1.3.2012 – Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt die Jugendverbände der im Bundestag vertretenen Parteien mit jährlichen Finanzzuschüssen. Hiervon sollen die Jugendorganisationen Bildungs- und Erziehungsaufgaben zur Stärkung des politischen Bewusstseins unter Jugendlichen finanzieren.
Während alle anderen Jugendverbände entsprechend gefördert werden, verweigert das Ministerium schon seit 2006 nur der Jugendorganisation der Linkspartei die Zuschüsse. Die Linksjugend ['solid] vertrete linksextremistische Positionen und werde vom Verfassungsschutz beobachtet, heißt es in der Begründung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sieht das anders und bringt jetzt Bewegung in die Angelegenheit.
Die linke Jugend geht leer aus
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Kristina Schröder fördert die Junge Union, die Jusos, die Jungen Liberalen und die Jungen Grünen jedes Jahr mit rund einer Million Euro. Nur die Jugendorganisation der Linkspartei geht leer aus, weil das Ministerium der Auffassung ist, dass die Standpunkte und Positionen der Linksjugend ['solid] nicht mit Steuermitteln unterstützt werden sollen.
Im Jahr 2006 hatte der Jugendverband beim Ministerium 64.000 Euro für politische Bildungsarbeit beantragt und war damit auf Ablehnung gestoßen. In der Begründung hieß es, die Linksjugend ['solid] werde durch den Verfassungsschutz beobachtet, vertrete linksextreme Positionen, trete für zivilen Ungehorsam ein und berufe sich auf Marx. Sämtliche Folgeanträge der linken Jugendorganisation waren durch das Bundesministerium ebenfalls zurückgehalten worden.
Die Linksjugend ['solid] klagte seit 2006 gegen diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. Im November 2009 entschieden die Richter, dass die Ablehnung durch das Ministerium rechtswidrig sei. Gegen dieses Urteil legte das Bundesministerium jedoch Berufung ein.
Gestern wurde das Verfahren nun vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verhandelt. Ein Urteil wurde hierbei zunächst noch nicht gefällt, da die Richter den Parteien die Möglichkeit geben wollen, sich außergerichtlich zu einigen. Die eigentliche Entscheidung soll in zwei Wochen verkündet werden. Bereits jetzt ließ das Gericht allerdings erkennen, dass es im Sinne der Linksjugend ['solid] urteilen wird.
Marxismus ist nicht grundgesetzfeindlich
Konkret äußerten sich die Richter gestern über zwei verschiedene Aspekte:
Zum einen halten sie die derzeitige Praxis der Förderung der Jugendverbände für unzulässig. Diese würden mit den Geldern des Ministeriums ihre Vorstände und Parteiaktivitäten finanzieren, obwohl die Mittel eigentlich für Bildungs- und Erziehungsaufgaben bestimmt seien. Insofern handle es sich um eine getarnte Parteienfinanzierung. Das Ministerium von Kristina Schröder hat es bisher versäumt, über die konkrete Verwendung der Fördermittel Rechenschaft zu verlangen. Es sei nur oberflächlich geprüft worden.
Zum anderen machten die Richter darauf aufmerksam, dass für die Bewilligung entsprechender Fördermittel der Grundsatz der Gleichbehandlung gelten müsse. Es stünde dem Ministerium nicht zu, sich zum Richter über Meinungen zu machen. In den Schriften und Grundsätzen der Linksjugend ['solid] sei nicht von einer Abschaffung der Demokratie die Rede und radikale Kritik an den Verhältnissen bedeute nicht den Sturz des Systems.
Es sei vielmehr gerade ein Vorzug der Jugend, sich für radikale Positionen einzusetzen. Diese seien durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Der Marxismus sei eine Überzeugung und keine Grundgesetzfeindlichkeit. Insofern hätte die Linksjugend ['solid] durch das Ministerium gefördert werden müssen.
In den kommenden zwei Wochen haben das Ministerium und der Jugendverband nun die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Bleibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Kristina Schröder bei seiner bisherigen Haltung, dann stehen die Chancen gut, dass die Richter ein Machtwort sprechen und damit nach sechs Jahren endlich für Verteilungsgerechtigkeit sorgen.