Während es unvorstellbar wäre, vor dem Parlament im Grundsatz über die Programme der Union, der SPD, der FDP oder der Grünen zu debattieren, nahm niemand Anstoß daran, die Leitlinien der Linkspartei auf den parlamentarischen Prüfstand zu stellen.
DIE LINKE hat angemessen auf diesen Affront reagiert: Statt sich beleidigt zu geben, erschien die Fraktion fast vollständig im Plenum und quittierte jedes Zitat aus dem Programm mit herzlichem Applaus und Rufen der Zustimmung.
Regierung, SPD und Grüne schickten hauptsächlich ihre weniger prominenten Vertreter an das Pult. Dort ereiferten sie sich keifend und geifernd über Staatssozialismus, DDR und Mauer. Für die Linkspartei sprach der Abgeordnete Stefan Liebich. Ohne sich von der aufgeheizten Bierzeltstimmung anstecken zu lassen, führte er souverän durch das neue Grundsatzprogramm.
Mauer, Schießbefehl, Bananen und eine federleichte Ost-Mark
Bei der Beantragung der aktuellen Stunde ging es der Regierungskoalition wohl hauptsächlich darum, Medien und Öffentlichkeit eine Vorlage zu liefern. Alleine von der Ankündigung einer solchen Veranstaltung geht ein deutliches Signal aus. DIE LINKE und ihr Programm werden an den äußersten Rand des demokratisch Legitimen gedrängt.
Damit knüpft die Regierung unmittelbar an die antikommunistischen Traditionen der letzten 100 Jahre an. Da das Grundsatzprogramm jedoch endgültig jeglicher Verbindung mit Stalinismus und Staatssozialismus eine Absage erteilt hat, wird aus der berüchtigten K- kurzerhand die S-Frage abgeleitet.
Da die aktuelle Stunde vorrangig dem Zweck diente, die Linkspartei in den Medien auch weiterhin als vermeintlich antidemokratische Kraft im Gespräch zu halten, fiel sowohl das Interesse der Antragssteller, als auch der SPD und der Grünen an der eigentlichen Veranstaltung, eher mäßig aus. Vor den annähernd leeren Plätzen im Parlament schickte man lediglich die zweite Garde der Abgeordneten ins Rennen.
Diese durften sich nach Herzenslust austoben und ihren antilinken Ergüssen freien Lauf lassen. Dabei wurde annähernd jedes Klischee bedient. Von einer Rückkehr zum Staatssozialismus war hier die Rede, von Mauerbau und Schießbefehl, von der berechtigten Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz, von den Schrecken der Vergesellschaftung und vom bananenlosen Alltag der DDR. Selbst die Ostmark kam nicht ungeschoren davon und wurde aufgrund ihres geringen Gewichtes an den parlamentarischen Pranger gestellt.
Nur der Sprecher der Sozialdemokraten hüllte sich in Schweigen und verzichtete nach wenigen Worten auf seine Redezeit: Als erklärtem Gegner von Hartz IV, Privatisierung, Rente mit 67 und dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan wäre es von dem AfA Vorsitzenden Klaus Barthel wohl zu viel verlangt gewesen, in die allgemeinen Sozialismus-Schelte einzustimmen.
Der Wahlkampf 2013 wird Chefsache sein
Über zwei Dinge konnte die Scheindebatte allerdings nicht hinwegtäuschen: Erstens lassen die etablierten Parteien deutlich ihre Angst vor einer jetzt endlich geschlossen auftretenden LINKEN erkennen. Die Einigkeit in Bezug auf das am Wochenende verabschiedete Programm wird es der Partei künftig ermöglichen, den Menschen im Lande zu zeigen, wer tatsächlich für ihre Interessen und Bedürfnisse eintritt.
Zweitens wird deutlich, dass es in Deutschland höchste Zeit für eine starke sozialistische Partei wird, deren künftiger Aufstieg selbst vom traditionellen westdeutschen Antikommunismus nicht gebremst werden kann.
Hierzu muss DIE LINKE ihre neue Geschlossenheit beibehalten und auf inneren Zwist in Detailfragen verzichten. Sie muss und sie wird den Menschen erklären, dass der demokratische Sozialismus kein wieder auferstandenes Gespenst aus 40 Jahren DDR-Geschichte, sondern die moderne Interessenvertretung der Schwachen, der Rechtlosen, der Elenden und der Unterdrückten in unserer Gesellschaft ist.
Viel mehr ist angesichts der bedrückenden Lebensumstände von immer mehr Menschen nicht erforderlich, um die neoliberalen Kräfte 2013 wieder selbstbewusst und souverän vor sich herzutreiben. Die zweite Garnitur der parlamentarischen Vertreter wird dann nicht mehr ausreichen, um den Menschen weiterhin Sand in die Augen zu streuen und ihnen ihre Stimmen für die Fortführung einer Politik abzuringen, die den Reichen und Mächtigen zu immer mehr Geld und Macht verhilft, während die Mehrheit der Bevölkerung hierfür aufkommen muss.
Der Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl wird Chefsache sein. Merkel, Steinbrück und andere werden bereits jetzt in Strategie-Meetings zusammensitzen und sich angestrengt Gedanken darüber machen, wie sie eine endlich geeinte LINKE in den Griff bekommen können. Es wird spannend.