LIEBESABENTEUER IN HONG KONG

Jutta steht vor den Trümmern ihrer Liebe zu Ralph. Um ihr Ungemach zu vergessen, geht sie nach Hong Kong. Dort macht sie eine unerwartete Bekanntschaft …

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Jutta sah traurig auf den festlich mit Blumen und Kerzen gedeckten Tisch. Ralph wollte zum Abendessen kommen, nachdem sie sich fast zwei Wochen nicht hatten sehen können, aber er hatte schon eine Stunde Verspätung. Wahrscheinlich war ihm wieder einmal etwas dazwischengekommen.

Würde er überhaupt noch kommen? Den ganzen Tag hatte sie sich auf diesen Abend gefreut, jetzt bildeten sich dicke, schwarze Wolken am Horizont ihrer seit einigen Monaten arg gebeutelten Seele.

“Ralph Lindermann, du Kerl”, sagte sie laut vor sich hin, “lange mache ich das aber nicht mehr mit!”

Sie sagte das immer bei solchen Gelegenheiten, aber wenn er dann kam, das wusste sie leider ganz genau, würde sie ihm doch wieder alles grossherzig verzeihen.

Sie hatte den 40-jährigen, gutaussehenden Architekten im letzten Frühjahr auf Ibiza kennengelernt. Er war allein. Sie auch. Aus dem heissen Flirt war eine grosse Liebe geworden. Erst während des Rückflugs nach Frankfurt hatte er ihr gestanden, dass er verheiratet war. Sie hatte seine Worte noch im Ohr, zumal er sie oft wiederholte: “Hoffentlich ändert das nichts zwischen uns, Liebling!” Er hatte hinzugefügt: “Du musst wissen, dass meine Frau und mich längst nichts mehr miteinander verbindet. Der Beweiss: Wir verbringen den Urlaub seit Jahren getrennt. Unsere beiden Kinder sind gross, 15 und 17 Jahre alt. Silke hat schon oft von Scheidung gesprochen, es wird eine reine Formsache sein.”

Jutta war damals trotzdem niedergeschmettert gewesen, und er hatte sich entschuldigt, es ihr nicht gleich gesagt zu haben. Aber es sei doch so unwichtig. Was allein zählte, seien sie beide. Sie solle Vertrauen zu ihm haben.

Was blieb ihr anderes übrig, als ihm und seinen Worten zu vertrauen? Nie in ihrem 25-jährigen Leben hatte sie sich derart verliebt.

Sechs Monate waren seit Ibiza vergangen. Irgendwie klappte es nicht mit der Scheidung, und sie mochte auch nicht mehr fragen, weil Ralph sich dann immer aufregte. Was sie besonders belastete: Jedes Wochenende und alle Feste verbrachte er mit seiner Familie. “Der Kinder wegen”, entschuldigte er sich, und das verstand sie natürlich.

Er ging auch nie mit ihr aus. Sie trafen sich bei ihr. Natürlich auch nur aus Rücksicht auf die Kinder, die nicht unter den Eheschwierigkeiten ihrer Eltern leiden sollten. Nur, wenn sie allzu niedergeschlagen war, machte er wieder Versprechungen, vertröstete sie auf später: “Bald werden die Kinder aus dem Haus sein, dann brauche ich keine Rücksicht mehr zu nehmen”, versicherte er ihr. Aber manchmal fragte sie sich, ob sie ihm noch Glauben schenken konnte …

Es klingelte. Rasch zündete sie die Kerzen an und stürzte zur Tür. Sie war so glücklich, dass er doch noch kam! Er stand vor der Tür. Er sah blass aus, und eine steile Falte hatte sich in seine Stirn eingegraben. Ihren Kuss erwiderte er nur flüchtig: “Was ich jetzt brauche”, sagte er dumpf, “ist ein Whisky!”

Sie hatte immer eine Flasche seiner Lieblingsmarke da. Sie schenkte ihm ein, liess ein paar Eiswürfel ins Glas fallen. Sie wartete, bis er getrunken hatte, nahm ihren ganzen Mut zusammen und fragte: “Ist etwas nicht in Ordnung, Ralph?”

Er trank noch einen Schluck und lachte bitter auf: “Silke erwartet ein Baby! Sie hat es mir gerade eben gesagt.”

“Ein Baby?” fragte sie fassungslos. “Von wem denn?”

