Ich bin ehrlich: Daß die E-Plus Gruppe jemals die von VIAG-Interkom (heute Telefonica-o2) „erfundene“ „Homezone“ bringen würde, hätte ich nicht mehr gedacht.
Festnetz 2 Go von BASE (E-Plus)
Als VIAG Interkom im Jahre 1999 (angekündigt wurde es schon 1998 zum Netzstart) seine „Genion“-Homezone als Vorbote der viel diskutierten „Fixed-Mobile-Integration“ auf den Markt brachte, wurden sie von der Konkurrenz still belächelt, von Fans geliebt.
Eines der größten Hürden, um auf dem neuen Handy erreicht zu werden, war gefallen: Die absurd hohen Anrufpreise zu Mobilfunk (die sich aus dem Festnetz je nach Anbieter und Tarif bis heute kaum geändert haben), ließen sich auf einmal ohne Tricks umgehen.
Befindet sich der „Genion“-Kunde in einer Parzelle, die Homezone, ist er unter einer lokalen Festnetzrufnummer erreichbar. Außerhalb dieser Parzelle kann eine Ansage kommen „Nicht erreichbar“, oder die Mailbox dran gehen „Sie erreichen mich unter Mobilfunk 01… “ oder „Hinterlassen Sie eine Nachricht“) oder man kann auch den Anruf gegen saftige Kosten (je nach Tarif 19 Cent/Minute) weiterleiten lassen.
Bald entdeckten findige Tüftler die „bundesweite Homezone“. Man nehme ein o2-Genion-Handy, lege es eingeschaltet und mit Empfang (!) in die Homezone und leite es auf ein zweites o2-Handy um. Sofern man noch einen alten Tarif hat, wo o2-interne Umleitungen kostenlos sind (neuere Tarife berechnen das längst!) …
Telekom (Ende 2007) und Vodafone (Anfang 2005) folgten relativ spät. Deren Produkte gibt es zwar bis heute, aber aus der öffentlichen Wahrnehmung sind sie weitgehend verschwunden. Hier und da verkaufen noch Drückerkolonnen ahnungslosen Festnetzkunden einen „Vodafone zu Hause“ Anschluß als Festnetzersatz, ohne Rücksicht, ob die Netzversorgung auch im Haus ausreicht oder ob die dazu gegebene Adapter-Box überhaupt zuverlässig funktioniert.
Das bundesweite Homezone-Konstrukt ist bei Vodafone aufgrund der absurd hohen Tarifierung für Umleitungen nie möglich gewesen (die Kostenrechner hatten Schweißtropfen auf der Stirn, ob der möglicherweise entgehenden Interconnect-Einnahmen), bei der Telekom ist die Möglichkeit bei älteren Tarifen mit kostenloser netzinterner Umleitung noch gegeben, bei neueren jedoch nicht (mehr).
Nun – nach 12 Jahren – kommt E-Plus mit seiner Marke BASE daher und sagt: Wir geben Euch eine Festnetznummer und leiten diese permanent und dauerhaft auf Dein E-Plus/BASE Handy um und fertig. Einzige Einschränkung: Die Festnetznummer gibts nur an Deiner Meldeadresse (das will die BNetzA so) und wenn Du in Deinem Tarif keine Flatrate gebucht hast, kostet Dich die Festnetznummer 5 Euro im Monat, sonst ist sie inklusive. Mit bereits gebuchter Flatrate die Festnetznummer als Bonbon kostenlos obendrauf.
Wohnst Du in München, bist Du unter 089… erreichbar, egal, ob Du in Garmisch, Gardelegen oder Gainsville (USA) bist, in letzterem Falle fallen allerdings dann ankommende Roaming-Gebühren für den E-Plus/BASE Kunden an, wie sonst auch, wenn er dort über seine Handy-Vorwahl erreicht worden wäre.
Mit der Festnetznummer trifft E-Plus voll den Nerv der interessierten und informierten jungen Zielgruppe, die gerne ihr Festnetz aufgeben würden, wenn sie denn unter einer Festnetznummer erreichbar wären. Erst kürzlich war E-Plus mit einer GfK-Umfrage in die Öffentlichkeit getreten und da schien eigentlich klar und eindeutig, daß die Substitution des Festnetzes durch Mobilfunk nur durch eine festnetzgünstige Erreichbarkeit möglich wäre.
