Liebe Uta Griechen, es ist wirklich vergebliche Liebesmüh‹…

griechen_schneider_coverWEIMAR. (fgw) …mit einem katho­li­schen Religionslehrer einen welt­an­schau­li­chen Dialog füh­ren zu wol­len. Das möchte man aus­ru­fen, denn ein ande­res Fazit kann der Rezensent nach Abschluß der Lektüre des Buches mit dem sehr sper­ri­gen Titel »Gibt es Gott, und wenn ja, warum nicht?« nicht zie­hen. Die dem Rezensenten per­sön­lich bekannte Uta Griechen aus Jena hat hier den zwi­schen 2009 und 2011 geführ­ten Brief- bzw. Mailwechsel mit einem Religionslehrer aus Bayern in Buchform kom­pri­miert. Allerdings mußte für die Publikation der Name des Ko-Autors geän­dert wer­den.

Uta Griechen, Jahrgang 1951, war bis zu ihrer Berentung Chemielaborantin an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität. Nebenher beschäftigt(e) sie sich inten­siv mit phi­lo­so­phi­schen Fragen, also auch mit Weltanschauungen und Religionen. Ihre kri­ti­schen Standpunkte konnte und kann man regel­mä­ßig in ihren Leserbriefen an die Thüringische Landeszeitung zur Kenntnis neh­men. Und so war es kein Wunder, daß diese geis­tig rege Frau, gemein­sam mit ihrem Mann, zu den Mitbegründern des Humanistischen Verbandes (HVD) und der Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in Thüringen gehörte.

Uta Griechen liest viel, sowohl reli­gi­ons­kri­ti­sche als auch unzäh­lige pro-christliche Schriften, um sich aus dem pro und con­tra ein noch bes­ser fun­dier­tes eige­nes Bild machen zu kön­nen. Und so stieß sie auch auf ein Büchlein eines katho­li­schen Religionslehrers aus Bayern. Dessen Aussagen hat­ten sie so sehr pro­vo­ziert, daß sie unbe­dingt den Autor kon­tak­tie­ren und mit ihm über des­sen Werk dis­ku­tie­ren wollte.

Gleich im Vorwort geht Uta Griechen auf eine kle­ri­kale Aussage ein, daß der Atheismus auch nur eine Art Religion sei. In der ihr eige­nen, humor­vol­len, Art kon­tert sie: »Das ist natür­lich Blödsinn, denn dann könnte man zum Beispiel ›Nichtbriefmarkensammeln‹ auch als Hobby bezeich­nen.«(S. 13/14)

Und zu ihrem Anliegen schreibt sie wei­ter: »Unser Dialog ver­deut­licht, daß ›nicht­re­li­giöse‹ Menschen ebenso wie Gläubige das Bedürfnis ver­spü­ren kön­nen, ihre Weltsicht zu erklä­ren und mit Begeisterung dafür zu strei­ten. In der Realität sind es ja meist die Gottesfürchtigen, wel­che die Auffassung ver­tre­ten, ihre allein selig­ma­chende abso­lute Wahrheit mis­sio­na­risch ver­brei­ten zu müs­sen.« Etwas spä­ter wird Uta Griechen sehr deut­lich mit die­ser Formulierung: «…es ist ein Denkfehler, der Intoleranz von Religionen mit Toleranz begeg­nen zu wol­len.« (S. 15)

Sie spricht damit nicht zuletzt den (Irr-)»Glauben« vie­ler Menschen, bis hin zu füh­ren­den Politikern z.B. der Thüringer LINKEN, an: daß sie glau­ben, »daß die Kirche doch so viel Gutes tut und Fürsprecher der Armen und Schwachen ist« und daß diese Menschen daher den kirch­li­chen Machtapparat unkri­tisch (und teil­weise sogar unter­tä­nigst; SRK) akzep­tier­ten. (S. 15)

Auf den Inhalt der mehr­jäh­ri­gen Korrespondenz soll nicht groß ein­ge­gan­gen wer­den. Aber ein Beispiel soll Uta Griechens Argumentationsweise zum Ausdruck brin­gen. „Schneider« hatte sich wort­reich über Wunder aus­ge­las­sen, die sei­ner unum­stöß­li­chen Meinung nach die Existenz (eines, sei­nes, des ein­zi­gen; SRK ) Gottes bewei­sen wür­den.

Sie schreibt: »Den Zirkelschluß pro­du­zie­ren eigent­lich nur Sie selbst: ›Gott voll­bringt Wunder, und weil es Über­na­tür­li­ches gibt, muß auch ein Schöpfer exis­tie­ren.‹ Anders aus­ge­drückt: Gott schuf die Naturgesetze, um durch deren Außerkraftsetzen (Wunder) seine Existenz zu bewei­sen. Es ist aller­dings unsin­nig, Gott mit Gott bewei­sen zu wol­len. (…) Humorvoll betrach­tet haben Sie natür­lich recht, denn Glauben ist immer ein­fa­cher (ein­fäl­ti­ger) als Wissen und auch nicht auf Argumente ange­wie­sen (selig sind die, die glau­ben, ohne zu sehen!).« (S. 46)

Und hier ein Beispiel für „Schneiders« schlimme Demagogie: „Was erwar­ten Sie eigent­lich von einer ent­christ­lich­ten Gesellschaft? Blühende Landschaften fröh­li­cher, auf­ge­klär­ter Menschen? Nichts könnte nai­ver sein. Wenn es in Deutschland keine Christen mehr gäbe, wären die meis­ten Menschen Esoteriker oder Muslime. Wäre Ihnen das lie­ber?« (S. 61)

Also sind, extrem zuge­spitzt, die Milliarden von Menschen, die nicht dem Christentum anhän­gen (z.B. Chinesen, Japaner, Hindus, Buddhisten, Naturreliöse, Ahnenkultler etc.) lt. Schneider keine voll­gül­ti­gen Menschen. Schließlich gibt es auf unse­rer Erde nicht nur das Land Deutschland mit nur etwa ein Prozent der Erdenmenschen als Bewohnern…

Uta Griechen kon­tert »Schneiders« Attacke ganz sach­lich und vor allem aus einer uni­ver­sa­len Welt-Sicht her­aus: »Von einer freien, auf­ge­klär­ten Menschheit ohne Religionen (es geht nicht nur um das Christentum, son­dern um jede Art von Aberglauben) erwarte ich zumin­dest, daß die von die­sen aus­ge­hen­den blu­ti­gen Kämpfe auf­hö­ren könn­ten.« (S. 65)

Irgendwann endet die Korrespondenz abrupt, weil der ver­suchte Dialog doch nur ein dop­pel­ter Monolog bleibt. Nicht, daß man anein­an­der vor­bei­re­det, nein, weil es für »Schneider« nur eine, und zwar seine abso­lute, Wahrheit gibt. Er will unbe­dingt wis­sen, warum Uta Griechen sich nicht bekeh­ren las­sen will und der­glei­chen mehr. Ihre prä­zi­sen Antworten akzep­tiert er nicht. Und zugleich weicht er bis zuletzt ihrer wohl wich­tigs­ten Frage aus, wel­ches »Erweckungs-« oder »Offenbarungserlebnis« er denn gehabt habe, das ihn zum (Hardcore-; SRK) Katholiken gemacht habe. Wobei »Schneider« in sei­nen letz­ten Mails immer mehr die Contenance ver­liert und sich schließ­lich nahezu unge­schminkt in Beleidigungen ergeht…

Für das Buch haben beide Autoren ihrer Korrespondenz noch je ein per­sön­li­ches Plädoyer ver­faßt.

Zunächst »Schneider« in der ihm eige­nen äußerst ver­eng­ten Weltsicht: »Die Frage nach Gott ist ent­we­der die mit Abstand wich­tigste Frage für die Menschheit als Ganzes und jeden Menschen per­sön­lich - oder aber der größte Irrtum der Menschheitsgeschichte.« (S. 195) Was hier objek­tiv aus­schaut, ist es aller­dings nicht, son­dern nur gekonnte Rhetorik zur Diffamierung des Kontrahenten. Denn, so »Schneider« wei­ter, gibt es gar wirk­li­chen keine Atheisten, son­dern z.B. »Atheisten, die eigent­lich schon an Gott glau­ben, sich aber mit die­sem über­wor­fen haben.« (S. 195)

Schlimm, denn der katho­li­sche Religionslehrer nimmt wie­der ein­mal die gesamte Menschheit in christ­li­che Geiselhaft, obwohl sich die angeb­lich wich­tigste Frage der Menschheit für die Mehrheit der Menschheit gar nicht stellt (Polytheismus, Naturreligionen, Ahnenkultler, Buddhisten, Konfuzianer etc.). Und wohl selbst den meis­ten nomi­na­len Christen dürfte sich eine sol­che Frage nicht stel­len…

Aber, und hier kommt »Schneiders« arro­gante, ver­querte Art voll durch, indem er im vor­letz­ten Absatz Uta Griechen, und mit ihr alle reli­gi­ons­freien Menschen, der »Kleinheit des Denkens« (S. 196) bezich­tigt. Nebenher bekennt er sogar unge­wollt Farbe, daß er mit dem »Dialog« auch beab­sich­tigt habe, Uta Griechen zum Christentum zu bekeh­ren. Also, Dialog nur, wenn damit ein Missionierungsziel ver­bun­den wer­den kann. Das sollte man sich mer­ken, wenn Kleriker »Dialog« ein­for­dern.

