Quelle:
Ann Westphal
Autor:
Ann Westphal
Genre:
Liebesroman
„Verdammt, Herr Schrader! Was soll denn das?!“ Schwanzwedelnd und bellend sprang der Labrador an ihr hoch, als sie gerade einen Stapel Flyer aus dem Korb nahm. Caro drohte das Gleichgewicht zu verlieren und taumelte einen Schritt zurück auf den Gehweg. Die herannahenden Laufschritte hatte sie nicht mitbekommen. Der Jogger kam viel zu schnell um die Ecke und überrannte sie mit voller Wucht. Herr Schrader bellte weiter in heller Begeisterung. Flyer wirbelten durch die Luft. Ein Zusammenprall mit einem Sandsack beim Training war nichts dagegen.
Keuchender Atem, eine Männerstimme: „Fuck!“ Ein mächtiger Körper riss sie mit sich, drohte gemeinsam mit ihr zu straucheln, fing sich wieder. Muskulöse Arme, die sie hielten. Einer hatte sich um ihre Taille gelegt, der andere um ihre Schultern. Ihre Brille war verrutscht. Der überdimensionierte Sandsack an ihrer Rückseite atmete immer noch heftig, lockerte seinen Griff nur zögerlich, obwohl das schwankende Knäuel ihrer beiden Körper längst zum Stillstand gekommen war. Herr Schrader sprang völlig überdreht an dem dampfenden Etwas hinter ihr hoch. In ihrem Kopf beschwerte sich eine sehnsuchtsvolle Stimme über die Arme, die sie nun nicht mehr hielten. Sie ignorierte die Stimme.
„Können Sie nicht aufpassen? Haben Sie denn keine Augen im Kopf?“, fuhr sie den Jogger an. Während sie ihre Brille hochschob, drehte sie sich zum Zielobjekt ihrer Entrüstung um. Obwohl sie mit ihren ein Meter fünfundsiebzig nicht gerade zu den kleinsten Frauen gehörte, sah sie sich nur einem breiten Brustkorb gegenüber. Dieser steckte in einem verschwitzten Shirt und hob und senkte sich rasch. Entweder hatte der Mann keine Kondition, oder ein straffer Sprint lag hinter ihm. Dem Schwung nach zu urteilen, den er beim Aufprall draufgehabt hatte, dürfte Letzteres der Fall gewesen sein. Dumm nur, wenn man in so einem Tempo um eine nicht einsehbare Ecke raste, ohne vorher sicher zu gehen, dass hinter der Ecke nichts im Weg stand…
Von oben kam wieder die Stimme. Zu ihrem Ärger klang sie amüsiert und leicht überheblich: „Ich habe leider nur zwei Augen – ganz im Gegensatz zu Ihnen.“ Ärgerlich stemmte sie sich ihre Hände in die Seiten und blickte zur Quelle der Stimme hoch. Der Typ wagte es doch tatsächlich, frech zu grinsen. Dann zog er zu allem Überfluss auch noch seine Sonnenbrille ein Stück nach vorne, um ihr über den oberen Rand hinweg zuzuzwinkern. Blaugraue Augen – Ozean bei Windstärke zwölf auf der Beaufort-Skala. Wild. Gefährlich. Geheimnisvoll. Schon verschwanden sie wieder hinter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille.
Ihre Nerven – zum Zerreißen gespannt. Schon seit Tagen stand sie unter Strom wegen der Protestaktion und nun gleich so ein verkorkster Start: Ein ausflippender Hund. Ein Zusammenstoß mit einem sonnenbebrillten Athleten, der sie um mindestens einen Kopf überragte und sie festhielt als müsse er ihr Leben retten und sie dann noch ansah, als nähme er ihr Ertrinken in seinen Sturmaugen genüsslich in Kauf. Überall verstreute Flyer und wieder ein Hund, der sich nun überhaupt nicht mehr einkriegen wollte, als der Fremde in die Hocke ging und begann, ihn zu kraulen. Hallo? Herr Schrader, du kannst fremde Männer nicht ausstehen. Schon vergessen? Noch dazu Typen wie den da… Kraftstrotzend, eingebildet… verdammt sexy.
„Prachtvoller Kerl. Labrador, stimmt’s?“
Sie musste sich räuspern. „Stimmt.“
Er schob sich die Sonnenbrille in sein verstrubbeltes, vom Schweiß glänzendes, fast schwarzes Haar und sah zu ihr hoch, ohne jedoch Herrn Schrader die Aufmerksamkeit seiner Hände vorzuenthalten. Kundiger Hände, der hingebungsvollen Reaktion Herrn Schraders nach zu urteilen. Interessant. Aus dieser Perspektive vermittelten sein Augen einem nicht mehr diesen fatalen Eindruck, unmittelbar in einen Orkan geraten zu sein – akute Gefahr zu ertrinken bestand allerdings weiterhin. „Die mit dem schokobraunen Fell sind besonders hübsch“, stellte er anerkennend fest. „Wie alt ist er?“
„Sieben“, antwortete sie und hoffte, ihm würde ihre belegte Stimme nicht auffallen. Seine Blicke taten ihr eindeutig nicht gut. Geschäftig begann sie, auf die Jagd nach den herumliegenden Flyern zu gehen. Der Wettergott meinte es wenigstens gut mit ihr, vielmehr mit den Unmengen an Zetteln: Kein Lufthauch regte sich. Schweißtreibendes Wetter, noch schweißtreibendere Situation… Der Fremde stand auf – zum großen Bedauern von Herrn Schrader.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“
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