“Von mir, natürlich!”

Sie starrte ihn an: “Aber Ralph, du hast mir doch gesagt, dass ihr schon lange nicht mehr …”

“Es muss passiert sein, als wir mit Freunden gefeiert und ein bisschen getrunken hatten. Herrgott, wenn ich gewusste hätte … Aber das ändert natürlich nichts zwischen uns, Liebling!”

Sie war aufgestanden und ging im Zimmer auf und ab. Endlich blieb sie vor ihm stehen, holte tief Luft und sagte mir leiser, aber fester Stimme: “Wenn ihr das getan habt, ich meine, wenn ihr miteinander geschlafen habt, dann müsst ihr doch noch etwas füreinander empfinden. Und wenn euer Zusammensein Folgen gehabt hat, musst du die Konsequenzen ziehen. Genau wie ich. Bleib bei ihr, Ralph. Ich hätte mich von vornherein zurückziehen sollen, gleich als du mir gestanden hast, dass du verheiratet bist. Geh, ich will dich nicht mehr sehen!” Sie fühlte sich zum Heulen elend.

“Das ist doch nicht dein Ernst?” Ralph versuchte, sie an sich zu ziehen, aber sie wich ihm aus, gab ihm seine Jacke und schob ihn sanft zur Tür hinaus.

Während ihr die Tränen über die Wangen liefen, bliess sie die Kerzen aus, deckte den Tisch ab und räumte die Küche auf. Dann entkleidete sie sich und kroch ins Bett. So verzweifelt und unglücklich hatte sie sich in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt …

Am nächsten Morgen fasste sie einen Entschluss: Sie würde in der Bank bitten, dass man sie ins Ausland schickte. Weit fort. Sie wollte soviel Abstand wie möglich zwischen Ralph und sich legen …

_ _ _

Sie trat aus dem Bankgebäude auf die Strasse hinaus. Lärm und schwüle Hitze empfingen sie. Um sie herum wimmelte es von Menschen, Autos und Fahrrädern. Bimmelnd fuhr eine der doppelstöckigen Strassenbahnen vorüber.

Jutta war seit zwei Wochen in Hong Kong, und jeden Tag nach der Arbeit ging sie auf Entdeckungsreise, liess sich meistens einfach vom Strom der Menschen treiben. Sie hörte auf die fremden Laute, atmete die exotischen Gerüche ein.

Sie hatte längst die Hauptstrasse verlassen und sich in den engen Gassen der Altstatt verloren. Sie kam an Suppenhändlern und Garküchen vorbei, Läden reihten sich an Werkstätten und Restaurants an kleine Hotels. Hier war kein Europäer mehr zu sehen. Endlich blieb sie stehen und sah sich um. Sie wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Es war längst dunkel geworden, und ihr war unheimlich zumute.

Sie presste ihre Handtasche an sich und ging rasch, mit gesenktem Kopf, weiter. Sie hoffte, bald wieder auf eine grosse Strasse zu kommen. Plötzlich prallte sie mit jemandem zusammen. Zwei Männerarme umfingen sie und liessen sie vorsichtig wieder los.

“Sorry”, entschuldigte sie sich und hob endlich den Kopf. Der Mann lächelte. Er war gross, schlank und dunkelblond und hatte blaue Augen.

Erleichtert fragte sie auf Englisch: “Könnten Sie mir sagen, wo ich mich befinde? Ich habe mich verlaufen.”

“Wo möchten Sie denn hin?” wollte er wissen.

“Nach Hause.”

Ehe sie ihre Adresse sagen konnter, hatte er sie schon erkannt und grinste: “Wir wohnen im selben Haus und sind uns schon ein paarmal im Fahrstuhl begegnet. Ich heisse übrigens Thomas Germer.”

“Jutta Rode”, stellte sie sich ebenfalls vor. Es war ihr peinlich, dass sie sich nicht an ihn erinnern konnte.

“Guten Abend, Landsmännin”, lachte er da schon. “Wo wir nun im wahrsten Sinne des Wortes aufeinandergestossen sind, könnten wir vielleicht zusammen essen gehen? Ich bin auf dem Weg zu meinem Lieblingsrestaurant.”

Zehn Minuten später sassen sie sich in einem kleinen Restaurant gegenüber und liessen sich Frühlingsröllchen und eine ausgezeichnet zubereitete Pekingente zu Reis schmecken. Ein alter Ventilator mühte sich in einer Ecke ab, und die aus einem Lautsprecher rieselnde chinesische Musik sorgte für die Lokalnote.

“Was machen Sie hier in Hong Kong?” fragte er interessiert.

“Ich arbeite als Bankkauffrau in der hiesigen Niederlassung unserer Bank. Und Sie?”

“Als Diplom-Kaufmann im Export. Seit wann sind Sie denn hier?”

“Seit vierzehn Tagen. Und Sie?”

“Seit einem Monat. Hong Kong hat mich schon immer fasziniert. Vorher war ich ein Jahr in den Vereinigten Staaten und davor ein Jahr in Brasilien. Mit meinen 28 Jahren möchte ich noch viel von der Welt sehen.” Spontan fügte er hinzu: “Ich verstehe die Leute nicht, die ihr ganzes Leben lang in Deutschland hocken bleiben, womöglich früh heiraten und Kinder bekommen. Zum Beispiel möchte ich unbedingt noch Australien kennenlernen. Aus welchem Grund sind Sie denn hierher gekommen?”

Im gleichen Ton antwortete sie: “Liebeskummer. Eine unglückliche Erfahrung mit einem verheirateten Mann.” Sie lächelte ihn an und fasste zusammen: “Sie haben also mit Liebe noch nichts und ich nichts mehr im Sinn!”

“Dann passen wir ja ausgezeichnet zusammen und könnten einander Gesellschaft leisten”, grinste er jungenhaft. “Es gibt so viel zu sehen hier, und allein ist es bestimmt nicht so lustig.”

Von jetzt an sahen sie sich jeden Abend und ausserdem jedes Wochenende. Sie schlenderten gemeinsam durch die malerischen Strassen von Hong Kong, in denen sich eine Verkaufsbude an die andere reihte. Ein anderes Mal fuhren sie mit der Zahnradbahn auf den Viktoria Peak. Unter ihnen lagen die Stadt und der belebte Hafen. Sie erlebten einen atemberaubend schönen Sonnenuntergang, während der Wind sanft ihr Haar zersauste, sie in tiefen Zügen die würzige Luft einsogen und die fremdartige Schönheit der Landschaft genossen.

Jutta fühlte sich hier oben wie von Glück beseelt, und dieses intensive Glücksgefühl, stellte sie überrascht fest, hatte zum ersten Mal in ihrem Leben als erwachsene Frau nichts mit einem Mann zu tun!

Am nächsten Wochenende wanderten sie zum alten Fischerhafen von Aberdeen. Sie speisten in einem der von tausend Lampions feenhaft beleuchteten schwimmenden Restaurants. Unvermittelt fragte Thomas: “Na, fängst du endlich an, diesen blöden Ralph zu vergessen? Du erzählst schon seit ein paar Tagen nichts mehr von ihm.”

Sie lächelte ihm zu: “Stimmt. Ein Zeichen, dass es mir schon viel besser geht.”

“Das wurde auch Zeit”, brummte er gutmütig und fügte hinzu: “Wenn mir dieser Kerl einmal über den Weg laufen sollte, werde ich ihm gehörig meine Meinung sagen. Der hat dich doch an der Nase herumgeführt!”

Wieder einmal war Jutta dankbar, Thomas begegnet zu sein. Mit ihm erlebte sie Freundschaft pur. Ihm konnte sie alles anvertrauen, konnte endlich sie selbst sein.

Oft badeten sie an den Gestaden des südchinesischen Meers. Sie schwammen um die Wette, bespritzten sich, lachten und alberten herum wie Kinder und lagen zum Schlusss faul und schläfrig in der Sonne.

“Für morgen”, sagte er, als sie an einem Samstagabend von einem ihrer Streifzüge durch die alten Stadtteile von Hong Kong zurückkamen, “schlage ich eine Fahrt auf’s Festland zu den New Territories vor.”

Jutta war sofort einverstanden. Sie fuhren mit der Bahn zum Festland und nahmen von dort den Bus, weil er die schönere Strecke befuhr. Sie kamen an terrrassenförmig angelegten Reisfeldern vorüber und sahen Wasserbüffel, die von Kindern angetrieben wurden. In Sha Ha Wai stiegen sie aus, schlenderten durch die Steingassen des Dorfes, in denen Frauen Gemüse putzten, ihre Babys nährten oder Wäsche wuschen. Später erklommen sie eine Treppe bis zum Kloster der Tausend Buddhas, einem rosa angestrichenen fünfeckigen Bau mit weissen Balkonen und kleinen Nischen, in denen Buddha-Figuren standen.

Müde und erfüllt von neuen Eindrücken kehrten sie abends nach Hong Kong zurück. Sie assen in ihrem Lieblingsrestaurant zu Abend und trennten sich im Fahrstuhl. Thomas musste zuerst aussteigen. “Gute Nacht, Jutta. Bis morgen!”

“Schlaf du auch gut. Es war ein wunderschönes Wochenende”, lächelte sie und gähnte herzhaft.

Eine Etage höher stieg sie aus. Im Flur brannte Licht, und ein Mann stand vor ihrer Wohnungstür. Erschrocken blinzelte sie: Es war Ralph!

Was wollte er hier? Und wie hatte er ihre Adresse herausbekommen?

“Wie kommst du denn hierher?” fragte sie, als er vor ihr stand. “Und wer hat dir meine Adresse gegeben?”

“Guten Tag, Jutta”, sagte er, und beim Klang seiner warmen, tiefen Stimme begann ihr Herz zu klopfen. “Es war nicht leicht, deine Adresse herauszubekommen”, fuhr er fort, “aber du kennst mich ja, so schnell gebe ich nicht auf. Und ich bin gekommen, weil ich dich sprechen muss.”

Sie schloss die Wohnungstür auf: “Also gut, komm herein.”

Schweigend stand er jetzt im Wohnzimmer.

“Bitte, komm zur Sache. Was hast du mir zu sagen?”

“Hast du ein Glas Kognak für mich?”

“Ich habe nur Reisalkohol da.”

Er zog eine Grimasse und seufzte: “Na gut, der tut’s auch.”

Während sie ihm ein kleines Glas einschenkte, merkte sie, dass ihre Hand zitterte. Betroffen fragte sie sich, ob Ralph immer noch Macht über sie besass.

Er trank das Glas mit einem Zug leer, schüttelte sich und sagte dann: “Silke hat eine Fehlgeburt gehabt. Sie hat die Scheidung eingereicht.” Jetzt sah er Jutta an und lächelte: “Freust du dich nicht? Jetzt steht unserem Glück nichts mehr im Weg, Liebling.”

Sie war wie betäubt. So lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, und jetzt wusste sie nicht, was sie sagen sollte.

Es klopfte. Sie ging zur Tür und öffnete. Thomas stand davor und fragte: “Ich habe keinen Kaffee mehr für morgen früh, könntest du mir welchen borgen?” Dann fiel sein Blick auf Ralph. Schweigend musterten sich die beiden Männer. Jutta zog es vor, sie nicht miteinander bekannt zu machen. Sie lief in die Küche und kam mit einem Päckchen Kaffee zurück, das sie Thomas in die Hand drückte: “Bis Morgen”, sagte sie und schloss eilig die Tür.

“Wer war das?” fragte Ralph mit finsterem Gesicht.

“Ein Nachbar”, erwiderte sie. “Ein guter Freund.”

“Guter Freund?” fuhr er auf. “Wo gibt’s denn das, dass ein Mann und eine Frau nur gut Freund sind?”

“Bei Thomas und mir.”

“Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen: Du hast dich also schon anderweitig umgesehen.”

Wie kam Ralph dazu, sich in ihr Leben einzumischen? Mit fester Stimme erwiderte sie: “Und wenn es so wäre? Was würde sich denn ändern? Wir haben uns vor einiger Zeit endgültig getrennt, Ralph, bitte, vergiss das nicht. Ich bin absolut frei und dir in keiner Weise Rechenschaft über mein Leben schuldig.”

“Du hast mich nie geliebt! All deine Worte waren gelogen”, brach es aus ihm heraus.

Erschrocken sah sie ihn an. Sein Gesicht war hart und verschlossen, seine Lippen schmal, und sein Blick ging feindselig über sie hinweg. Er war tatsächlich eifersüchtig. Rasend eifersüchtig. Wo war der Ralph, den sie früher kannte? Der Charmeur, der gutaussehende, zärtliche Draufgängertyp, in den sie sich einst bis über beide Ohren verliebt hatte?

“Ihr Frauen seid doch alle gleich”, stiess er wütend hervor. “Ihr seid eiskalt und spielt uns nur eine Kommödie vor!”

