Liebe Parteien zur Bundestagswahl

Manchmal, wenn ich gerade meine reformistischen Tage habe (muss wohl was mit meinem Hormonhaushalt oder so zu tun haben …), lege ich virtuelle Listen an, mit welchen Forderungen man mich als Wähler wirklich begeistern könnte. Ich muss es zugeben: bisher habe ich, außer bei Kommunal- und Europawahlen, an jeder Wahl, zu der ich aufgerufen wurde, teilgenommen. Nach der Logik: Pest ist vielleicht doch ein bisschen besser als Cholera oder so … Ich wähle das kleinstmögliche Übel, vom dem ich meine, dass es theoretisch meine Interessen vertreten könnte („Zutrauen“ [Hegels Begriff für das vernünftige, gerechtfertigte Vertrauen in die Repräsentanten und Institutionen, das die Bürger eines wirklichen (!) Staates hegen] habe ich nicht gerade sonderlich). Ein paar Ansprüche, teilweise mehr, teilweise weniger vermessen, habe ich dann doch. Teilweise offen gesagt schlichtweg meiner aktuellen sozialen Situation geschuldet, teilweise durchaus aus einer Art Sorge um das Allgemeinwohl. Keine Studiengebühren, eine liberale Polizeiarbeit, die trotzdem verhindert, dass mir täglich mein Geldbeutel oder mein Fahrrad geklaut wird oder ich Angst vor irgendwelchen Schlägern haben muss, viel Förderung für Kultur und Bildung, wenig Zensur, nicht mehr Faschismus als nötig in einem bürgerlichen Staat, … Topthemen, über die ich nachdenke und immer wieder zu einer hitzigen Debatte bereit bin: ein ernsthafter Philosophieunterricht an den Schulen (also: als Hauptfach!), dessen Lehrplan nicht, (oder zumindest: nicht maßgeblich – man ist ja bescheiden und wir leben schließlich in Deutschland) von irgendwelchen Theologiedoktoranden ausgearbeitet wird, sondern eventuell sogar von Philosophieprofessoren, die auch ein bisschen Ahnung von Marx und Hegel haben (ah, dazu muss ich wirklich mal einen separaten Blogbeitrag schreiben!) und eine nahezu völlige Legalisierung sämtlicher Rauschmittel. Letzteres hat irgendwann sogar einmal die grüne Jugend ernsthaft gefordert! Das ist mein Rezept für sprudelnde Einnahmequellen des Staates und zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Zur Beruhigung der Bürger habe ich mir sogar eine Art Kompromissvorschlag überlegt: jeder, der Rauschmittel (auch Alkohol und Nikotin) erwerben will, muss zuvor einen Art „Drogenfahrschule“ besuchen, in der man einen „Drogenführerschein“ erwerben kann. Hier kriegt man alle praktisch relevanten Informationen (was gibt es, welche Wirkungen, welche Risiken, was muss man beachten etc.) beigebracht, ehe man sich fröhlich und frei zukoksen, wegtrinken etc. kann. Meine persönliche Hauptmotivation: es würden einfach bessere Rauschmittel produziert, es gäbe eine echte Qualitätsgarantie. Der freie Markt würde zudem mit Sicherheit neue Innovationsschübe entfesseln. Ach ja – und die Stimmung meiner Mitmenschen (und mir selbst) würde dank ungehinderter Kifferei sicherlich spürbar steigen. Wie geil wäre das: in der Mittagspause am Main sitzen und einen vorbeikommenden Polizisten höflich nach einem Feuerzeug für den fetten Joint fragen. Aber auch dazu eventuell mehr an separater Stelle …

Liebe Parteien – wenn ihr mich als Wähler begeistern wollt, werbt nicht mit Staubsaugervertretersprüchen (mein unschlagbarer Favorit: „Vernunft.“ [Lothar Bisky 2008 oder so]) und blödem Gegrinse, sondern mit derart substantiellen Reformvorschlägen. Habt Mut zum ungewöhnlichen! Aber ich sehe schwarz, dass ihr euch in eurem Opportunismus beirren lasst. Es ist einfach hoffnunglos. Nicht einmal dazu, den Verkauf des herrlichen aus Schweden stammenden „Rauchersatz“ Snus, den ich im Augenblick mit Begeisterung konsumiere, wollt ihr erlauben. Eure Begründung scheint so in etwa zu sein: er macht abhängig und erregt Krebs. Aha. Und was ist mit Zigaretten, Zigarren und so widerwärtigen Dingen wie Schnupf- und Kautabak? Euch hätte man wirklich in Philosophieunterricht stecken sollen! Dabei schädigt Snus zwar anscheinend die Zähne und den Mundraum mehr als der gute Rauch (ich zumindest merke leichte Reizungen – die ich jedoch auch von Schokolade kriege) – aber lieber mit 30 ein Gebiss als mit 30 Lungenkrebs, oder? Außerdem fügt Snus meinen „Mitmenschen“ keinen größeren Schaden zu, was euch an der Friedenskippe ja immer so stört. Und dazu schmeckt es wirklich lecker nach Salz und Tabak, nicht so eklig synthetisch wie Nikotinkaugummis und auch nicht nach Erdbeere, Apfel, Pfirsich-Maracuja oder anderem Kinderkram.

Also: meine Minimalforderung für die kommende Bundestagswahl: Legalisierung von schwedischem Snus und dazu eine großflächige Ausstattung aller öffentlichen Ortschaften mit Spuknäpfen. Ansonsten gehe ich am nächsten Wahltag nicht ins Lokal, sondern auf den Kinderspielplatz und qualme euren Nachwuchs voll!

(Falls irgendwer von der FDP das liest: hic rhodus hic salta! [Wenn Sie nicht wissen, was das heißt: da wissen Sie, was Ihnen durch die mangelnde philosophische Grundlagenausbildung entgangen ist!] Hier liegt eine echte, unbegründete Beschränkung unserer liberalen Grundrechte vor und eine Ernst zu nehmende Wettbewerbsverzerrung.)


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