Liebe Elfriede Jelinek,

Von Guidorohm

so ein Anfang ist ein Hindernis.
Der erste Buchstabe muß überstiegen werden.
Schon folgt der nächste Buchstabe.
Die Stäbe ragen in die weiße Schneelandschaft des virtuellen Computerpapiers hinein.
Stab für Stab ergeben sie ein Wort.
Das Wort wird zum Ort.
Man richtet sich darin ein.
Zieht aus.
Zieht weiter.
Zieht ein ins nächste Wort.
Anfänge sollen Ihnen schwer gefallen sein.
Das kann stimmen.
Das kann nicht stimmen.
Ich las es.
Jetzt ist es Literatur!
Und Literatur ist nie die Wahrheit, sondern stets nur eine Suchbewegung.
Jetzt habe ich die ersten Stäbe errichtet.
Ich habe ihren Namen in den Schnee geschrieben.
Ich richte mich auf.
Ich sehe mich um.
Ich blicke hin zu ihren Texten, die man vorsichtig betreten muss.
Man kann sich in ihnen verlieren.
Ich meine natürlich die Texte, denn Sie, liebe Frau Jelinek, kenne ich ja nicht, ich kenne nur die Schneeballwürfe, die Bücher, die, tritt man ihnen in die Flugbahn, ins Gesicht treffen.
Schon lösen sich einzelne Eiskristallworte.
Sie laufen ins Gesicht hinein.
In den Mund.
In den Nacken.
Aber man geht weiter, denn so ein Schneeball soll einen nicht aufhalten beim Anstieg.
Ein Raunen ist zu hören.
Bald schon ein Rauschen.
Eine Jelinekwortlawine hat sich gelöst.
Sie rast hinab ins Tal.
Sie reist mit sich Sträucher und Bäume. Auch Felsen sind nicht vor ihr sicher. Ein gieriger Gendarm noch weniger.
Man will sich vom Anblick all der Wortmassen, die dort rasen, nicht lösen.
Gebannt bleibt man stehen.
Man staunt!
Wenige Sekunden später steht man in einem Meer aus Kraft und Worten.
Niemand schreibt heftiger aus sich heraus.
Sie sind die Lawine!
Sie haben sich in Worte aufgelöst.
Eine Sprachschneemaschine, die von Leinwänden hinab ihre Nobelpreisrede in die offenen Münder sprühte.
Lawinen werden verflucht.
Auch davon können Sie ein Lied singen.
Keine Autorin, auch kein Autor, kein schreibendes Schneeungetüm hat die Literatur nachhaltiger geworfen.
Und weil ein kurzer Schneetext zum Ende hin schmelzen muss, lasse ich nun die Sonne scheinen.
Hitze wallt durch alle Schneemächtigkeit.
Die Hitze löst den Kampf mit dem himmlischen Niederschlag.
Die Hitze lässt die Zunge aus dem Mund heraus hängen.
Man sehnt sich nach Wasser.
Bald schon aber wieder nach Schnee.