cousinen Nick und Helena machen sich auf in die weite Welt, um das zu entdecken, was gemeinhin als Leben bezeichnet wird.
So beginnt Liza Klaussmanns Roman Zeit der Raubtiere mit dem sie uns durch mehr als zwei Jahrzehnte amerikanische Geschichte führen wird. Dabei geht sie nicht chronologisch vor, sondern widmet vielmehr jedem der fünf Protagonisten einen Teil ihrer Geschichte. Lässt ihn oder sie aus ihrer Sicht erzählen, lässt sich Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln wiederholen.
Dabei ist wohl das entschiedenste Ereignis das aus dem Sommer 1959. Daisy und Ed, Nicks und Helenas Kinder, finden die brutal zugerichtete Leiche eines der portugiesischen Dienstmädchen. Schnell erheben sich erste Verdachtsmomente gegen einen möglichen Täter, doch im Vordergrund steht vielmehr der Schock, den dieses Erlebnis bei allen Beteiligten auslöst; und so rückt das Verbrechen mehr und mehr in den Hintergrund – Zeit der Raubtiere ist ganz eindeutig kein Krimi und will das auch nicht sein – zugunsten einer psychologischen Aufarbeitung des Sommers. Im Nachhinein gehen alle Konflikte immer wieder auf diesen einen Tag im Juli 1959 zurück, winden sich alle Charaktere nur um dieses eine Ereignis.
Liza Klaussmann gelingt es, jedem der fünf Charaktere eine ganz eigene Stimme zu geben und darüber hinaus, den Zeitgeist der 40er bis späten 60er Jahre genauestens wiederzugeben. Sie bringt uns dieses so komplizierte Familiengefüge näher, den Schmerz und die Liebe, die alle verbindet und auch auseinander treibt. Dabei lässt sie immer mehr der verborgenen Geschehnisse ans Licht kommen – bröckchenweise kommen wir der Wahrheit immer näher – wobei dieser Effekt noch dadurch verstärkt wird, dass der Roman keiner strikten chronologischen Linie folgt.
Zeit der Raubtiere ist ein atmosphärisch dichter Roman, stilistisch wunderschön geschrieben; berührend, aber niemals kitschig. Es ist ein letztendlich ein Familienroman, über die Bedeutung von Familie und was es bedeutet, wenn sie nicht so funktioniert, wie sie funktionieren sollte.
Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
Erschienen bei Droemer
September 2012
Aus dem Amerikanischen von Michaela Grabinger
Originalitel: Tigers in Red Weather
ISBN: 978-3-426-19951-0