Eugen Huber. (Wikicommons)
Das Nidelbad in Rüschlikon ZH, 1872. Die 21-jährige Lina Weissert weilt zur Badekur und bekommt von einem Unbekannten ein Gedicht zugesandt. Die erste der sechs Strophen, in denen der Unbekannte auch einige Anspielungen auf sich selber unterbringt, lautet: "Für manchen Becher, den Du ihm/ mit Freundlichkeit gebracht/ Hat jetzt ein alter Freund/ Still sinnend Dein gedacht." Lina Weissert ist Serviererin im Café von Tobel-Boller an der Schifflände in Zürich. Seit gut 20 Jahren wissen wir auch, wer ihr das Gedicht geschrieben hat. Nämlich der Dichter Gottfried Keller. Er verkehrt in dem Café an der Schifflände und hat sich offenbar in die mehr als 30 Jahre jüngere Frau, eine Deutsche aus Heilbronn, verliebt. Ein Jahr nach ihrem Kuraufenthalt macht er ihr gar einen Heiratsantrag; natürlich weiss Weissert da längst, wer ihr das Gedicht zueignete. Sie aber entscheidet sich für einen anderen prominenten Verehrer, den Juristen Eugen Huber; 1876 heiraten die beiden. Im Nachlass von Huber, Verfasser des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ist das Gedicht später wieder aufgetaucht.PS. Heute gehört das Nidelbad dem Schweizer Diakonieverein und ist ein Gästehaus. Gefunden habe ich die Episode mit dem Gedicht in der Festschrift "Wasser, Quelle des Lebens - 500 Jahre Nidelbad" von Daniel L. Vischer aus dem Jahr 2004.