Liebe Patienten…

Ich habe mir überlegt, folgenden Brief an die Tür der Prämedikationsambulanz zu kleben und jeden Patienten, der zu mir ins Sprechzimmer will, diesen per Unterschrift quittieren zu lassen:

Liebe Patienten,

ich freue mich sehr, dass sie es immerhin geschafft haben, den Anamnesebogen zur Hälfte auszufüllen. Ich möchte Sie kurz auf folgende Dinge hinweisen:

  • Ich werde Sie fragen, welcher OP Sie sich unterziehen. Ich weiß das natürlich schon vorher, denn ich kann ja lesen, aber es ist immer ein netter Einstieg ins Gespräch und soll Ihnen das Gefühl vermitteln, dass ich mich für Sie interessiere, also überlegen Sie sich bitte vorher eine Antwort und sagen Sie nicht “steht doch in der Akte”, weil ich mir dann blöd vorkomme.
  • Ich werde Sie fragen, welche Medikamente Sie einnehmen. Sie sollten das wissen, schließlich schlucken Sie das Zeug jeden Tag. Bitte sagen Sie auch jetzt nicht “steht doch in der Akte”, denn dann hinterlassen Sie bei mir den Eindruck, dass Sie nicht mal in der Lage sind, bis drei zu zählen und das möchten Sie sicher nicht. Wenn Sie mehr als vier Medikamente nehmen, dann ist Ihnen ein Spickzettel erlaubt, aber den sollten Sie dann bitte auch bei sich tragen und nicht wieder eben erwähntes Zitat anbringen. Aussagen wie “die kleine gelbe Tablette” disqualifizieren Sie sofort vom Prämedikationsgespräch, also sagen Sie so etwas nicht.
  • Ich werde Ihnen unter Umständen mehrere Narkoseformen unterbreiten, unter denen Sie auswählen können. Bitte wählen Sie auch aus und sagen Sie nicht: “Das müssen Sie doch wissen!” Sie sind ein mündiger Patient und als solcher treffen Sie die Entscheidung, ich berate Sie allerdings diesbezüglich gerne.
  • Wenn Sie Privatpatient sind, so finden Sie auf dem Ihnen gegebenen Zettel für Privatpatienten eine Liste der Oberärzte der Klinik für Anästhesiologie. Bitte fragen Sie mich nicht unglaublich empört, warum Professor Dr. Superchirurg nicht darauf verzeichnet ist, der Sie doch unbedingt operieren sollte. Das ist eine andere Abteilung. Sie gehen schließlich auch nicht aufs Tote Hosen-Konzert und beschweren sich dann, dass die Sportfreunde Stiller nicht gespielt haben.
  • Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Sie gelegentlich unterbreche. Wie Sie sehen, ist das Wartezimmer voll und die anderen möchten auch noch drankommen. Daher ist mein Interesse an der Sprunggelenks-OP vor 20 Jahren nur sehr eingeschränkt, es sei denn, eine der folgenden Komplikationen ist dabei aufgetreten: Maligne Hyperthermie, schwierige Intubation oder anaphylaktische Reaktion. Bitte trauen Sie mir zu, dass ich die für mich notwendigen Informationen durch Fragen herausfiltern kann und antworten Sie bitte nur auf die gestellten Fragen.
  • Wenn Sie Bluthochdruck haben und dieser medikamentös eingestellt ist, so haben Sie immer noch Bluthochdruck. Also schreiben Sie bitte nicht “nein” bei der Frage nach Bluthochdruck.
  • Bitte überlegen Sie sich vorher, was Sie für Allergien haben. Und denken Sie bitte nochmals über die Bedeutung des Wortes “Allergie” nach. Wenn Ihnen auf Opiate schlecht wird, so sind Sie in guter Gesellschaft, eine Allergie auf Opiate haben Sie deshalb aber noch lange nicht. Bitte verwechseln Sie nicht die Worte “Allergie” und “Nebenwirkung”. Sie sind ja auch nicht auf Alkohol allergisch, nur weil Ihnen nach zwei Glas Wein schwindelig wird.

Vielen Dank für Ihre Kooperation.

Dr. Anna


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