Vom “Vergnügen”, ein Linker zu sein – Über Erfahrungen als Rechts- und Linkshänder
Aus einem Restaurant kommend, so die Legende, ging Amerikas Baseballstar Joe Di Maggio auf einen Bettler zu und wollte ihm eine Dollarmünze zustecken. Als der Mann seine linke Hand ausstreckte, soll Di Maggio den Bettler angezischt haben: “Verhungere, du linkshändige Bestie!” Baseballfans wussten, warum ihr Liebling so missmutig, ja feindselig reagierte. Mit linkshändigen Pitchern nämlich hatte Di Maggio über Jahre hinweg höchst unliebsame Erfahrungen gemacht. Werfer dieser Gattung galten und gelten als unberechenbar, gefährlich und deshalb für besonders gut geeignet, dem Gegner böse Überraschungen zu bereiten.
Von Vorurteilen bestimmt, galt Linkshändigkeit einst als Zeichen von Schwäche, Krankheit oder gar seelischer Abwegigkeit, “die bis hin zum Stottern führen kann”. Links wird vielfach noch gleichgesetzt mit linkisch, links liegen lassen, zwei linke Hände haben, linker Typ; rechts dagegen verbindet man mit normal, richtig, rechtschaffen. Ein Vergleich aus dem Englischen: A left-handed compliment heißt soviel wie: ein unaufrichtiges Kompliment mit doppelsinniger Bedeutung. In der Armee Friedrichs des Großen soll die Zahl linkshändiger Deserteure auffallend groß gewesen sein. Und schließlich noch ein Satz aus der Schöpfungsgeschichte der nordamerikanischen Irokesenstämme: “Die böse Macht des Linkshändigen ist in jedem Menschen vorhanden.” Linkshändigkeit ist in unserer genormten Gesellschaft nach wie vor ein streitbares Thema. Leonardo da Vinci, Albert Einstein, Pablo Picasso, Greta Garbo, Charlie Chaplin – die Liste prominenter Linkshänder könnte spielend verlängert werden. Doch im Alltag werden sie häufig noch schief angesehen, es sei denn, man hat es im Tennis mit Monica Seles, Martina Navratilova, John McEnroe oder Goran Ivanisevic zu tun – raffinierte, temperamentvolle Zauberer in diesem Spiel.
Konsequent auf Bessners letzte Feststellung, Linkshänder stünden beim Spiel immer verkehrt zu ihren Partnern, was auf Dauer keinen Spaß mache, hieß: Sich erneut fügen, wieder gegen sein Naturell ankämpfen. Und zwischendurch an Ben Hogan denken. Hogan war dreizehn, als er begann, rechts zu spielen. So ähnlich könnte die Geschichte mit Amerikas Präsidenten Ford, Bush und Clinton verlaufen sein. Alle drei Linkshänder, von denen aber jeder rechtshändig golft.
In einem medizinischen Fachbuch steht zu lesen, “Linkshänder dürfen nicht auf den Gebrauch der rechten Hand umgestellt werden (und umgekehrt), denn dies bedeute einen der massivsten unblutigen Eingriffe in das menschliche Gehirn, mit verschiedenen Primär- und Sekundärfolgen”. Clubpros indes führen als Argument ins Feld, für Linkshänder sei rechtshändiges Golf deshalb empfehlenswert, weil der linke Arm und die linke Hand die Feinmotorik des Spiels steuert. Statistiken zu dieser Diskussion finden sich nirgendwo. Schätzungen werden angeboten. Weltweit soll es etwa 10% Linkshänder geben. Tatsächlich, behauptet Dr. Barbara Sattler von der Beratungsstelle für Linkshänder in München, sollen es dreißig bis fünfzig Prozent sein. In deutschen Golfclubs sind die Außenseiter rar. Unter 800 Mitgliedern spielen im Durchschnitt etwa acht bis zehn linkshändig, beim GC Starnberg zählte Head-Pro Christoph Kilian die Rekordzahl von 15 Linkshändern. Selbst wenn es doppelt so viel wären, käme keiner von ihnen ganz nach oben, das jedenfalls die Meinung von Bernhard Langers Trainer Willi Hofmann. Die Ergebnislisten bedeutender Turniere weisen nach, dass außer dem Neuseeländer Bob Charles (1963 Britisch Open Sieger) noch nie ein Linkshänder ein Major-Turnier für sich entscheiden konnte. Der Amerikaner Phil Mickelson ragt aus der jungen Generation heraus. Noch als Amateur gewann er 1992 die Tuscon Open. Ein Virtuose im links- wie rechtshändigen Spiel ist Mac O’Grady, USA. Auf der US-Tour gilt er als Spieler mit dem idealen, beidseitigen Schwung, sozusagen ein später Schüler Platons, von dem der Satz überliefert ist: “In der Ästhetik ist die Symmetrie die Grundlage der Ordnung und Vollkommenheit.” Dazu sollte man wissen, dass sich O’Gradys Spiel in Laufe von Jahren bis hin zur Verzweiflung verschlechterte, so dass er begann linkshändig zu golfen.
Hier sei’s gestanden: Einer der umgeschulten bin ich, Über 30 Jahre “rechtes Spiel”, jetzt, versuchsweise, endlich mal links. Welch interessante Herausforderung, sich auf diese Weise von der anderen Seite kennenzulernen! Irritationen bleiben allemal. Denn kein Golfguru garantiert den Erfolg. Am Ende bist immer noch du, mit all deinen Schwächen und Fehlern, der spielt. Tröstlich scheint für alle Fälle die Bemerkung eines amerikanischen Freundes zu sein (Linkshänder, Handicap 4), der sagt: Es ist besser, auf der falschen Seite zum Ball zu stehen und richtig zu schwingen, als umgekehrt. So oder so bleibt das zweifelhafte Vergnügen, ein Linker zu sein. Und natürlich bleibt auch das skeptische Staunen der Andersartigen über Bewegung und Eigenheiten einer kompakten Minderheit.
© Copyright: Harry Valérien Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 5. April 1993, S. B 7
In diesem Sinne
Euer Stephan