Annie musste draussen bleiben.
Nach längerer Konzertabstinenz beginnt der "heiße Herbst" für den Bänkelsänger mit einem echten Klassiker: Phillip Boa wollte mit seinen Mitstreitern auf seiner "Best-Of-Tour" auch das münstersche Metropolis beehren und alle alle sind gekommen: Michael und Albert, Punch, Judy & Valerian, nur Annie durfte dieses Mal nicht dabei sein.
Doch nun von Anfang an:
In den heiligen Hallen durften sich zuvorderst "SASU" austoben, die als Post-Punk/Noise/Rock-Band fungieren können, da aber eine Antworten schuldig blieben. Leider kündigten sie sich aber weder selbst noch irgendeinen ihrer irgendwo in der Schnittmenge zwischen Placebo, The XX und Franz Ferdinand beheimteteten Songs an, lediglich ein flüchtiges "Hallo" und "Danke" des Gitarristen sorgte für eine Interaktion. Musikalisch war das alles sicherlich ganz manierlich, der Sänger machte mit seinem rumpelstielzchen-artigem Auftritt aber keine glückliche Figur, so dass keinerlei Funken zwischen Band und Publikum sprühten. Schade, das Potential war durchaus vorhanden.
Nach kurzer Umbaupause betrat dann der Zeremonienmeister selbst die Bühne, und schon begannen atemberaumbende 100 Minuten, die mit "Euphoria" eingleitet wurden, welches sich als grandioser Opener entpuppte. Danach ging's brachial weiter und Hr. Boa zeigte mal wieder, dass auch nach über 20 Jahren Voodooclub Songs wie "This Is Michael", "Albert Is A Headbanger" und vor allem "Fine Art In Silver" nichts von ihrer Intensität verloren haben und das zahlreich versammelte Auditorium so zu Begeisterungsstürmen bewegte.
Aber nicht nur die offenkundigen Klassiker sind es, die ein Boa-Konzert jedesmal so einzigartig machen. Altbekannte Hits und Evergreens werden von Boa immer wieder in neue Soundumgebungen gepackt und entfalten so live eine neue, meistens druckvollerere Renaissance. Bestes Beispiel: "Speed". In der aktuellen Machart perlen Schlagwerkaskaden brutal auf die mit mannigfaltigen Noisewirbeln verzierten, fast brutal klingenden Gitarren, Boas Stimme erhebt sich mehr als manisch über dieses Soundgewitter und zuckt und zittert sich durch dreieinhalb beindruckende Minuten. Davon können sich aktuelle Noise-Götter wie HEALTH oder die Liars eine beträchtliche Scheibe abschneiden. Oder "Punch & Judy-Club". Zierlich, bittersüß und sehr sehr sinnlich wurde hier performt, genau wie beim artverwandeten "Valerian" oder der etwas zu balladesk gerateten Version von "Deep In Velvet", mit der der gute Phillip immer wieder gerne seine Zugaben einleitet. Eine Neu- oder besser Wiederentdeckung gibt's natürlich auch: "Life After Being A Zombie" vom 90er Album "Helios" ist diesesmal der Song, der durch den Recyclingwolf gedreht wurde und hoffentlich wieder häufiger in die Setlist aufgenommen wird.
Beschlossen wurde dieser atemlose Abend wie nahezu immer mit dem nimmermüdewirkenden "Kill Your Idols", druckvoll, zeitlos, energetisch.
Fazit: Ein sehr gelungener Konzertabend, der keine Vorband gebraucht hätte. Eine fabelhafte Location (das Metropolis ist ein ehemaliges Kino mit ansteigendem Auditiorium und Empore und sehr ordentlicher Akustik sowie Platz für wohl so um 300-500 Mann). Ein sehr sehr gut aufgelegter Künstler und eine gut funktionierende, spielfreudige Band. Ein angenehmes Publikum, auch wenn ich mir den ein oder anderen Stage-Diving-Versuch verkniffen hätte. Eine Feststellung: Best-Of-Konzerte bieten keine Verschnaufpausen.
...und da "Annie" gestern draußen bleiben musste, gibt's jetzt Entschädigung: