Liebe und Hiebe – Geschwister unter sich

Neulich erzählte ich Euch hier über die Autonomiephase meiner Tochter und über den aktuellen Gemütszustand meines Sohnes. Die beiden sind momentan oft ziemlich übel gelaunt. Ich bin überzeugt, dass die schlechte Laune des einen, oft mit der Wut der anderen zusammenhängt. Denn wenn wir ehrlich sind, ist Pusteblumes Wutphase gerade echt anstrengend. Uns zerrt das an den Nerven. Sehr sogar. Warum also sollte es nicht auch dem Wildfang an die Substanz gehen? Natürlich. Ich bin mir sicher, da liegt der Hase im Pfeffer.Nicht, dass ich der Kleinen für irgendetwas die Schuld in die Schuhe schieben will. Nein, keineswegs. Wir wissen nun mal, dass die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ein sehr wichtiger Schritt ist – aber eben auch eine gewisse Unruhe mit sich bringt. Das Tochterkind schreit viel, weil sie mit sich und der Welt gerade total unzufrieden ist. Nichts kann man ihr gerade recht machen. Die Dauerbeschallung, die daraufhin folgt, führt bei uns allen zwangsläufig zu schlechter Laune. Nicht immer will die junge Dame sich trösten lassen. Doch lassen wir nichts unversucht. Und der Moment, in dem sie wieder zur Ruhe kommt, lässt uns alle aufatmen.

Wenn sie so schreit, passiert es inzwischen nicht selten, dass der Wildfang sich in sein Zimmer zurückzieht und sein Hörspiel laut aufdreht. Er sucht Ruhe, blendet den Lärm aus. Verständlich. Denn manchmal würde ich auch am liebsten die Flucht ergreifen, ganz ehrlich.

Nicht selten – wenn er gerade seine Ruhe haben will – möchte sie auch in sein Zimmer. Er brüllt sie dann an: „Geh weg!“ Und sie ist dann traurig – und schreit wieder. Aber nach einer Weile glätten sich die Wogen schließlich und alles ist wieder normal. Eine Zeitlang zumindest.

In der letzten Zeit aber gibt es ohnehin viel Streit zwischen den beiden, mal ganz abgesehen von dem Stress mit der Autonomiephase. Sie nimmt sein Spielzeug, er nimmt ihr Spielzeug – sie streiten. Er möchte neben Mama sitzen, sie möchte neben Mama sitzen – sie streiten. Sie möchte den blauen Stift, er möchte den blauen Stift – sie streiten. Er möchte Paw Patrol gucken, sie möchte JoNaLu gucken – sie streiten. Sie nimmt sein TipToi, er nimmt ihr TipToi – sie streiten. Er möchte mit Mama kuscheln, sie möchte mit Mama kuscheln – sie streiten. Sie redet mit ihm, er will nicht, dass sie mit ihm redet – sie streiten. Ich könnte jetzt stundenlang so weitermachen.

Oft fängt der Große irgendwann an zu kreischen, dass es einem in den Ohren weh tut und die Kleine sagt dann: „Ruhig! Papa arbeiten!“, oder „Hör auf!“, oder „Geduld!“. Das bringt ihn nur noch mehr auf die Palme.

Manchmal agiere ich als Schiedsrichter, manchmal schalte ich einfach auf Durchzug. Beides ist schwierig. Denn oft ergreift man für ein Kind Partei – meistens für das Kleinere, was sicher nicht immer richtig ist. Und höre ich einfach weg, eskaliert es meistens und sie fangen an, sich zu kloppen. Oft ist er der Wildfang, der seine kleine Schwester dann schlägt. Aber inzwischen haut sie auch zurück oder fängt sogar damit an. Diese Entwicklung gefällt mir gar nicht – auch wenn es vermutlich dazu gehört.

Nicht selten höre ich den Wildfang in letzter Zeit sagen, dass er Pusteblume nicht mehr mag, dass sie ihm auf die Nerven geht und dass er sowieso keine Schwester wollte. Und ich verstehe, dass er genervt ist. Andererseits ich weiß auch, dass seine Worte nicht wahr sind, dass es nur angestauter Frust ist. Denn es gibt diese Momente…

Momente voller Liebe und Freundschaft zueinander. Momente in denen sie friedlich miteinander spielen, in denen sie gemeinsam Quatsch machen und dabei kichern, miteinander kuscheln, sich gegenseitig helfen. Sie bringt ihm seine Schuhe, teilt mit ihm Süßigkeiten. Er öffnet ihren Joghurt, er zieht ihr das Lätzchen an. Sie darf mit seinem Lieblingsdino spielen, er mit ihrer Puppe. Lauter kleine Gesten, in der Summe so groß.

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Man merkt, wie lieb die beiden sich haben. Auch, wenn das oft ganz anders aussieht.

Ich möchte jetzt einfach der aktuellen Phase die Schuld in die Schuhe schieben. Und auch ein wenig uns. Bedingt durch ihre regelmäßigen Wutanfälle, erhält meine Tochter gerade extrem viel Aufmerksamkeit – und mein Sohn zwangsläufig weniger. Und wenn ihm das dann zu viel wird, dreht er nun mal ebenfalls auf. Er wird wütend, schreit herum, macht Blödsinn. Er fordert ein, was ihm genau so zusteht, wie ihr: Unsere Aufmerksamkeit. Und wir? Schimpfen leider oftmals mit ihm. Es passiert unfreiwillig. Weil reden nicht hilft. Weil er sich nicht beruhigen lässt. Weil wir ihn auf andere Weise nicht erreichen. Weil wir eh schon gereizt sind.

Ich glaube wir machen gerade ziemlich viel falsch, ohne es zu wollen. Also: Öfter mal tief durchatmen und den eigenen Frust herunterschlucken. Und immer wieder dieses Mantra sprechen: Es ist alles nur eine Phase! Außerdem: Mehr Exklusivzeiten schaffen, Zusammenhalt fördern, mehr schlichten, als Partei zu ergreifen und dadurch das Band zwischen den beiden wieder enger knüpfen. Mehr Liebe als Hiebe – das ist unser Ziel.



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