Liebes Rübchen...

Von Nadine M Helmer

...ein Brief von Deiner Mama übers Loslassen und Vertrauen

Endlich waren wir im Riesenfahrradladen, damit ich dir deinen heißesten Geburtstagswunsch erfüllen kann. Ein Fahrrad mit Sandalen, wie du immer so schön sagst. Mit dem Laufrad bist du ja schon lang ziemlich flott unterwegs. Und weil deine Mama bisweilen streng-ehrgeizig ist, sollst du keine Stützräder kriegen. Ich weiß nämlich, dass du es bestimmt schnell raushast, dass Du nicht umfällst. 

Du steigst probehalber auf und fällst schon mal um.

Blöd gelaufen. 

Ich fange dir den Mut wieder ein und schiebe dich quer und hin und her durch die Halle. Und bin fast erstaunt, dass du tatsächlich schon ein paar Meter schaffst, bevor du ins Schuhregal rauschst. Ich sehe, dass du auch ein bisschen schwankst zwischen dem Gefühl, das du alle zwei Minuten mit uuaaaaaahh!! beschreibst und der Lust, jetzt was zu probieren. 

Es erinnert mich ein wenig an die Zeit, in der du laufen gelernt hast. Spät warst du dran, aber ich habe immer gewusst, dass du dein eigenes Tempo hast. Im gewissen Maß habe ich mich auf dich, was du kannst und wer du bist, verlassen. Mit anderthalb haben wir die Überweisung zum Neurologen und Ergotheraputen bekommen. Ich war mir immer sicher, das ist Quatsch. Ich kann dich nicht zwingen. Und du hast das allergrößte Potenzial, wenn

du deinen eigenen Plan fahren kannst. Du kuckst lieber länger und machst es dann gescheit. Ein Vierteljahr vor deinem zweiten Geburtstag bist du wörtlich aufgestanden und losgedackelt. Das hat mich bestärkt, dich einfach machen zu lassen und dich so zu nehmen, wie du bist. Auch wenn ich oft verführt bin, dich anzuschubsen. Ich hoffe so, dass du das fühlen kannst, dass deine Mama dir vertraut.

Du hast dir das rote Fahrrad ausgesucht und jetzt standen wir vor dem Laden und eine eeewig lange freie Strecke liegt vor uns. Du ziehst den Helm an und sagst: los Mama! Ich halte dich fest, renne, gebe Anweisung, nach vorne zu kucken. Ich habe plötzlich ein bisschen Angst vor unserer Courage, was ist, wenn du hinfällst...? Ich renne, du strampelst und dann kommt der Moment, wo ich weiss, ich kann dich loslassen, dass du es allein schaffst, ohne Mama, die dir nur einen Schubs ins radfahrende Leben gegeben hat. Und du fährst mir davon und klingelst und siehst aus wie das stolzeste Mädchen der Welt. Und hinter dir steht die stolzeste Mama der Welt, die grade wieder ein Stückchen der unsichtbaren Nabelschnur durchgeschnitten hat.