Ein Abend mit alten Freunden.
Es muss Anfang der 2000er Jahre gewesen sein, als ich zum ersten Mal mit "In The Aeroplane Over The Sea" in Berührung gekommen bin, jenem Album welches, glaubt man einer erheblichen Anzahl an Musikern und einer noch erheblicheren Menge an Kritikern und Musikmagazinen einen mehr als ikonenhaften Status erreicht haben muss. Seit 2013 gibt es die dazugehörige Band Neutral Milk Hotel um den eigenbrödlerischen Mastermind Jeff Mangum wieder live zu bestaunen, Grund genug für den Bänkelsänger, den Musikern am vergangenen Montag im Kölner Gloria seine Aufwartung zu machen.
Den Aufgalopp für die aktuell fünf Fuzz-Folker machten die brasilianischen Boogarins, vier ziemlich haarige Gesellen, die ihre Psych-Rock-Variationen in ganz schön ausufernden Songs darboten und dabei schon für allerlei Kurzweil sorgten. Insgesamt ein feiner Aufgalopp, der aber die Spannung nur noch größer werden ließ.
Um kurz nach neun betrat dann Mangum die Bühne, in Landsteicheroutfit, mit Rauschebart und Cuba-Cap. Und dann sang er zur Gitarre das auch "In The Aeroplane Over The Sea" eröffnende "The King Of Carrot Flowers Pt. 1". Und auf einmal wurde man gewahr, dass sich da auf der Bühne etwas ganz Besonderes abspielen sollte. Ein paar Augenblicke später schon gesellten sich die restlichen Mitstreiter dazu, und während man den in die Musik einstimmenden Musikern dabei zusah, wie sie sich an Akkordeon, Bass, Banjo, Gitarre(n), Horn, Trompete, singender Säge, Schlagwerk und -zeug sowie diverser elektronischer Helferleins die Bälle zuspielten, sang sich Mangum die Seele aus dem Leib. Nicht nur, dass er das gesamte letzte Album zu Gehör brachte und spätestens beim waidwunden "O Comely" ganze Gänsehautgeschwader durch nicht gekannte Körperpartien jagte. Er sorgte auch für maximale Intensität in den auf dem Deütalbum "On Avery Island" befindlichen "Gardenhead/Leave Me Alone" und dem unglaublichen "Song Againt Sex". Es war dabei angenehm zu beobachten, wie das Publikum diese musikalische Spannung miterlebte, jeder neuen Facette, jedem neu dargebotenen Instrument wurde entweder direkt oder zum Ende des jeweiligen Stücks applaudiert. Davon gab es allerdings auch so unsagbar viele, dass alle aufzuzählen, den Rahmen sprengen würde. Doch allein zu beobachten, mit welcher Geschwindigkeit Julian Koster in den teils ineinanderübergehenden Stücken von der singenden Säge zum gestrichenen Banjo wechseln kann oder mit welcher Intensität Jeremy Barnes sein Schlagzeug bediente, lässt wahre Glückseligkeit sprießen. War es aber nicht auch Scott Spillane, der Mangum immer mal wieder stimmlos unterstütze und ihm wie ein soufflierender Geist zur Seite stand? Es war vermutlich von allem ein bisschen und mündete nach dem beschließenden "Snow Song, Part One" in eine berauschende Zugabe, die in "[untitled]" und dem daran anschließenden "Two Headed Boy Part 2" ein beinahe dronedurchzogenes Folkgewitter aufziehen ließ. Zum Schluß dann noch "Engine", dass von den sichtlich beseelten Musikern unter lauten Applausbekundungen fast schon zärtlich in das Auditorium gebracht wurde und, dass darf man ruhig noch mal so deutlich sagen, dass Konzert fulminant beendete.
Es wird immer einer dieser besonderen Konzertmomente bleiben, dieser 04.08.2014 im Gloria in Köln: so intensiv die Musik, so stark die Gefühle, so erlesen die Spannung. Das ist gut so, denn schließlich weiß man bei Neutral Milk Hotel nie wohin der Weg oder die Zeit sie führen wird. 15 Jahre sind schließlich eine lange Spanne.
Der vorzüglich intonierte Ohrenöffner stammt aus dem ersten Album "On Avery Island":