Endlich hatte sie sich gefangen. Sie stemmte ihre Arme in die Hüften und funkelte ihn an: “Weisst du, woraus meine Kommödie bestand, als ich noch mit dir zusammen war? Ich machte immer gute Miene zum bösen Spiel, entschuldigte alles, nahm alles hin. Weil ich dich liebte und du mich gebeten hattest, Vertrauen in dich zu haben. Du dagegen hast mich von Anfang an belogen!” Heftig atmend schloss sie: “So, es hat mir wahnsinnig gut getan, dir das endlich einmal zu sagen!”

Verdutzt sah er sie an, dann sagte er leise: “Aber ich liebe dich, Jutta!”

“Wenn das Liebe ist, dann danke ich bestens. Wie kommst du eigentlich dazu, mir eine Eifersuchtsszene zu machen? Eine unbegründete dazu? Ausgerechnet du, der du doch deine Frau betrogen hast?” Leiser fügte sie hinzu: “Leider mit mir. Ich schäme mich. Lässt deine Frau sich meinetwegen scheiden?”

“Da kann ich dich beruhigen: Ich habe ihr nie etwas von dir erzählt”, erwiderte er eisig.

Sie starrte ihn an, wusste nicht, ob sie böse oder erleichtert sein sollte. Schliesslich sagte sie tonlos: “Geh mir aus den Augen, Ralph. Geh schnell, ehe ein Unglück passiert!”

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Als er gegangen war, liess sie sich in den Korbsessel fallen. In ihrem Kopf herrschte ein schmerzvolles Durcheinander. Heute sah sie Ralph endlich so, wie er wirklich war. Einschmeichelnd, rücksichtslos und egoistisch. Sicher hatte er seine Frau nicht nur mit ihr betrogen. Sie empfand Zorn, aber seltsamerweise auch Mitleid. Es war offensichtlich, dass er nicht einmal glücklich war.

Es war jetzt fast Mitternacht. Sie griff zum Telefon und tippte Thomas’ Nummer ein. Er hob sofort ab: “Ja, Jutta?”

“Entschuldige die späte Störung. Könntest du raufkommen?” bat sie mit erstickter Stimme.

Als er sie sah, nahm er sie nur in seine Arme und sagte leise: “Wein nur, es wird dir gut tun.”

“Es war Ralph”, schluchzte sie.

“Ich hab’s mir gedacht. Ich bin unten fast verrückt geworden.”

“Ich hab ihn weggeschickt.”

“Es ist ja gut”, murmelte er, “es ist vorbei.” Er führte sie zum Sessel und drückte sie hinein. Dann kniete er vor ihr nieder und tupfte ihr mit einem Tuch zart die Tränen fort. Sie fühlte eine nie gekannte Wärme bis zu ihrem Herzen aufsteigen.

“Thomas”, flüsterte sie, “bleibst du bei mir diese Nacht?”

Am nächsten Morgen wachte sie in seinen Armen auf. Es war eine Liebesnacht gewesen, wie sie sie vorher nie erlebt hatte. Thomas war der rücksichtsvollste, zärtlichste und leidenschaftlichste Liebhaber, den sie sich vorstellen konnte. Sie stützte sich auf, sah ihn lächelnd an und sagte: “Ich wusste gar nicht, wie schön Liebe sein kann.”

Er zog sie zu sich hinunter und sagte ernst: “Hast du Liebe gesagt? Bei mir ist es nämlich Liebe. Seit langem. Ich mochte nur nichts sagen, weil wir doch dieses lächerliche Abkommen getroffen hatten: dein Liebeskummer, mein Freiheitsdrang.”

“Und was machen wir jetzt?” fragte sie.

Er zeichnete mit leichten Fingern ihre Lippen nach und grinste ein wenig: “Eigentlich hat ein bürgerliches Leben in Deutschland auch etwas für sich. Mit Heiraten und Kinder bekommen. Wenn ich es mir recht überlege, ist es das grösste Abenteuer überhaupt.”

“Da könntest du recht haben”, erwiderte sie. “Ich war auch etwas voreilig, als ich sagte: nie wieder …”

“Du willst also?”

Lächelnd nickte sie und protestierte dann lachend, weil er sie in seinen Armen vor lauter Liebe fast erdrückte …

ENDE

 


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