Tanja Schindler
Mit ihrer „Ökowohnbox“ bieten die schweizerische Baubiologin Tanja Schindler und ihr deutscher Kollege Heiko Anken eine Antwort auf drängende Fragen nach zukunftsfähigen, sozial und kulturell nachhaltigen, bezahlbaren und gleichzeitig wohngesunden Lebensräumen unter Berücksichtigung sich wandelnder Familien- und Altersstrukturen. Nach der Planungs- und Realisierungsphase wird das Projekt nun auf Alltagstauglichkeit geprüft: Im schweizerischen Nänikon/Uster hat Mitinitiatorin Tanja Schindler den ersten Prototyp bezogen. Im Clayblog-Interview berichtet sie von Ihren Erfahrungen.
Frau Schindler, seit wann bewohnen Sie jetzt die Ökowohnbox?
Zeitweise habe ich die Box bereits im Januar bewohnt. Damals waren aber Heizung und Wasser noch nicht installiert. Der strenge Winter hat uns da in unseren Planungen etwas zurückgeworfen. Wirklich einziehen konnte ich dann Ende März.
Im Januar 2013 wurde in Nänikon/Uster die erste Ökowohnbox aufgestellt.
Sie „leben“ im Wortsinne ihr Projekt – wie fühlt sich das an? Bewähren sich ihre Ideen und Konzepte im Alltag?
Zunächst muss ich wirklich sagen: Ich habe noch nie so schön gewohnt! Ich nehme das ganz intensiv war, dass um mich herum ausschließlich natürliche und wohngesunde Materialien sind. Das fühlt sich phantastisch an. Die Haptik und das Raumklima sind spürbar angenehm. Natürlich stellen sich im Wohnalltag auch kleine kritische Details heraus, die man im Vorfeld so nicht hinreichend bedacht hat. Etwa, dass die Unterkante der Eingangstüre in lediglich zwei Millimeter Abstand nach innen über den Holzboden des Wohnbereichs schwenkt. Dass dort bei schlechtem Wetter sinnvoller Weise eine Fußmatte hingehört, hätte uns eigentlich klar sein müssen. Sie können davon ausgehen, dass es in der nächsten Ausführung der Box an dieser Stelle eine entsprechende Aussparung im Holzfußboden geben wird.
Apropos Alltag: Bei der Ökowohnbox haben wir es ja aktuell mit einem Prototyp zu tun, dessen Realisierung unter anderem durch das Sponsoring namhafter Hersteller möglich wurde. Ist denn zukünftig eine „Serienproduktion“ geplant?
Natürlich soll die Ökowohnbox kein reiner Selbstzweck sein. Mit unserem Prototyp haben wir zunächst die Machbarkeit dokumentiert. Mein Bewohnen der Box ist der nächste Schritt des Projekts. Das Erleben im Alltag hilft dabei, das Konzept zu perfektionieren. Unser Ziel ist es, allen Interessenten die Errichtung einer eigenen Box zu ermöglichen. Interessierte können sich an meine Firma Ökologische Raumgestaltung wenden: per E-Mail über [email protected] oder telefonisch unter 0041 79 7858480. Wir werden dann mit unseren Partnern in den verschiedenen Ländern den Kontakt herstellen. Wir möchten die Ökowohnbox immer möglichst in dem Land bauen, wo sie auch zu stehen kommt. Grundsätzlich kann eine solche Box überall auf der Welt gebaut werden.
Behaglich und effektiv: Grundofen mit CLAYTEC Stampflehm-Einfassung
Wie groß ist die Wohnfläche, und mit welchen Kosten und Bauzeiten muss ein potentieller Bauherr rechnen?
Die Wohnfläche beträgt 35 qm. Das mag im ersten Moment bescheiden klingen, stellt sich aber im Alltag als hinreichend geräumig dar. Dank detailliert geplanter, variabler Raumaufteilung wirkt die Box von innen deutlich größer. Besucher schätzen regelmäßig auf mehr als 50 qm Wohnfläche und sind immer überrascht, wenn sie die wahre Zahl hören. Der Zusammenbau einer Ökowohnbox ist innerhalb von zwei bis drei Monaten realisierbar, aufgestellt ist sie an einem Tag. Die Höhe der Baukosten hängt naturgemäß sehr stark von den ausgewählten Materialien und den gewünschten Details ab. Wir streben an, ein Grundmodul in einem Kostenrahmen von 80.000 bis 100.000 Euro zu realisieren. Dazu kommen dann noch weitere Kosten, beispielsweise für die Fotovoltaik etwa 20.000 Euro.
Energetisch handelt es sich um ein selbstversorgendes, autarkes System?
Weitgehend. Die Warmwasserbereitung erfolgt durch ein Solarmodul auf dem Dach, den Strom liefern Solarkollektoren. Beides funktioniert auch an einigermaßen hellen Wintertagen zuverlässig. Sollten über einen längeren Zeitraum sehr trübe und lichtarme Wetterlagen dominieren, greifen für beide Systeme die vorgesehenen Fallback-Möglichkeiten: nicht sofort genutzter Strom wird in einem Batteriepack zwischengespeichert, auch fürs Warmwasser gibt es einen Zwischenspeicher. Sollte dessen Kapazität einmal erschöpft sein, ist, für alle Fälle, ein Durchlauferhitzer integriert. Gekocht wird mit Gas, für die Wärme sorgt ein Grundofen, dessen Stampflehm-Einfassung als zusätzlicher Wärmespeicher wirkt.
Frühling in Nänikon: Leben in der Box als Praxistest
Wie ist bisher das Feedback, haben sich bei Ihnen schon Interessenten gemeldet, die mit dem Wohnen in der Box liebäugeln?
Das Interesse ist sehr groß, insbesondere seit die Box hier in Nänikon „in Natura“ in Augenschein genommen werden kann. Interessanter Weise kommen viele Anfragen aus einem Bereich, der für mich als Motiv in der Ursprungsphase des Projektes eine große Rolle spielte. Eine Idee bei der Konzeption der Box war die eines „Rückzugsraums“ für Familien. In demselben Maße, in dem heranwachsende Kinder im elterlichen Eigenheim zugleich mehr Freiraum und weniger elterliche Kontrolle für sich beanspruchen, steigt insbesondere bei vielen Müttern das Bedürfnis nach Schaffung einer „familiennahen“ Rückzugsmöglichkeit. Tatsächlich haben sich schon einige Mütter, die aktuell diesen Lebensabschnitt der Neuorientierung und Selbstbesinnung erfahren, bei mir gemeldet und um nähere Informationen gebeten.
Welche Möglichkeiten haben Interessenten, sich selbst vor Ort in Nänikon ein Bild zu machen vom Projekt Ökowohnbox?
Wir veranstalten regelmäßig Besichtigungstage, der nächste wird am Sonntag, 25. August, von 11 bis 16 Uhr stattfinden. Für Firmen, Vereine und Gruppen besteht zudem die Möglichkeit, telefonisch einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Wir freuen uns auf Besuch!
Kontakt/Info:
Projektleitung «ökowohnbox»
Tanja Schindler, Baubiologin SIB
Baumgartenweg 1, 8606 Nänikon
Telefon 0041 79 785 84 80
oekowohnbox.ch
[email protected]