Fünf Jahre ist es her, dass Linna ihre Bandkollegen von einst zuletzt gesehen hat. Als "Linna singt" war die Band in ihrer Heimat Speyer sehr bekannt und stand kurz vor ihrem Durchbruch. Bis Linna plötzlich aus der Band ausstieg und damit den Traum aller Band-Mitglieder auf großen Ruhm platzen ließ. Doch nun findet sich die Band wieder zusammen. Für den ersten gemeinsamen Auftritt nach 5 Jahren ziehen sich alle in eine einsame Hütte in den Bergen zurück, um in Ruhe proben zu können. Doch es dauert nicht lange, bis alte Wunden wieder aufgerissen werden und die Musik nicht mehr im Vordergrund steht. Maggie, Jules, Falk und Tobi haben es auf Linna abgesehen und niemand scheint ihr Glauben zu schenken. Schnell steht sie völlig alleine da, doch es gibt kein Entkommen, denn die Fünf sind eingeschneit. Die Nerven aller liegen blank und so kommt es nach kurzer Zeit zu wüsten Anschuldigungen und Missverständnissen.
Bettina Belitz schafft es mit ihrem sehr gefühlvollem Schreibstil dem Leser Linnas Emotionen und Gedanken auf sehr prägnante Weise entgegen zu bringen. Man kann sich geradezu in Linna hineinversetzen und ihre zunehmende Verzweiflung deutlich spüren. Gleichzeitig wird anfangs eine gewisse Distanz zur Protagonistin aufgebaut, denn nur langsam erfährt man als Leser Genaueres über Linnas Hintergrund. Sie gibt gewisse Andeutungen, aber über ihre ganze Geschichte kann man nur spekulieren. Erst im Laufe der Geschichte taut Linna auf und gibt nach und nach mehr von sich preis. Gesteigert wurde für mich die Distanz zu Linna zu Anfang des Buches ebenfalls dadurch, dass sie mir zunächst sehr unsympathisch war. Sie unternimmt keinerlei Schritte, um ihren früheren Bandkollegen entgegen zu kommen, begrüßt diese nach fünf Jahren noch nicht einmal richtig. Im Gegensatz zu den anderen scheint sie stehen geblieben zu sein; sie hat Probleme anzuerkennen, dass die anderen erwachsen geworden sind und entgegnet diesem teilweise mit Unverständnis. So war es für mich nicht verwunderlich, dass sie von Anfang an von der Gruppe ausgegrenzt wird. Doch sobald die Gruppe auf der Berghütte ankommt, wendet sich das Blatt. Die Anschuldigungen beginnen und Missverständnisse entstehen. Die Probleme von früher sind wohl doch nicht aus der Welt geschafft und plötzlich wirken Maggie, Jules, Falk und Tobi gar nicht mehr so erwachsen - im Gegenteil. Linna ist scheinbar diejenige, die als einzige einen einigermaßen kühlen Kopf behält und dafür kann man sie nur bewundern. Da Linna ganz im Fokus der Geschichte steht und man nur über sie Details aus ihrem Leben und ihren Gedanken erfährt, lernt man die übrigen Charaktere nicht besonders gut kennen. Aber genau das macht die Geschichte so spannend. Jeder der vier anderen kann für die Psychospielchen und merkwürdigen Ereignisse, die geschehen, verantwortlich sein. Alle wirken oberflächlich so harmlos, aber man weiß, dass jemand unter ihnen ist, der Linna immer weiter bloßstellen möchte. Aber wer? Und was denkt sich derjenige als nächstes aus, um die Gruppe weiter auseinander zu treiben? Wem kann Linna trauen?
Fragen, die den Leser immer weiter treiben und Linna singt zu einer unglaublich spannenden Lektüre machen. Ausschließlich geht es jedoch nicht nur darum, wer es nun auf Linna abgesehen hat. So werden nebenbei ihre privaten Probleme thematisiert (denen am Schluss aber leider nicht mehr besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird) und eine zaghafte Liebesgeschichte nimmt ebenfalls ihren Lauf. Wirklich eine tolle Mischung! Ein Buch, das man richtig mitfühlt, das zu vielen Spekulationen einlädt und einige Überraschungen bereit hält.
4 von 5 Herzen
512 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag Verlag: Script 5 Erscheinungsdatum: 10. September 2012 Linna singt bei Amazon