Uta Griechen geht ihrer­seits durch­aus sach­lich auf das Entstehen von Religionen ein, und wel­che Funktionen diese in archai­ischen und ande­ren vor­mo­der­nen Gesellschaften zu erfül­len hat­ten: Religionen als Menschenwerk zum Regeln des Zusammenlebens in frü­hen soziale Gemeinschaften. Sie schreibt aber vor allem mit Bezug auf die Gegenwart auch dies: »Wenn von Heilspredigern stets betont wird, der Mensch brau­che Utopien, muß einen Sinn in sei­nem Leben sehen, er brau­che Hilfe, Angenommensein und Zuspruch, so ist das natür­lich alles rich­tig, aber lei­der wird dadurch noch lange nicht die Existenz eines Gottes bzw. von Engeln oder dem Teufel Realität.« (S. 198/199)

Was sie vor­nehm weg­läßt: Mit sol­chen Predigten will doch jede Priesterkaste nur eines errei­chen; daß sie auf Kosten ihrer gläu­bi­gen Untertanen ein satt­zu­frie­dens Leben füh­ren kann, daß sie mög­lichst unge­hin­dert über Individuum, Gesellschaft und Staat herr­schen kann…

Was die­ses Buch für reli­gi­ons­freie und/oder kir­chen­kri­ti­sche Menschen wert­voll macht, das ist das sinn­lich spür­bare Erleben, wie sich Kleriker Dialoge mit Anders- und vor allem mit Nichtgläubigen vor­stel­len. Ja, einer­seits ist man for­mell höf­lich, respekt­voll, aber ande­rer­seits wird stets von oben herab, von der Kanzel herab, monologisiert/gepredigt. Auf Argumente wird nicht ein­ge­gan­gen; nein, diese wer­den nicht bloß vom Tisch gewischt, sie wer­den auch noch her­ab­ge­wür­digt. So wenn aus­ge­rech­net ein katho­li­scher Theologe, für den aus­schließ­lich die Bibel zählt, in völ­li­ger Umkehrung des Tatsächlichen von einer natur­wis­sen­schaft­lich und phi­lo­so­phisch argu­men­tie­ren­den Atheistin »offe­nes Denken« ein­for­dert, sie und andere des Dogmatismus zeiht.

Es fällt schwer, »Schneiders« Auslassungen zu lesen, es kommt ein­fach geis­ti­ges Mißvergnügen über dera­rige bor­nierte, igno­rante Arroganz auf. Aber eben des­halb sollte man gerade seine Texte beson­ders auf­merk­sam lesen. Denn hier zeigt sich neben theo­lo­gi­scher Rabulistik hoch drei auch, wel­ches hand­werk­li­ches Können in Rhetorik und Polemik die Priesterkaste in rund zwei­tau­send Jahren erreicht hat.

Uta Griechen scheint das auch erkannt zu haben, denn sie benennt „Schneiders« Äuße­run­gen nicht nur ein­mal ganz deut­lich als »meta­phy­si­sche Verbalakrobatik«.

Daß ein sol­cher »Dialog« schei­tern mußte, liegt nicht zuletzt in bei­der Herangehensweise begrün­det: Während sie immer wie­der zu erklä­ren und zu begrün­den ver­sucht, auch mit Hilfe von Zitaten bekann­ter Natur- und Geisteswissenschaftler, ja sogar mit Hilfe von Humor und Witz (Esprit), bleibt er bei der Verkündung abso­lu­ter Wahrheiten, denn »es steht ja geschrie­ben« in einem hei­li­gen Buche. Und wäh­rend sie tat­säch­lich auf ihr Gegenüber ein­geht, weicht er eigent­lich fast immer aus. Und was der katho­li­sche Religionslehrer abso­lut nicht ver­ste­hen kann, das ist der Humor. So schlimm, daß Uta Griechen von einem bestimm­ten Zeitpunkt an humo­rige Stellen bewußt in Klammern gesetzt als Witz aus­weist. Und (nicht nur) sie erkennt, daß sich Glauben/Religion und Humor aus­schlie­ßen, zumin­dest in Klerikerkreisen. So wie auch Glauben und Wissen zwei ver­schie­dene Paar Schuhe sind.

Eben weil aus dem Dialog doch nur zwei Monologe gewor­den sind, ist der Rezensent zu sei­ner eben­falls etwas sper­ri­gen Über­schrift gekom­men.

Siegfried R. Krebs

Uta Griechen und "Johannes Schneider": Gibt es Gott, und wenn ja, warum nicht? Atheistin und gläubiger Katholik im Briefstreit. 248 S. Klappenbroschur. Tectum-Verlag. Marburg 2013. 19,95 Euro. ISBN 978-3-8288-3160-5

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

Siehe auch Uwe Lehnerts Rezension des Buches beim hpd.


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