GfK Umfrage für E-Plus: 30% würden ihr Festnetz sofort aufgeben
Bei Anrufen vom Festnetz zum Mobilfunk wird ein höherer Interconnect fällig, der lag mal bei weit über 10 Cent (netto) pro Minute. Die Mobilfunker begründeten das damit, daß sie ja höhere Netzaufbaukosten haben, während im Festnetz quasi vieles schon „da liegt“…
In den letzten Jahren ist dieser Interconnect drastisch gesunken und EU und die BNetzA haben mehrfach betont , daß am Ende der Interconnect zum Mobilfunk genauso hoch wie der zum Festnetz werden soll.
Bereits 2009 hatte E-Plus bei der BNetzA einen Antrag gestellt, daß bei Schaltung einer Festnetznummer zum E-Plus-Netz ein niedrigerer Interconnect berechnet werden darf und das wurde auch genehmigt.
Da E-Plus historisch aber nie etwas mit Festnetz zu tun hatte (im Gegensatz zu den andern Dreien), taten sie sich immer schwer, hier zu wettbewerbsfähigen Konditionen mitmachen zu können. Stattdessen pfiffen sie laut im Walde „Das braucht doch keiner, wenn nur die netzinternen Tarife supergünstig sind, dann greifen alle Leute zu E-Plus“. Falsch gedacht war das nicht und bescherte ihnen lange Zeit rasante Zuwächse. Nur manche Kunden kamen mit der viel diskutierten „Netzqualität“ nicht so richtig klar und setzten auf Telefonica-o2, welche bessere Netzqualität bei gleichen oder sogar günstigeren Preisen in Aussicht stellten Und lange ging diese Rechnung ja auch irgendwie auf.
Erste Experimente mit der Festnetznummer gab es selbst bei E-Plus schon recht früh. Mit einer fixen Umleitung einiger ausgewählter E-Plus-Mitarbeiter, deren heimische Festnetz TAE-Dose verplompt und deren Anschluß regulär zu E-Plus umgeleitet wurde. Über diesen Test und seine Ergebnisse wurde nie etwas in der Öffentlichkeit bekannt, vermutlich waren die Umleitungskosten damals einfach viel zu hoch und wer hätte damals die Festnetzrufnummern kostengünstig bereitstellen und verwalten können?
Nun also nach 12 Jahren ist man auch auf dem E-Plus-Handy seit dem 1.9.2011 „festnetzgünstig“ erreichbar. Die Rufnummern sind bei der Firma SNT-Multiconnect geschaltet. Wenn abgehend vom E-Plus-Handy telefoniert wird, sehen die Angerufenen weiterhin die Mobilfunknummer, das ist technisch derzeit auch gar nicht anders machbar und verhält sich somit genauso wie bei D1, D2 oder o2.
Wenn künftig viel mehr Leute über die Festnetznummer auf dem Handy anrufen, wird das der BNetzA und der EU Wasser auf ihre Argumentationsmühlen schütten: „Ach sieh mal an: Es geht auch zum „normalen“ Festnetzinterconnect, nun dann senken wir den Mobilfunk-Interconnect mal weiter“.
Und wenn dieser Interconnect eines Tages gleich ist, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob wir eine strikte Trennung von Festnetz- und Mobilfunkrufnummern überhaupt noch brauchen.
Und brauchen wir dann noch die historisch begründete Trennung von Ortsnetzen mit eigener Vorwahl? Oder wird dann der Tag x kommen, wo man einfach eine Rufnummer bekommt, die man dorhint „lenken“ kann, wo man erreichbar ist oder erreichbar sein will? Wird man als Hamburger seine Rufnummer samt der Vorwahl (040-12345…) eines Tages einfach so nach München mitnehmen können? Im Mobilfunk geht das schon heute.
Brauchen wir dann noch Rufnummerkreise wie 032? Reicht da nicht 0700 oder wird selbst das überflüssig?
E-Plus hat mal wieder ein kleines Erdbeben in der Branche ausgelöst, das zum Erdrutsch führen kann.
Es hängt nun davon ab, ob das E-Plus-Netz dem möglichen Ansturm neuer Kunden gewachsen sein wird. Ansonsten wirds zu unfreiwilligen Promotion-Aktion für die „incumbent“ Anbieter aus Bonn und Düsseldorf-Seestern.
Spannend auch die Frage, ob und wann ein „bundesweite Homezone“ Produkt ohne Tricks und doppelten Boden bei den andern Anbietern kommen wird. T-Mobile bot das vor seit einiger Zeit in Österreich für 8 Euro im Monat an. Hierzulande jedoch nie. In Österreich ist das Angebot spurlos von der T-Mobile Seite verschwunden. Kommt es in 12 Jahren trotzdem noch in Deutschland oder doch etwas früher?
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