(Foto:ZDF)
VonGünter Verdin. www.verdinguenter.blogspot.com
24.Dezember 1942: die Deutschen sitzen vor ihren Volksempfängern und hören in einer NS- Propaganda- Ringsendung die zuversichtlichen Botschaften von Frontsoldaten aus aller Welt, unter anderem auch aus Stalingrad. Auch die Soldaten selbst empfangen das Programm , das nicht nur Weihnachtsstimmung, sondern auch Durchhalteparolen vermitteln soll. Der Führer hat auffaltbare Papier-Weihnachtsbäume und Päckchen mit Zigaretten und Lebkuchen geschickt, deren Inhalt auf dem langen Postweg meist geplündert wurde. Was die Daheimgebliebenen nicht ahnen: zu diesem Zeitpunkt befindet sich die 6. Armee bereits in aussichtsloser Lage. Bereits beim Wintereinbruch im November waren die Deutschen von der Roten Armee eingekesselt worden. Im Februar 1943 kapituliert die 6. Armee unter Generalfeldmarschall Paulus gegen den ausdrücklichen Befehl Hitlers: von den 90.000 deutschen Soldaten, die in russische Gefangenschaft kamen, sahen nur 6.000 die Heimat wieder.
Die ZDF-Doku "Stille Nacht in Stalingrad" betrauert in einer Mischung aus Wochenschaumaterial , Interviews mit Überlebenden und etwas seltsam anmutender "szenischer Rekonstruktion" den sinnlosen Tod der deutschen Soldaten , verschweigt aber nicht die von der 6.Armee begangenen Gräueltaten am bewaffneten Feind und an der Zivilbevölkerung. Drei Millionen Rotarmisten kamen in deutscher Gefangenschaft um.
Für die 90minütige ARTE-Reportage "Winter 42/43", die zur selben Zeit ausgestrahlt wurde, ist Stalingrad nur ein Teilaspekt. Hier dominieren historische Amateur-und Wochenschau-Aufnahmen von der russischen Front , aber auch aus dem von den Deutschen besetzten Frankreich und aus Großbritannien. Das weitet den Blick des Zuschauers für weltgeschichtliche Zusammenhänge, ohne dass die menschlichen Schicksale in allen in den II.Weltkrieg involvierten Länder unberücksichtigt bleiben. Die Tagebuch-Einträge des 14-jährigen Holocaust-Opfers Rutka Laskier aus dem Ghetto in Polen berühren ebenso zutiefst wie auch der Liebes-Briefwechsel zwischen der jungen Widerstandskämpferin Sophie Scholl und ihrem Freund Fritz Hartnagel, der Stalingrad überlebte. Sie alle träumten von "Licht, Leben, Liebe" . Mit diesem Motto hat der Pastor und Oberarzt Kurt Reuber seine im Kessel von Stalingrad entstandene Zeichnung einer Schutzmantelmadonna umrandet.